Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.08.2020, Az. II ZR 171/19

2. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1090

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Gegenstand

Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters vor vollständig erbrachter Einlage und ohne Beschluss über Verwertung seines Geschäftsanteils


Leitsatz

Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juli 2019 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 26. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eine GmbH. Die Klägerin und die Nebenintervenientin der Beklagten sind deren [X.]er. Die Klägerin war zunächst Inhaberin eines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 12.740 € (Nr. 2), die Nebenintervenientin war Inhaberin eines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 13.260 € (Nr. 3). Am 12. November 2012 erhöhten die [X.]er das voll eingezahlte Stammkapital von 26.000 € auf 200.000 €. Von den zwei neu gebildeten Geschäftsanteilen übernahm die Klägerin einen im Nennbetrag von 85.260 € (Nr. 4) und die Nebenintervenientin einen im Nennbetrag von 88.740 € (Nr. 5), die in Höhe von 36.260 € (Nr. 4) bzw. 37.740 € (Nr. 5) sofort einzuzahlen waren, was auch geschehen ist. Die Restbeträge in Höhe von 49.000 € (Nr. 4) bzw. 51.000 € (Nr. 5) sollten jeweils nach Aufforderung durch die [X.] fällig werden.

2

Nach § 13 Abs. 1 b) des [X.]svertrags der Beklagten (im Folgenden: [X.]) kann ein [X.]er durch Beschluss aus der [X.] ausgeschlossen werden, wenn er mit der Einzahlung des vertraglich geschuldeten [X.]skapitals oder einer vertraglich vereinbarten Kapitalerhöhung ganz oder anteilig länger als drei Monate in Verzug ist und ungeachtet einer mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Ausschließung verbundenen nochmaligen Zahlungsaufforderung binnen eines weiteren Monates nicht leistet. Nach § 13 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist der Zeitpunkt der Zustellung des [X.] an den betroffenen [X.]er maßgebend für den Zeitpunkt des Ausscheidens. Nach § 13 Abs. 7 [X.] hat der ausgeschlossene [X.]er nach Wahl der [X.] die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden oder den Anteil an die [X.], an einen [X.]er oder an einen von der [X.] bezeichneten Dritten zu veräußern und abzutreten. Nach § 13 Abs. 5 [X.] kann der Ausschließungsbeschluss innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Zugang des [X.] durch Klage angefochten werden.

3

§ 15 Abs. 8 [X.] lautet auszugsweise:

"[...] Ist die Abfindungszahlung nicht möglich, ohne das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der [X.] anzugreifen, sind die verbleibenden [X.]er verpflichtet, den eingezogenen Geschäftsanteil gegen Übernahme der [X.] zu gleichen Anteilen oder in einem anderen Verhältnis zu übernehmen, falls die [X.]erversammlung der verbleibenden [X.]er dies mit einfacher Mehrheit ihrer Stimmen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Feststellung des Abfindungsguthabens des ausgeschiedenen [X.]ers beschließt. Die [X.]er haften in diesem Fall für die Zahlung des Abfindungsguthabens. Kommt dieser Beschluss nicht zustande, so wird die Ausschließung [...] unwirksam und die [X.] wird aufgelöst."

4

Da die Klägerin die [X.] trotz Aufforderung nicht geleistet hat, führten die Parteien verschiedene Rechtsstreitigkeiten. ln der [X.]erversammlung vom 4. März 2016 wurde der Beschluss gefasst, dass der Restbetrag auf den von der Klägerin zu leistenden Geschäftsanteil mit der lfd. [X.]. 49.000 € sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig ist und die Geschäftsführung angewiesen wird, die ausstehende Stammeinlage unverzüglich von der Klägerin einzufordern. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin wurde mit Urteil des [X.] vom 8. November 2016 zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen hat. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 4. März 2016 durch den Geschäftsführer der Beklagten zur Zahlung bis zum 11. März 2016 sowie mit Schreiben vom 11. Juli 2016 nochmals zur umgehenden Zahlung innerhalb eines Monats unter Hinweis auf einen möglichen Ausschluss gemäß § 13 Abs. 1 b) [X.] aufgefordert. In der [X.]erversammlung vom 22. September 2016 beschloss die allein teilnehmende Nebenintervenientin, die Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 b) [X.] auszuschließen.

