Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2018, Az. EnVR 63/17

Kartellsenat | REWIS RS 2018, 7989

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:120618BENVR63.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 63/17
vom
12.
Juni 2018
in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat am
12.
Juni
2018 durch die Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck und Dr.
Raum sowie [X.]
Dr.
[X.], Dr.
Grüneberg und Dr.
Bacher
beschlossen:
Die Beschwerde der Betroffenen gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 2.
Kartellsenats des [X.] in [X.] vom 21.
August 2017 in der Fassung des Beschlusses vom 4.
September 2017 wird zurück-gewiesen.

-
3
-
Gründe:
A.
Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz, das ihre Muttergesell-schaft an sie verpachtet hat. Mit Beschluss vom 21.
Oktober 2013 hat die Bun-desnetzagentur in Wahrnehmung der Aufgaben der [X.] die [X.] für die zweite Regulierungsperiode niedriger als von der Betroffenen begehrt festgesetzt.
Mit ihrer Beschwerde hat sich die Betroffene dagegen gewandt, dass die [X.] Neuanlagen, die im
Basisjahr erstmals aktiviert wurden, im [X.] mit Null angesetzt, Umlaufvermögen nur in Höhe von einem Zwölftel des Jahresumsatzes anerkannt und Verbindlichkeiten aus Ge-winnabführungsverträgen als [X.] berücksichtigt hat. Das Beschwer-degericht hat die [X.] hinsichtlich der Neuanlagen und der [X.] aus [X.] zur Neubescheidung verpflichtet und die Rechtsbeschwerde nur zu deren Gunsten zugelassen.
Die Betroffene beantragt, die Rechtsbeschwerde auch zu ihren Gunsten zuzulassen. Die [X.] hält die Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
B.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Das Rechtsmittel ist zulässig.
1.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde insoweit nicht zugelassen.
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.]s zu §
74 GWB kann die Zulas-sung der Rechtsbeschwerde ebenso wie die Zulassung der Revision in Zivilsa-1
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-
chen wirksam auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des [X.] beschränkt werden, über den zulässigerweise durch Teil-
oder Grundurteil hätte entschieden werden können oder auf den der [X.] selbst das Rechtsmittel beschränken könnte ([X.], Beschluss vom 7.
Februar 2006 -
KVR 5/05, [X.]Z 166, 165 Rn.
10 -
DB [X.]). Für die Regelung in §
86 [X.], die sich am Vorbild von §
74 GWB orientiert, gilt nichts anderes.
b)
Danach ist die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschrän-kung der Rechtsmittelzulassung wirksam.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nur insoweit zugelas-sen, als es die [X.] verpflichtet hat, Verbindlichkeiten aus Ge-winnabführungsverträgen nicht als [X.] zu berücksichtigen. Diese Zulassung betrifft einen abtrennbaren Teil des [X.], auf den die [X.] ein unbeschränkt zugelassenes Rechtsmittel hätte be-schränken können.
2.
Die Nichtzulassungsbeschwerde
ist rechtzeitig eingelegt worden.
Die in §
87
Abs.
3 [X.] bestimmte Frist
von einem Monat hat entspre-chend §
58 Abs.
1 VwGO nicht schon mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 29.
August 2017 zu laufen begonnen. Diese
Entscheidung war entgegen §
83 Abs.
6 [X.] nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung ver-sehen. Ihre Zustellung konnte die genannte Frist deshalb nicht in Gang setzen.
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.]s bestimmen sich die Folgen einer
fehlenden oder unzureichenden Rechtsmittelbelehrung in energiewirt-schaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren entsprechend den
Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung ([X.], Beschluss vom 29.
April 2008 -
KVR
30/07, [X.]Z 176, 256 Rn.
17 -
Organleihe).

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5
-
Dies gilt auch für die seit 1.
Januar 2014 geltende Gesetzeslage.
Seit 1.
Januar 2014 enthält zwar auch die Zivilprozessordnung Regelun-gen über den Inhalt von Rechtsmittelbelehrungen und die Folgen einer unter-bliebenen oder unrichtigen Belehrung. Diesen liegt aber ein anderes Konzept zu Grunde
als den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes. Insbesondere ist gemäß §
232 Satz
2 ZPO eine Rechtsmittelbelehrung in Verfahren, in denen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, grund-sätzlich entbehrlich. §
83 Abs.
6 [X.] sieht hingegen keine entsprechende Ausnahme
vor, obwohl sich die Beteiligten vor dem
Beschwerdegericht gemäß §
80 Satz
1 [X.] grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. Dies entspricht dem Regelungskonzept des §
58 Abs.
1 VwGO. [X.] sind die Wirkungen einer unterbliebenen oder unrichtigen Belehrung auch in der
Beschwerdeinstanz (ebenso wie bei einer Belehrung in behördli-chen Entscheidungen, vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Januar 2014

