Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.09.2023, Az. VI R 27/21

6. Senat | REWIS RS 2023, 7325

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Gegenstand

Zur Feststellung der Zuordnung des Arbeitnehmers im steuerlichen Reisekostenrecht


Leitsatz

Eine (stillschweigende) Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (Anschluss an das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 9, Beispiel 1 und Abwandlung).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24.11.2021 - 3 K 6/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre (2015 bis 2017) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

2

Die Kläger wohnten in [X.] Der Kläger war in den Streitjahren als Bauleiter bei der [X.], einem international tätigen Bauunternehmen, beschäftigt. Die [X.] unterhielt eine Niederlassung in der [X.] in [X.]

3

Nach § 1 des Arbeitsvertrags des [X.] war sein "Einstellungsort" in [X.] Ihm stand in den Streitjahren ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In ihren [X.] und den Lohnabrechnungen des [X.] berücksichtigte die [X.] im Rahmen der Nutzung des Firmenwagens für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die sogenannte 0,03 %-Regelung. Ausgehend von einem Listenpreis des Fahrzeugs von 24.900 € und einer Entfernung von 29 km zwischen der Wohnung der Kläger und der von der [X.] in der [X.] in [X.] angenommenen ersten Tätigkeitsstätte des [X.] setzte diese insoweit einen Sachbezug in Höhe von monatlich 216,63 € an.

4

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Als Ort der ersten Tätigkeitsstätte gaben die Kläger jeweils "[X.]" an. Sie erklärten, der Kläger habe die erste Tätigkeitsstätte im Jahr 2015 an 215 Tagen (gemäß berichtigter Anlage N), im Jahr 2016 an 209 Tagen und im Jahr 2017 an 217 Tagen aufgesucht. Außerdem machten sie Verpflegungsmehraufwendungen des [X.] mit einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden an 178 Tagen im Jahr 2015 (gemäß berichtigter Anlage N), an 162 Tagen im Jahr 2016 und an 168 Tagen im Jahr 2017 geltend. [X.]um Beleg der Verpflegungsmehraufwendungen reichten sie Bescheinigungen der [X.] ein.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen für 2015 nicht an. Die Entfernungspauschale berücksichtigte das [X.] hingegen erklärungsgemäß für 215 Tage. Für 2016 und 2017 setzte es die Verpflegungsmehraufwendungen demgegenüber wie erklärt an, kürzte dafür aber die Entfernungspauschale auf 47 Tage (2016) beziehungsweise auf 49 Tage (2017).

6

Die Kläger legten gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre Einsprüche ein, mit denen sie unter anderem geltend machten, der Kläger habe in [X.] keine erste Tätigkeitsstätte gehabt. Das [X.] wies den Einspruch für 2015 als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer für 2016 und 2017 nach einem Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Einspruchsentscheidung höher fest. Der Kläger habe in [X.] über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Die Verpflegungsmehraufwendungen seien mangels Nachweises der Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der ersten Tätigkeitsstätte nicht anzuerkennen.

7

Das Finanzgericht ([X.]) gab der hiergegen erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 392 veröffentlichten Gründen statt.

8

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist zulässig; die Revisionsbegründung entspricht (noch) den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O).

Die Revision ist aber unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Kläger in der Niederlassung der [X.] in der [X.] in [X.] nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte. Es hat ausgehend hiervon den Arbeitslohn des [X.] zu Recht um die sich aus der Anwendung der 0,03 %-Regelung ergebenden Beträge reduziert und die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anerkannt. Dementsprechend hat die Vorinstanz zutreffend vom Ansatz der Entfernungspauschale abgesehen.

1. Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden, erhöht sich dieser Wert gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nach Maßgabe der tatsächlichen Benutzung des Dienstwagens für solche Fahrten. Der [X.]uschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03 %-Regelung) kommt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nur zur Anwendung, wenn und soweit der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzt (grundlegend Senatsurteile vom 04.04.2008 - VI R 68/05, [X.], 17, [X.], 890 und vom [X.], [X.], 139, [X.], 359, jeweils zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet der Ansatz eines Nutzungsvorteils nach der 0,03 %-Regelung im Streitfall aus. Denn der Kläger verfügte in den Streitjahren nicht über eine erste Tätigkeitsstätte, so dass die Nutzung des ihm von der [X.] überlassenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von vornherein nicht in Betracht kam.

