Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. VII ZR 192/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4400

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 192/11

vom

4. Juli 2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
4.
Juli
2013 durch [X.]
Dr.
Kniffka
und die Richter Dr.
Eick, [X.], Kosziol
und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin wird teilweise stattgegeben.
Das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts [X.] vom 3.
August
2011 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen
der Positionen 01.04.0003.1, 01.04.0005.1 und 01.08.0001 aus der Schlussrech-nung in Höhe von 19.003,41

Höhe von 774,40

.

) und 211,27

.

) gemäß dem Schriftsatz vom 1. April 2010, Seite
12
abgewiesen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht [X.].
Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzu-lassung der Revision zurückgewiesen.
Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde: 91.757,21

des stattgebenden Teils: 19.989,08

-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt Restwerklohn für die Ausführung von Fliesen-
und Estricharbeiten in einem Hallenbad.
Das Berufungsgericht hat
unter anderem
den geltend gemachten Vergü-tungsanspruch der Klägerin in Höhe von 19.003,41

n-gung von Abdichtungen, die sich von dem von einem anderen Unternehmer angebrachten und nach dem Vortrag der Klägerin mangelhaften Putz gelöst hatten,
für nicht gerechtfertigt erachtet.
Denn nach dem Produktmerkblatt für die Aufbringung der Abdichtung sei [X.] leicht vorzunässen und die [X.] in der Regel erst nach 28
Tagen aufzubringen. Es könne nicht fest-gestellt werden, dass die darlegungs-
und beweispflichtige Klägerin dies beach-tet habe. Soweit sie Entsprechendes
im Schriftsatz vom 17.
Juni
2011 erstmals behauptet habe, sei dies nach §
296a ZPO verspätet.
Die für die Beseitigung von Leckageschäden im [X.] verlangte Vergü-tung könne die Klägerin nur teilweise, nämlich in Höhe von 7.374,29

n-gen. [X.] seien nur Untersuchungsarbeiten vom 15.
Mai
2007 bis zum 31.
Mai
2007 mit Ausnahme derjenigen für das Anbringen und für den Rückbau der Epoxidharzschicht.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen [X.] sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

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4
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II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision hat teilweise Erfolg.
Sie führt zu einer teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungs-gericht.
1. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, soweit das Berufungsgericht den [X.] in Höhe von 19.003,41

n-gen nicht zuerkannt hat. Mit seiner Verfahrensweise hat das Berufungsgericht gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art.
103 Abs.
1 GG, verstoßen.
a) Nach der Rechtsprechung des [X.] muss das Gericht

in Erfüllung seiner
prozessualen Fürsorgepflicht
-
gemäß §
139 Abs.
4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene [X.] erkennbar für unerheblich gehalten hat,
grundsätzlich so [X.] vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die [X.] die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderli-chen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen §
139 Abs.
4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen [X.] genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Das Berufungsgericht darf das Urteil in dem Termin erlassen, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, wenn die [X.] in der mündlichen Verhandlung ohne Weiteres in der Lage ist, umfassend und abschließend Stellung zu nehmen. Ist das nicht der Fall, soll das Berufungsgericht auf Antrag der [X.] [X.] gewähren, §
139 Abs.
5 ZPO. Wenn es offensichtlich ist, dass die [X.] sich in der münd-5
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7
-
5
-
lichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Berufungs-gericht -
wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht
-
auch ohne einen Antrag auf [X.] die mündliche Verhandlung vertagen, um [X.] zur Stellungnahme zu geben. [X.] das Berufungsgericht in diesem Fall ein Urteil, ohne die Sache vertagt zu haben, verstößt es gegen den An-spruch der [X.] auf rechtliches Gehör, Art.
103 Abs.
1 GG ([X.], Beschluss vom 10.
März
2011 -
VII
ZR
35/08, [X.], 1200
Rn.
11; Beschluss vom 15.
Oktober
2009
VII
ZR
2/09, [X.], 246
Rn.
4, jeweils m.w.N.).
b) Danach hätte das Berufungsgericht der Klägerin über die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hinaus die Möglichkeit einräumen müssen,
nach weiteren Erkundigungen
zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sie
die Vorgaben des [X.] beachtet hat.
Das Berufungsgericht hat diesen rechtlichen Gesichtspunkt erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochen. Hierauf musste sich die Klägerin nach dem bisherigen Verlauf des Rechtsstreits nicht einstellen; sie musste auf diese Fragestellung nicht ohne Weiteres vorbereitet sein. Zwar hat
die Beklagte sich bereits in ihrer Klageerwiderung vom 3.
September
2007 auf eine unter-bliebene Untersuchung des Untergrundes durch die Klägerin berufen. Dieser allgemeiner gehaltene Vorwurf musste für die Klägerin aber keine Veranlassung bieten, zu der Einhaltung der Vorgaben des [X.], das erstmals der Sachverständige erwähnt hatte, vorzutragen. Den bis dahin konkret erho-benen Vorwurf, es sei eine zusätzliche Grundierung erforderlich gewesen, hat das Berufungsgericht nicht für stichhaltig erachtet.
Es war offensichtlich, dass sich die Klägerin in der mündlichen Verhand-lung zu dem erteilten Hinweis nicht sofort erklären konnte. Es kann nicht ange-nommen werden, dass der Geschäftsführer einer GmbH oder ihr Prozessbe-8
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vollmächtigter mehrere Jahre nach den in Rede stehenden Arbeiten zu jedem Aspekt der Durchführung umfangreicher
Arbeiten detailliert und der prozessua-len Wahrheitspflicht entsprechend aus dem Stand Stellung nehmen können.
c) Dieser Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen [X.] ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] unter Berücksichtigung des Vortrags, wie die Klägerin ihn sodann im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.
Juni
2011 gehalten hat, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
2. Das Berufungsurteil beruht weiter auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, soweit das Berufungsgericht die Material-kosten in Höhe von 774,40

.

) und 211,27

.

) gemäß dem Schriftsatz vom 1.
April
2010, Seite 12, die die Klägerin im Rahmen ihrer Vergü-tungsforderung für die Beseitigung von Leckageschäden im [X.] geltend ge-macht hat, nicht zuerkannt hat.
Es
ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht den Vortrag zu den
beiden oben genannten Positionen zur Kenntnis genommen hat. Das Beru-fungsurteil verhält sich nicht dazu, ob oder warum diese Positionen nach seinen eigenen Prüfungsmaßstäben (Untersuchungsarbeiten vom 15. Mai 2007 bis zum 31.
Mai
2007 mit Ausnahme derjenigen, die die [X.])
nicht
zu vergüten sind. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass bei Be-rücksichtigung dieses Vorbringens das Berufungsgericht zu einem anderen Er-gebnis gekommen wäre.

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-
7
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III.
Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zu-rückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeig-net wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Re-vision zuzulassen ist (§
544 Abs.
4 Satz
2, 2.
Halbsatz ZPO).

Kniffka
Eick
[X.]

Kosziol

Jurgeleit
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.05.2010 -
12 O 258/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 03.08.2011 -
11 [X.] -

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Meta

VII ZR 192/11

04.07.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. VII ZR 192/11 (REWIS RS 2013, 4400)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4400

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 UF 241/19

Zitiert

VII ZR 192/11

11 U 99/10

Zitieren mit Quelle:
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