EnVR
22/13, RdE
2015, 24 Rn.
11 -
Öffentliche Bekanntmachung) weiterhin in entsprechender Anwendung von §
58 Abs.
1 und 2 VwGO zu beurteilen.
b)
Im Streitfall begann die Monatsfrist deshalb frühestens mit der Zu-stellung der Rechtsbehelfsbelehrung am 11.
September 2017. Sie war bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 10.
Oktober 2017 noch nicht abgelaufen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Die von der Nichtzulassungsbeschwerde als grundsätzlich angese-hene Frage, ob die Betriebsnotwendigkeit von Umlaufvermögen nur durch eine nach einzelnen Monaten aufgeschlüsselte Darstellung der Liquidität und der kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten für das gesamte Geschäftsjahr dargelegt werden kann, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht erheblich.
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-
a)
Das Beschwerdegericht hat zwar mit der [X.] eine Cash-flow-Analyse der genannten Art als grundsätzlich erforderlich angesehen. Die angefochtene Entscheidung wird jedoch schon von der Erwägung getragen, dass sich der Vortrag der Betroffenen zur Liquidität nicht auf ein volles
Ge-schäftsjahr bezieht. Die Frage, ob eine das Geschäftsjahr betreffende [X.] nach einzelnen Monaten aufgeschlüsselt sein muss, ist danach nicht ent-scheidungserheblich.
b)
Dass der Netzbetreiber die Entwicklung der Liquidität und der [X.] fällig werdenden Verbindlichkeiten grundsätzlich für das gesamte Ge-schäftsjahr darzulegen hat, ist durch die Rechtsprechung des [X.]s bereits geklärt.
Der [X.] hat mehrfach entschieden, dass es dem Netzbetreiber obliegt, die Betriebsnotwendigkeit des von ihm in Ansatz gebrachten Umlaufvermögens nachvollziehbar darzulegen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 3.
März 2009

EnVR
79/07, [X.], 19 Rn.
20 -
SWU [X.]; Beschluss vom 17.
Oktober 2017 -
EnVR
23/16 Rn.
27
f. -
SW Kiel Netz GmbH). Die Notwendigkeit eines überdurchschnittlich hohen Umlaufvermögens kann sich etwa daraus ergeben, dass kurzfristig zu bedienende Verbindlichkeiten durch die vorhandenen liqui-den Mittel und kurzfristig realisierbare Forderungen
nicht vollständig abgedeckt werden können ([X.],
Beschluss vom 3.
März 2009

EnVR
79/07,
[X.], 19 Rn.
25 -
SWU [X.]; Beschluss vom 23.
Juni 2009 -
EnVR
19/08 Rn.
25).
Eine solche Betrachtung darf, wie das Beschwerdegericht in Überein-stimmung mit der [X.] zu Recht angenommen hat, nicht auf ein-zelne Stichtage oder Teile des Geschäftsjahrs beschränkt werden. Gerade wenn sich im Verlauf des Jahres Schwankungen ergeben, hängt die Beantwor-tung der Frage, in welchem Umfang das
Vorhalten von Umlaufvermögen erfor-derlich ist, auch davon ab, inwieweit entstandene Ungleichgewichte kurzfristig ausgeglichen werden können. Selbst wenn hierzu nicht in jedem Fall eine nach 18
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einzelnen Monaten aufgegliederte Darstellung erforderlich sein sollte, muss sich der Vortrag des Netzbetreibers jedenfalls auf die Entwicklung innerhalb eines vollen Geschäftsjahrs, d.
h. eines Zeitraums von zwölf Monaten
beziehen.
2.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
a)
Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ergeben sich aus der Rechtsprechung des [X.]s keine unzumutbaren Anforderungen an die Darlegung der Betriebsnotwendigkeit.
Die Anforderungen an Darlegung und Nachweis der Betriebsnotwendig-keit von Umlaufvermögen ergeben sich daraus, dass diese eine zentrale Vor-aussetzung für die Verzinsung als Eigenkapital und die daraus resultierende Kostenbelastung für die Netznutzer darstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
März 2009 -
EnVR 79/07, [X.], 19 Rn.
20 -
SWU [X.]). Der von der [X.] geltend gemachte Umstand, viele Netzbetreiber verfügten nicht über ausreichendes Datenmaterial, um die Entwicklung von Liquidität und kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten über das gesamte Geschäftsjahr hinweg darzustellen, vermag eine Reduzierung dieser Anforderungen nicht zu [X.].
b)
Ob die Annahme des [X.], die Anforderungen an die Darlegung könnten grundsätzlich nur durch eine nach einzelnen Monaten auf-gegliederte Darlegung erfüllt werden, von der Rechtsprechung anderer Ober-landesgerichte abweicht, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht erheblich, weil die Beschwerdeentscheidung aus den bereits oben aufgezeigten Gründen nicht auf dieser Rechtsauffassung beruht.

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8
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c)
Die von der Nichtzulassungsbeschwerde erhobene Rüge, das Be-schwerdegericht habe den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör ver-letzt, vermag eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §
86 Abs.
2 [X.] nicht zu rechtfertigen.
Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG kann gemäß §
86 Abs.
4 Nr.
3 [X.] stets im Wege der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden.
Einer Zulassung bedarf es insoweit nicht.
Unabhängig davon kann aus dem Umstand, dass sich das Beschwerde-gericht mit dem Vortrag der Betroffenen zur Entwicklung in den ersten drei [X.] nach dem Bilanzstichtag nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat, nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hat. Vom rechtlichen Standpunkt des [X.] aus waren die vorgetragenen Einzelheiten schon deshalb
nicht relevant, weil sich die Darstellung nicht auf das gesamte Geschäftsjahr bezieht.
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3.
Eine Entscheidung über den Gegenstandswert und die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde wird zusammen mit der Ent-scheidung über die von der [X.] eingelegte Rechtsbeschwerde und die von der Betroffenen eingelegte Anschlussrechtsbeschwerde zu treffen sein.
Meier-Beck
Raum
[X.]

Grüneberg
Bacher
Vorinstanz:
OLG [X.], Entscheidung vom 21.08.2017 -
2 Kart 3/13 (2) -

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Meta

EnVR 63/17

12.06.2018

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2018, Az. EnVR 63/17 (REWIS RS 2018, 7989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7989

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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