2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

a) Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 27/17, [X.], 271, [X.] 2019, 536, Rz 13, m.w.[X.]).

Bei der Niederlassung der [X.] in der [X.] in [X.] handelt es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung der Arbeitgeberin des [X.], wie das [X.] zutreffend entschieden hat. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Der Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab.

b) Die Vorinstanz hat des Weiteren ohne Rechtsfehler eine [X.]uordnung des [X.] zu der Niederlassung der [X.] in [X.] verneint.

Eine solche [X.]uordnung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.

aa) Nach der gesetzlichen Konzeption --und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden [X.] wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits([X.] oder dienstrechtlichen [X.]uordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 11.04.2019 - VI R 40/16, [X.], 248, [X.] 2019, 546, Rz 22; vom 10.04.2019 - VI R 6/17, [X.], 258, [X.] 2019, 539, Rz 19 und vom 12.07.2021 - VI R 9/19, Rz 14, jeweils m.w.[X.]).

bb) [X.]u den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die [X.]uordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers vorgenommen werden. Die [X.]uordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese [X.]uordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen [X.]uordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten [X.]uweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche [X.]wecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter [X.]ahlungen als Reisekosten verringern (BTDrucks 17/10774, S. 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte (Senatsurteile vom 10.04.2019 - VI R 6/17, [X.], 258, [X.] 2019, 539, Rz 20 und vom 10.04.2019 - VI R 17/17, Rz 19).

cc) Die arbeitsrechtliche [X.]uordnungsentscheidung des Arbeitgebers muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (ebenso Schreiben des [X.] --BMF-- vom 25.11.2020, [X.], 1228, Rz 11). Die Feststellung einer entsprechenden [X.]uordnung ist vielmehr durch alle nach der Finanzgerichtsordnung zugelassenen Beweismittel möglich und durch das [X.] im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es --mangels gegenteiliger Feststellungen im [X.] regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll (Senatsurteile vom 10.04.2019 - VI R 6/17, [X.], 258, [X.] 2019, 539, Rz 21 und vom 12.07.2021 - VI R 9/19, Rz 16).

dd) Ob im Einzelfall unter Anwendung der dargelegten Grundsätze eine (dauerhafte) [X.]uordnung vorliegt, ist grundsätzlich Tatfrage und als solche vom [X.] zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das [X.] im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (s. Senatsurteil vom 26.10.2022 - VI R 48/20, [X.], 464, [X.] 2023, 582, Rz 18).

ee) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (Senatsurteile vom 04.04.2019 - VI R 27/17, [X.], 271, [X.] 2019, 536, Rz 18 f.; vom 11.04.2019 - VI R 40/16, [X.], 248, [X.] 2019, 546, Rz 25 f. und vom 30.09.2020 - VI R 11/19, [X.], 470, [X.] 2021, 308, Rz 20).

ff) Nach diesen Maßstäben ist das [X.] rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger der Niederlassung der [X.] in der [X.] in [X.] nicht zugeordnet war.

(1) Der vom [X.] als [X.]euge vernommene Vorgesetzte des [X.], A, hat bekundet, die [X.] habe den Kläger nicht dem Gebäude der Niederlassung in der [X.] in [X.] zugeordnet. Dies ergebe sich nicht aus der Angabe des Einstellungsorts [X.] im Arbeitsvertrag des [X.]. Die Klausel bedeute lediglich, dass der Kläger einem Gruppenleiter in [X.], hier dem [X.]eugen A, zugeordnet beziehungsweise unterstellt sei. Der [X.]euge A hat ferner bekundet, dass Festlegungen über Anwesenheitszeiten im Büro (in [X.]) oder an anderen Arbeitsorten arbeitsvertraglich nicht getroffen worden seien. Sonstige Vereinbarungen hierzu seien ebenfalls nicht getroffen worden.