5

Das [X.] hat die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass der Beschluss der [X.]erversammlung der Beklagten vom 22. September 2016 zu Tagesordnungspunkt 6 (Ausschluss der Klägerin) nichtig ist. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des Urteils des [X.].

7

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der angefochtene [X.]erbeschluss, mit dem die Klägerin aus der Beklagten habe ausgeschlossen werden sollen, sei nichtig. Aus dem Grundsatz der [X.], auf den ausdrücklich auch für die Einziehung von Geschäftsanteilen verwiesen werde, folge, dass die Ausschließung eines [X.]ers, der seine Stammeinlage noch nicht vollständig erbracht habe, unzulässig sei.

8

Zwar sei bei der Ausschließung die Volleinzahlung des Geschäftsanteils grundsätzlich nicht erforderlich. Da hier die Initiative von den Mitgesellschaftern ausgehe, könnten sie zugleich beschließen, den nicht voll eingezahlten Geschäftsanteil selbst zu übernehmen. Möglich sei auch die Übertragung auf einen [X.]. Entscheidend sei aber, dass "zugleich" mit der Ausschließung das weitere Schicksal des nicht voll eingezahlten [X.] geklärt werde. Unter diesen besonderen Voraussetzungen trete unmittelbar mit dem Ausscheiden des säumigen [X.]ers ein anderer Schuldner für die noch ausstehende Stammeinlage an dessen Stelle, sodass der Grundsatz der [X.] ohne weiteres gewahrt werde.

9

Auf dem von der Beklagten beschrittenen Weg, zunächst nur über den Ausschluss der Klägerin zu entscheiden, die Entscheidung über das weitere Schicksal dieses [X.] aber zurückzustellen, würde dagegen eine Situation entstehen, bei der es vorübergehend keinen Schuldner für die noch ausstehende Stammeinlage gebe. Die Dauer dieses Zustands wäre dabei völlig unklar, weil es keinen Zeitpunkt gebe, bis zu dem zwingend über das weitere Schicksal des [X.] entschieden werden müsse; eine solche Entscheidung sei auch nicht zu erzwingen, sondern stünde dann letztlich im Belieben der verbliebenen [X.]er. Eine Stammeinlageforderung ohne einen entsprechenden Schuldner sei aber offensichtlich mit dem Gebot der [X.] nicht vereinbar.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der [X.]er einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der [X.] ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss. Die vom Berufungsgericht geforderte Gleichzeitigkeit des Ausschlusses und der Entscheidung über das Schicksal des Geschäftsanteils ist zum Schutz der Kapitalaufbringung nicht geboten.

1. Das Schrifttum sieht in dem Umstand, dass die Einlage auf den Geschäftsanteil nicht voll geleistet wurde, keinen Hinderungsgrund für die Ausschließung eines [X.]ers ([X.], [X.], 1927, 1933; [X.], GmbHR 2008, 850, 852 f., 856; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 22. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 7; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 20. Aufl., § 34 Rn. 140; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 3. Aufl., Anhang § 34 Rn. 20; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 81; [X.] in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 34 Rn. 88). Ob über die Verwertung des Geschäftsanteils gleichzeitig mit dem Ausschluss beschlossen werden muss, oder ob später darüber entschieden werden kann, wird selten erörtert. Zum Teil wird für die Zulässigkeit der Ausschließung eines nicht voll eingezahlten Geschäftsanteils dessen mögliche Abtretung in absehbarer Zeit für erforderlich gehalten ([X.]/[X.], GmbHG, 12. Aufl., Anhang § 34 Rn. 36). Zum Teil wird formuliert, bei der Ausschließung sei die Volleinzahlung des Geschäftsanteils grundsätzlich nicht erforderlich. Da hier die Initiative von den Mitgesellschaftern ausgehe, könnten sie zugleich beschließen, den nicht voll eingezahlten Geschäftsanteil selbst zu übernehmen. Möglich sei auch die Übertragung auf einen [X.](MünchKommGmbHG/[X.], 3. Aufl., § 34 Rn. 112). Diesen Ausführungen lässt sich indes bereits nicht mit Sicherheit entnehmen, ob mit "zugleich", entsprechend dem Verständnis des Berufungsgerichts, eine zwingende zeitliche Verknüpfung hergestellt werden soll.

