Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.12.2015, Az. I R 40/15

1. Senat | REWIS RS 2015, 187

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Gegenstand

Vercharterung von Handelsschiffen - Gewerbesteuerliche Kürzung bei Weitervercharterung


Leitsatz

Die Weitervercharterung von Handelsschiffen führt beim Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002, wenn dieser die Schiffe selbst ausgerüstet hat .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2015  6 K 220/14 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 3 des [X.] (GewStG 2002) bei der Weitervercharterung bereits vom Vercharterer ausgerüsteter Schiffe zu versagen ist.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, übte bis 2001 eine Tätigkeit als [X.] und Befrachtungsgesellschaft für Seeschiffe im internationalen Verkehr aus. [X.] wurden sämtliche der Geschäftstätigkeit zu Grunde liegenden Verträge auf die [X.] übertragen. Die Klägerin übte in der Folge zunächst keine aktive Geschäftstätigkeit aus.

3

In den Streitjahren 2005 bis 2007 und 2009 war die Klägerin an zwei Schiffahrtsgesellschaften [X.] beteiligt, der C Schiffahrtsgesellschaft [X.] und der D Schiffahrtsgesellschaft [X.]. Unter dem 8. Dezember 2003 und dem 30. April 2004 charterte sie von beiden Gesellschaften voll ausgerüstete, betriebsbereite und im [X.] Schiffsregister eingetragene Schiffe, welche sie mit Gewinn weiter vercharterte. [X.] und sog. Offhire-Zeiten der Seeschiffe gingen zu ihren Lasten.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) versagte der Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Chartererlöse eine Kürzung i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG 2002.

5

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über den [X.] für 2005, 2006, 2007 und 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 2005 war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) [X.] vom 7. Mai 2015  6 K 220/14 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 1556 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 [X.] 2002 vorliegen.

9

1. Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 [X.] 2002 ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Gemäß § 9 Nr. 3 Satz 2 [X.] 2002 gelten bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, 80 v.[X.] als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend. § 9 Nr. 3 Satz 5 [X.] 2002 verweist auf die entsprechende Anwendung von § 5a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002/2009), nach dem u.a. zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auch ihre Vercharterung gehört, wenn die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sind.

Als ausgerüstet ist ein Schiff anzusehen, wenn es --wie es das [X.] festgestellt hat-- betriebsbereit, insbesondere i.S. des § 557 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) mit einer Mannschaft versehen ist und deswegen zu Transportleistungen im internationalen Verkehr eingesetzt werden kann (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 7. Dezember 1989 IV R 86/88, [X.], 446, [X.] 1990, 433; vgl. auch [X.]-Urteil vom 14. November 1985 IV R 170/83, [X.], 67, [X.] 1986, 60). Nicht erfasst ist hingegen das reine Überlassen eines Schiffes durch den Schiffseigner, wie es einem Schiffsmietvertrag i.S. des § 553 Abs. 1 HGB --dem sog. [X.] zu Grunde liegt ([X.]-Urteil vom 5. August 1976 IV R 12/73, [X.], 473, [X.] 1976, 710).

2. Anders als es das [X.] annimmt, führt im Falle der Weitervercharterung gecharterter Handelsschiffe die Vercharterung durch den [X.] nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte, wenn --woran es im Streitfall fehlt-- die Schiffe vom [X.] selbst ausgerüstet worden sind (anders [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 9 Nr. 3 Rz 28; s. für § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 [X.]/[X.] in [X.], EStG, § 5a Rz [X.] 23; [X.]/Hofmeister, § 5a EStG Rz 38, 42; [X.] in [X.], EStG, § 5a EStG Rz 73; Tormöhlen in Korn, § 5a EStG Rz 29; vgl. auch Schreiben des [X.] vom 12. Juni 2002, [X.], 614, dort Rz 10).

a) So schließt schon der Wortlaut des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 die Weitervercharterung bereits ausgerüsteter Schiffe aus seinem Anwendungsbereich aus. Das Erfordernis, dass die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sein müssen, kann sich --schon aufgrund des bestimmten [X.] nur auf jenen Vercharterer beziehen, dessen auf die Vercharterung entfallender Gewerbeertrag in dem betreffenden Besteuerungsverfahren in Rede steht. Hätte auch eine Ausrüstung durch den [X.] für eine Kürzung des Gewerbeertrags des Weitervercharterers ausreichen sollen, hätte dies ausdrücklich in den Anwendungsbereich einbezogen werden müssen.

b) Zudem ergibt sich aus § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG 2002/2009, dass der Gesetzgeber sprachlich durchaus zwischen der Überlassung eines ausgerüsteten Schiffes durch den Vercharterer und dessen Weitervercharterung durch den [X.]harterer auf der einen Seite sowie einer Bareboat [X.]harter und der Ausrüstung durch den [X.]harterer selbst auf der anderen Seite unterscheidet. Danach unterfallen negative Einkünfte aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen der beschränkten Verlustverrechnung, es sei denn, es handelt sich um Handelsschiffe, die von einem Vercharterer ausgerüstet (Doppelbuchst. [X.]) oder an im Inland (EStG 2002) bzw. in einem anderen als in einem Drittst[X.]t (EStG 2009) ansässige Ausrüster (Doppelbuchst. [X.]) überlassen worden sind. Ähnliches gilt für § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2009 (dort Buchst. a und Buchst. b).