Das [X.] hat sich der Aussage des [X.]eugen A zur fehlenden [X.]uordnung des [X.] zum Gebäude der Niederlassung in [X.] im Ergebnis angeschlossen. Diese ([X.] ist im Streitfall jedenfalls möglich. Sie wird auch durch die weiteren, vom [X.] festgestellten, Umstände des Falles gestützt.

(2) Die Vorinstanz hat insoweit zunächst den Arbeitsvertrag des [X.] mit der Angabe des Einstellungsorts [X.] in den Blick genommen. Das [X.] hat diese Klausel dahin gewürdigt, dass sie durch den Charakter der [X.] als international tätiges Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in der [X.] veranlasst sei. Der Einstellungsort [X.] sei daher (nur) dahin zu verstehen, dass der Kläger im Bereich der Niederlassung in [X.] eingesetzt werden solle. Die [X.]uordnung zu einer (bestimmten) ortsfesten Einrichtung sei damit aber nicht verbunden gewesen.

Diese Auslegung des [X.] ist ebenfalls möglich; sie wird letztlich auch durch die Aussage des [X.]eugen A bestätigt und ist damit für den Senat im Ergebnis gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend. Denn die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den [X.] ([X.]) als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 [X.]O, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist (ständige Rechtsprechung, s. Senatsurteil vom 04.07.2018 - VI R 16/17, [X.]E 261, 543, [X.] 2019, 373, Rz 20 und [X.]-Urteil vom 10.08.2016 - XI R 41/14, [X.]E 255, 300, [X.] 2017, 590, Rz 38, m.w.[X.]).

Die Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 [X.]O erstreckt sich allerdings nicht auf die rechtliche Einordnung des von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen, hier insbesondere des § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG. Diese ist vielmehr in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (Senatsurteil vom 04.07.2018 - VI R 16/17, [X.]E 261, 543, [X.] 2019, 373, Rz 20, m.w.[X.]).

Im Streitfall ist indessen auch die rechtliche Würdigung des [X.], in der [X.]uordnung des [X.] zum Bezirk der Niederlassung der [X.] in [X.] nicht auch eine [X.]uordnung zu dem Gebäude der Niederlassung in der [X.] zu erblicken, von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere waren die Tätigkeiten, die der Kläger der [X.] als Bauleiter schuldete und die das [X.] den [X.]eugenaussagen sowie der "Positionsbeschreibung Bauleiter" der [X.] entnommen hat, so angelegt, dass sie jedenfalls ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes der Niederlassung in [X.] zu erbringen waren. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weitere --im Streitfall fehlende-- Anhaltspunkte angenommen werden, eine [X.]uordnung des [X.] zum Bezirk der Niederlassung in [X.] bedeute auch gleichzeitig eine [X.]uordnung zu dem [X.] in [X.]. Der Kläger war der Niederlassung der [X.] in [X.] vielmehr lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet, ohne dass damit auch eine Festlegung des [X.] verbunden war. Dies stellt keine [X.]uordnung des Arbeitnehmers im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dar (ebenso BMF-Schreiben vom 25.11.2020, [X.], 1228, Rz 7).

(3) Weitere ausdrückliche --mündliche oder schriftliche-- Absprachen über die [X.]uordnung des [X.] zum Gebäude der [X.] in der [X.] in [X.] hat das [X.] nicht festgestellt und sich auch insoweit der Aussage des [X.]eugen A, die es als glaubhaft angesehen hat, angeschlossen. Der [X.]euge A hat hierzu bekundet, dass "Festlegungen über Anwesenheiten im Büro oder an anderen Arbeitsorten … arbeitsvertraglich nicht getroffen" würden und "sonstige Verabredungen" hierzu ebenfalls nicht bestünden. Damit übereinstimmend hat die vom [X.] weiterhin vernommene [X.]eugin B ausgesagt: "…, es gibt keine Anweisung zum Arbeitsort." Soweit das [X.] in diesem [X.]usammenhang auf die von der [X.] erstellten "Bestätigung[en] zur Vorlage beim Finanzamt über beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit" vom 12.06.2017 für 2016 und vom 06.02.2018 für 2017 hinweist, in denen die [X.] ausführt, der Kläger habe seine "regelmäßige Arbeitsstätte" in der [X.] 12 in [X.] gehabt, dokumentieren diese Schreiben lediglich eine von der [X.] seinerzeit vertretene Rechtsmeinung. Diese Rechtsmeinung hat sich auf der Grundlage des vom [X.] insbesondere durch [X.]eugenbeweis festgestellten Sachverhalts jedoch nicht bestätigt.