2. Ist die Einlage bereits vollständig geleistet, wie hier auf den Geschäftsanteil der Klägerin mit der lfd. [X.], bedarf es nach der Rechtsprechung des [X.]s keiner gleichzeitigen Beschlussfassung über die Ausschließung des [X.]ers und die Verwertung seines Geschäftsanteils. Ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss hat zur Folge, dass der betroffene [X.]er seine [X.]erstellung verliert. Der Geschäftsanteil bleibt dagegen bestehen. Auch wenn die [X.] nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt, lebt die [X.]erstellung des Betroffenen nicht wieder auf. Für die Wirksamkeit der Ausschließung kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich diese beschlossen, nicht aber über den Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist ([X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23).

3. Der [X.]er einer GmbH kann, jedenfalls wenn die Einlageforderung der [X.] bereits fällig gestellt wurde, auch dann ausgeschlossen werden, wenn er seine Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss. Hat der auszuschließende [X.]er seine Einlage noch nicht vollständig geleistet, steht dies nur der Einziehung seines Geschäftsanteils in Vollzug der Ausschließung entgegen.

a) Die von der Klägerin geschuldete [X.] auf den Geschäftsanteil mit der lfd. [X.] in Höhe von 49.000 € ist fällig.

Nach den Bedingungen des [X.] vom 12. November 2012 und der von der Klägerin abgegebenen Übernahmeerklärung sollte die [X.] nach Aufforderung durch die [X.] fällig werden. In der [X.]erversammlung vom 4. März 2016 wurde ein Beschluss über den Einzug der offenen Einlageforderung von 49.000 € bei der Klägerin gefasst. Die hiergegen erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage der Klägerin wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 4. März 2016 durch den Geschäftsführer der Beklagten zur Zahlung bis zum 11. März 2016 sowie mit Schreiben vom 11. Juli 2016 zur umgehenden Zahlung innerhalb eines Monats aufgefordert.

b) Die [X.] kann einen Ausschluss nicht durch Einziehung des Geschäftsanteils des auszuschließenden [X.]ers vollziehen, wenn die Einlage auf den Geschäftsanteil des Ausgeschlossenen nicht vollständig erbracht wurde. Dieses aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung hergeleitete [X.] gilt aber unabhängig davon, ob mit dem Ausschluss oder danach die Einziehung beschlossen wird.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Verbot der Einziehung eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils nicht aus dem Grundsatz der [X.] hergeleitet, sondern aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung. Eine Einziehung ist nur zulässig, wenn die auf den einzuziehenden Geschäftsanteil zu erbringende Einlageleistung vollständig erbracht ist. Das ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Danach darf der [X.]er von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage nicht befreit werden. Das würde aber geschehen, wenn ein Geschäftsanteil, auf den eine noch nicht fällig gestellte Einlage noch nicht eingezahlt ist, eingezogen würde (vgl. [X.], Urteil vom 1. April 1953 - [X.], [X.]Z 9, 157, 168 f.; Urteil vom 2. Dezember 2014 - [X.], [X.]Z 203, 303 Rn. 31).

Die Einziehung ist auch unzulässig, wenn die noch nicht geleistete Einlage bereits fällig gestellt wurde. Wurde die Einlage bereits fällig gestellt, haftet der betroffene [X.]er allerdings weiter für die Einlageforderung (vgl. [X.], Urteil vom 14. September 1998 - [X.], [X.]Z 139, 299, 302; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 5 Rn. 92; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 44; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 22. Aufl., § 34 Rn. 19; [X.]/[X.], GmbHG, 12. Aufl., § 34 Rn. 65;[X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 57; MünchKommGmbHG/[X.], 3. Aufl., § 34 Rn. 61). Er kann dann nicht mehr im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG durch die Einziehung von der Verpflichtung zur Leistung der Einlage befreit werden. Aber auch in diesem Fall bleibt die Einziehung wegen der damit verbundenen Gefahr für die Kapitalaufbringung unzulässig ([X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 5 Rn. 73; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 30; MünchKommGmbHG/ [X.], 3. Aufl., § 34 Rn. 30). Denn eine wirksame Einziehung vernichtet den Geschäftsanteil ([X.], Urteil vom 14. September 1998 - [X.], [X.]Z 139, 299, 302; Urteil vom 24. Januar 2012 - [X.], [X.]Z 192, 236 Rn. 6). Dann scheidet eine Verwertung des Geschäftsanteils und damit die Realisierung des in ihm verkörperten [X.]s aus. Es verbliebe lediglich die Haftung des betroffenen [X.]ers für bereits fällig gestellte Einlageforderungen. Ist dieser zahlungsunfähig, scheitert die Kapitalaufbringung endgültig.

c) Beschließt die [X.]erversammlung erst nach dem Ausschluss über die Verwertung des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen, bringt dies für den Schutz der Kapitalaufbringung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Nachteile gegenüber einer zeitgleichen Beschlussfassung mit sich, wenn die Einlageleistung bereits fällig gestellt wurde.

aa) Die Ausschließung wird nach § 13 Abs. 3 b) [X.] vorbehaltlich einer anderen Bestimmung der [X.]erversammlung mit Zustellung des [X.] an den [X.] wirksam. Dies ist rechtlich zulässig. Die Satzung einer GmbH kann für den Fall des Ausschlusses eines [X.]ers durch [X.]erbeschluss anordnen, dass der betroffene [X.]er seine [X.]erstellung mit sofortiger Wirkung verliert ([X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23; Urteil vom 30. Juni 2003 - [X.], [X.], 1544 Rn. 14; Beschluss vom8. Dezember 2008 - [X.], [X.], 314 Rn. 5, 6; Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 21).

bb) Der ausgeschlossene [X.]er hat gemäß § 13 Abs. 7 [X.] nach Wahl der [X.] die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden oder den Anteil an die [X.], an einen [X.]er oder an einen von der [X.] bezeichneten [X.] zu veräußern und abzutreten. Der Schutz der Kapitalaufbringung wird unabhängig davon gewährleistet, wann die Beklagte von ihrem Wahlrecht Gebrauch macht.

Die Ausschließung lässt den Geschäftsanteil unberührt (vgl. [X.], Urteil vom 1. April 1953 - [X.], [X.]Z 9, 157, 167 f.; Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23; Urteil vom 20. September 1999 - [X.], [X.], 1843, 1844). Die Einlage wurde auf den Geschäftsanteil der Klägerin mit der lfd. [X.] nicht vollständig geleistet. In diesem Fall scheidet die Einziehung des Geschäftsanteils in Vollzug des Ausschlusses ebenso aus wie der Erwerb durch die [X.] (§ 33 Abs. 1 GmbHG). In der Regel und auch nach der Satzungsgestaltung der Beklagten bleibt dann die Möglichkeit der Verwertung durch Abtretung des Geschäftsanteils an einen Mitgesellschafter oder einen [X.]. Der in dem Geschäftsanteil verkörperte [X.] (§ 14 GmbHG) besteht ungeachtet der Ausschließung unabhängig davon fort, ob zeitgleich mit dem Ausschluss oder erst später über die Verwertung des Geschäftsanteils entschieden wird. Da der ausgeschlossene [X.]er für eine bereits fällig gestellte Einlageforderung weiter haftet, bleibt diese Forderung, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, auch nicht bis zur Entscheidung über die Verwertung des Geschäftsanteils ohne Schuldner. Der Schutz der Kapitalaufbringung verschlechtert sich bei fällig gestellten Einlageforderungen durch die Ausschließung nicht.