(4) Das [X.] hat auch eine [X.]uordnung des [X.] zu dem Gebäude in der [X.] durch schlüssiges Verhalten ohne Rechtsfehler verneint. Haben die Arbeitsvertragsparteien --wie im [X.] davon abgesehen, den Steuerpflichtigen einer betrieblichen Einrichtung durch (ausdrückliche schriftliche oder mündliche) Festlegungen, Absprachen oder Weisungen zuzuordnen, ergibt sich eine [X.]uordnung durch schlüssiges Verhalten entgegen der Ansicht des [X.] nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Steuerpflichtige einzelne, zu seinem Berufsbild gehörende Tätigkeiten in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers erbringt oder erbringen muss. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger die betreffende ortsfeste Einrichtung --hier das Gebäude der Niederlassung in [X.]-- (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich aufsuchen muss, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder an Besprechungen teilzunehmen, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (ebenso BMF-Schreiben vom 25.11.2020, [X.], 1228, Rz 9, Beispiel 1 und Abwandlung).

[X.]war entspricht es --wie bereits [X.] regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll (Senatsurteile vom 10.04.2019 - VI R 6/17, [X.], 258, [X.] 2019, 539, Rz 21; vom 12.07.2021 - VI R 9/19, Rz 16 und vom 22.11.2022 - VI R 6/21, Rz 24). Soll der Arbeitnehmer aber nicht nur an einer (bestimmten) betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers beruflich tätig werden, sondern zum Beispiel an unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen oder ganz überwiegend außerhalb solcher Einrichtungen, kann allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine (bestimmte) betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufsucht oder aufzusuchen hat, nicht auf eine stillschweigende [X.]uordnung des Arbeitnehmers zu dieser Einrichtung geschlossen werden (s. auch Senatsurteil vom 26.10.2022 - VI R 48/20, [X.], 464, [X.] 2023, 582, Rz 23). Das gilt erst recht, wenn das [X.] als Tatsacheninstanz --wie im [X.] festgestellt hat, dass der Steuerpflichtige weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet worden ist.

Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch durch die Regelung in § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG bestätigt. Die Vorschrift liefe letztlich weitgehend leer, wenn eine stillschweigende [X.]uordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte allein deshalb vorliegen würde, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte betriebliche Einrichtung gelegentlich bei Bedarf oder zwei- bis dreimal in der Woche für Besprechungen oder sonstige berufliche Tätigkeiten kurzfristig aufsucht beziehungsweise aufsuchen muss, er im Übrigen aber außerhalb der betrieblichen Einrichtung tätig wird.

(5) Soweit das [X.] in diesem [X.]usammenhang darauf hinweist, dass es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für das Auffinden einer ersten Tätigkeitsstätte nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit ankommt, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll; es vielmehr erforderlich aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören, ist zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechung Tätigkeiten an einer Tätigkeitsstätte betrifft, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist (s. z.B. Senatsurteile vom 16.12.2020 - VI R 35/18, [X.]E 271, 550, [X.] 2021, 525, Rz 20 und vom 30.09.2020 - VI R 11/19, [X.], 470, [X.] 2021, 308, Rz 20, jeweils m.w.[X.]). Aus dieser Senatsrechtsprechung ergibt sich --anders als das [X.] meint-- hingegen nicht, dass allein geringfügige Tätigkeiten des Arbeitnehmers an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung (des Arbeitgebers) zu einer [X.]uordnung zu dieser Tätigkeitsstätte führen.