cc) Ein Zwang zu gleichzeitiger Beschlussfassung über Ausschließung und Verwertung des Geschäftsanteils ist im Hinblick auf den im Interesse der [X.]sgläubiger zu gewährleistenden Schutz der Kapitalaufbringung abzulehnen, weil die zeitliche Bindung einer möglichst die offene Einlageforderung deckenden Verwertung entgegenstehen könnte, wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein Interessent oder jedenfalls keiner, der in diesem Umfang leistungsbereit ist, zur Verfügung steht. Aus demselben Grund könnte durch den Zwang zur zeitgleichen Verwertung das Interesse der [X.] und des Ausgeschlossenen an einer seinen Abfindungsanspruch finanzierenden Veräußerung des Geschäftsanteils beeinträchtigt werden.

4. Der Ausschluss der Klägerin wird unabhängig von der Zahlung einer Abfindung wirksam.

Hat, wie vorliegend, ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss der [X.]erversammlung nach der Satzung der GmbH die Wirkung, dass der betroffene [X.]er seine [X.]erstellung mit sofortiger Wirkung verliert, tritt diese Wirkung unabhängig von der Zahlung der dem [X.]er zustehenden Abfindung ein (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23; Urteil vom 20. Juni 1983 - [X.], NJW 1983, 2880, 2881; Urteil vom 30. Juni 2003 - [X.], [X.], 1544, 1546; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - [X.], [X.], 314 Rn. 6; Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 21). Dies gilt für den Ausschluss eines [X.]ers, der seine Einlage voll erbracht hat, in gleicher Weise wie für den Ausschluss eines [X.]ers, dessen Einlage teilweise rückständig ist. Die [X.]erstellung des Betroffenen lebt nicht wieder auf, wenn die [X.] nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt und nichts dazu tut, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt ([X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - [X.], [X.], 314 Rn. 6). Im Prozess über die Wirksamkeit des [X.] kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich die Ausschließung des [X.] beschlossen, nicht aber über seinen Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist, und welchen Wert dieser Geschäftsanteil hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 23;Beschluss vom 8. Dezember 2008 - [X.], [X.], 314 Rn. 6).

III. Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).

1. Der Ausschließungsbeschluss ist nicht deshalb anfechtbar, weil die Klägerin ihre Einlageverpflichtung nicht erfüllen muss. Die Klägerin hat im Wesentlichen darauf abgestellt, sie dürfe nicht ausgeschlossen werden, weil sie sich zu Recht dagegen wehre, die Einzahlungsverpflichtung zu erfüllen. Sämtliche Geldbeträge, die die Beklagte eingenommen habe, seien nicht für satzungsgemäße Zwecke verwendet, sondern lediglich "verbrannt" worden.

Bei dem Einwand, [X.]smittel würden nicht dem [X.]szweck gemäß verwendet, handelt es sich der Sache nach um die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht. Der Inferent kann gegen die Bareinlageforderung aber keine Zurückbehaltungsrechte geltend machen. Dies ergibt sich aus dem Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gefährdet die Kapitalaufbringung und damit [X.]s- und Gläubigerinteressen in ähnlicher Weise wie die Aufrechnung (vgl. [X.], 266, 268 f.; Verse in Henssler/[X.], [X.], 4. Aufl., § 19 GmbHG Rn. 30; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 22. Aufl., § 19 Rn. 41; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 4. Aufl., § 19 Rn. 31; [X.] in [X.] [X.], GmbHG, 20. Aufl., § 19 Rn. 41; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], GmbHG, 3. Aufl., § 19 Rn. 105; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 3. Aufl., § 19 Rn. 105; [X.]/[X.], GmbHG, 12. Aufl., § 19 Rn. 97; abweichend, aus § 19 Abs. 2 Satz 3 GmbHG: [X.] GmbHG/Ziemons, 44. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 19 Rn. 134;MünchKommGmbHG/[X.], 3. Aufl., § 19 Rn. 128; aus beiden Vorschriften: [X.] in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 19 Rn. 94).