(6) Die [X.] hat den Kläger dem Gebäude ihrer Niederlassung in [X.] auch nicht dadurch im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG (konkludent) zugeordnet, dass sie beim [X.] für die private Nutzung des dem Kläger überlassenen Dienstwagens die 0,03 %-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG angewendet hat. [X.]war kann der Anwendung der 0,03 %-Regelung im Einzelfall eine gewisse Indizwirkung für eine [X.]uordnung des Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte zukommen. Mit der Durchführung des [X.]s ist aber keine arbeitsrechtliche Festlegung oder Weisung gegenüber dem Arbeitnehmer in Bezug auf dessen [X.]uordnung zu einer betrieblichen Einrichtung verbunden. Der [X.] dokumentiert insoweit grundsätzlich auch keine anderweitig erfolgte [X.]uordnungsentscheidung. Vielmehr erfüllt der Arbeitgeber damit (nur) seine lohnsteuerrechtlichen Pflichten gegenüber dem [X.]. Dies gilt insbesondere auch für die Anwendung der 0,03 %-Regelung. Ob (und wenn ja in welchem Umfang) der Arbeitnehmer tatsächlich Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durchgeführt hat, wird im Übrigen abschließend nicht im [X.]sverfahren, sondern im Rahmen der [X.] entschieden. Dabei ist der Arbeitnehmer nicht an die im Lohnsteuerabzugsverfahren angewandte 0,03 %-Regelung gebunden. Er kann sowohl zur Einzelbewertung nach der 0,002 %-Methode (s. z.B. Senatsurteil vom 04.04.2008 - VI R 85/04, [X.], 11, [X.], 887) als auch zur Fahrtenbuchmethode (s. Senatsurteil vom 30.11.2016 - VI R 49/14, [X.]E 256, 107, [X.] 2017, 1011) wechseln.

3. Der Kläger verfügte des Weiteren nicht über eine erste Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG. Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 EStG) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG).

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach dem von der Vorinstanz bindend festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 [X.]O) sollte der Kläger nicht in dem vorgenannten (zeitlichen, quantitativen) Umfang in dem Gebäude der Niederlassung in [X.] beruflich tätig werden. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

4. Das [X.] hat dem Kläger auch den Werbungskostenabzug wegen des [X.] zu Recht zugesprochen.

a) Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Satz 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Denn liegen die Voraussetzungen des Absatz 4 nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit. Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ist der Abzug der Verpflegungspauschalen allerdings auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.

b) Das [X.] ist hiernach zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen im Rahmen seiner Auswärtstätigkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Da der Kläger --entgegen der vom [X.] vertretenen [X.] nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte, sind die Abwesenheitszeiten des [X.] von seiner Wohnung aus zu berechnen. Das [X.] hat sich zur Feststellung der Arbeitstage, an denen der Kläger mehr als acht Stunden außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig war, auf die Bescheinigungen der [X.] für die Streitjahre gestützt. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Substantiierte Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Bescheinigungen hat das [X.] nicht erhoben. Insbesondere reicht sein Vortrag, "die Frage nach der Ermittlung der Abwesenheitszeiten [bleibe] unbeantwortet", insoweit nicht aus.

Des Weiteren ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger in den Streitjahren mehr als drei Monate an derselben auswärtigen Tätigkeitsstätte beruflich tätig war. Aus den von der [X.] bestätigten Aufstellungen über die vom Kläger betreuten Baustellen ergibt sich vielmehr das Gegenteil.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 27/21

14.09.2023

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 24. November 2021, Az: 3 K 6/20, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2009, § 8 Abs 2 S 2 EStG 2009, § 8 Abs 2 S 3 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 3 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 4 EStG 2009, § 9 Abs 4a EStG 2009, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.09.2023, Az. VI R 27/21 (REWIS RS 2023, 7325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7325

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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