2. Der Beschluss über die Ausschließung der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht wegen eines Verstoßes gegen das [X.]sgebot nichtig, weil nach der Satzungsgestaltung der Beklagten eine das Stammkapital schädigende Auszahlung der Abfindung an die Klägerin ausgeschlossen ist.

Auszahlungen an ausgeschiedene [X.]er dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen ([X.], Urteil vom 26. Juni 2018 - [X.], [X.], 1540 Rn. 15 mwN). Nach der Rechtsprechung des [X.]s gilt das Gebot der [X.] auch dann, wenn die [X.] einen [X.]er ausschließen will ([X.], Urteil vom 1. April 1953 - [X.], [X.]Z 9, 157, 175; Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 19). Geschieht das aufgrund einer Satzungsregelung durch Beschluss der [X.]erversammlung, ist dieser Beschluss entsprechend § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG nichtig, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann ([X.], Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 19).

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Satzung der Klägerin sieht die Verwertung der Geschäftsanteile eines Ausgeschlossenen durch Übertragung an einen Mitgesellschafter oder einen [X.] vor. Das [X.]sgebot aus § 30 Abs. 1 GmbHG kann in diesem Fall in der Regel nicht verletzt werden, wenn eine Gegenleistung in Höhe des [X.] vereinbart wird. Denn dann schuldet nicht die [X.], sondern der Erwerber die Abfindung in Form des Kaufpreises ([X.], Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 20). Darauf kann es aber nur dann ankommen, wenn diese Möglichkeit tatsächlich besteht. Ob sie darüber hinaus in dem Beschluss bereits festgelegt sein muss, hat der [X.] bisher offengelassen ([X.], Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 20). Die Frage bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung.

Für den Fall, dass eine den Abfindungsanspruch sichernde Verwertung durch Übertragung an einen Mitgesellschafter oder einen [X.] nicht möglich ist, schließt die Regelung in § 15 Abs. 8 [X.] aus, dass eine Abfindung aus dem gebundenen Vermögen gezahlt wird. Nach § 15 Abs. 8 Satz 2 [X.] kann die Nebenintervenientin der Beklagten bei unzureichendem freiem Kapital der [X.] die Geschäftsanteile der Klägerin übernehmen und schuldet dann anstelle der Beklagten die Abfindung. Ein Abfindungsanspruch gegen die Beklagte erlischt. Das [X.]sgebot aus § 30 Abs. 1 GmbHG wird nicht verletzt (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.], 1104 Rn. 20). Übernimmt die Nebenintervenientin die Geschäftsanteile der Klägerin nicht, wird die Ausschließung nach § 15 Abs. 8 Satz 4 [X.] unwirksam, und die [X.] wird aufgelöst. In diesem Fall erlischt der Abfindungsanspruch insgesamt.

IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, die die Unwirksamkeit des Beschlusses der [X.]erversammlung der Beklagten vom 22. September 2016 zu Tagesordnungspunkt 6 (Ausschluss der Klägerin) begründen könnten, ist das klageabweisende Urteil des [X.] wiederherzustellen.

Drescher     

        

Born     

        

B. Grüneberg

        

V. Sander      

        

von [X.]      

        

Meta

II ZR 171/19

04.08.2020

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 4. Juli 2019, Az: 18 U 76/18, Urteil

§ 19 Abs 2 S 1 GmbHG, § 34 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.08.2020, Az. II ZR 171/19 (REWIS RS 2020, 1090)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1188-1189 WM2020,1630 REWIS RS 2020, 1090


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZR 171/19

Bundesgerichtshof, II ZR 171/19, 04.08.2020.


Az. 18 U 76/18

Oberlandesgericht Köln, 18 U 76/18, 04.07.2019.


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