Wird dagegen --ohne den Fall der ausgerüsteten Überlassung gesondert einzubeziehen-- im Rahmen des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 lediglich auf das Ausrüsten durch den Vercharterer abgestellt, lässt dies den Schluss zu, dass sich dessen Anwendungsbereich auf vom [X.]harterer in eigener Verantwortung ausgerüstete Schiffe beschränkt.

c) [X.] [X.] des [X.] in [X.], 446, [X.] 1990, 433, dem zufolge der (durch Art. 6 Nr. 2 des Seeschiffahrtsanpassungsgesetzes vom 9. September 1998, [X.], 2860, [X.], 1158 aufgehobene) vormalige tarifliche Begünstigungstatbestand des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.[X.] auch die Weitervercharterung eines bereits vom [X.] ausgerüsteten Schiffes umfasst hat, nötigt den erkennenden Senat nicht nach § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.]O zu einer Divergenzanfrage an den [X.]. Das folgt schon daraus, dass der Geschäftsverteilungsplan des [X.] für Streitfragen im Rahmen des § 34c EStG nunmehr die Alleinzuständigkeit des [X.] vorsieht (vgl. bezogen auf 2015 in [X.] 2015, 96, dort unter [X.] Senat Nr. 3 Buchst. d). Zudem ist die nunmehr durch § 9 Nr. 3 Satz 5 [X.] 2002 in Bezug genommene Norm des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 weder ihrem Wortlaut nach noch hinsichtlich ihrer systematischen Verortung mit der Tarifvorschrift des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.[X.] identisch (s. insoweit auch Niedersächsisches [X.], Urteil vom 18. November 2010  1 K 3/09, nicht veröffentlicht).

d) Schließlich unterscheidet sich der Streitfall von jenem des [X.] dadurch, dass er die Auslegung des § 9 Nr. 3 [X.] 2002 betrifft, der lediglich im Rahmen einer Verweisung die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 zur Vercharterung für entsprechend anwendbar erklärt. In diesem Rahmen ist aber der Zusammenhang zu § 9 Nr. 3 Satz 1 [X.] 2002 zu berücksichtigen, nach dem der Teil des Gewerbeertrages der Kürzung unterfällt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Zwar stellen fahrende Schiffe keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i.S. der Betriebsstättendefinition des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung dar (Senatsurteil vom 13. Februar 1974 I R 218/71, [X.]E 111, 416), die für die Tatbestandsmäßigkeit von § 9 Nr. 3 Satz 1 [X.] 2002 allein maßgebend ist (vgl. z.B. [X.]/[X.], § 9 [X.] Rz 218; [X.]/Rätzer, [X.], 2650; [X.], [X.] 2015, 380; [X.], Internationales Steuerrecht 2015, 770; [X.], [X.], 520; anders [X.] Köln, Urteil vom 7. Mai 2015  10 K 73/13, E[X.] 2015, 1558). Entscheidet sich jedoch der Gesetzgeber bei dem auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfallenden Gewerbeertrag für eine Verortung im Rahmen der Kürzungsvorschriften durch ausländische Betriebsstätten und verwendet er dabei die Regelungstechnik der Betriebsstättenfiktion, ist die Auslegung --vorbehaltlich des Fehlens der festen Beziehung zur [X.] im Lichte des Betriebsstättenbegriffs vorzunehmen.

Dieser erfordert eine Geschäftseinrichtung, die von einer gewissen Dauer ist und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Senatsurteile vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, [X.]E 170, 263, [X.] 1993, 462; vom 4. Juni 2008 I R 30/07, [X.]E 222, 14, [X.] 2008, 922, m.w.N.). Zugleich muss die Geschäftseinrichtung der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dienen; erforderlich ist, dass eine eigene unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird ([X.]-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 159/84, [X.]E 153, 188, [X.] 1988, 653). An einer solchen Tätigkeit fehlt es, wenn die Geschäftseinrichtung einem anderen Unternehmer für dessen geschäftliche Tätigkeit überlassen wird und an dem betreffenden Ort keine eigenen betrieblichen Handlungen vorgenommen werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 84/05, [X.]E 214, 178, [X.] 2007, 94; vgl. auch [X.]-Urteil vom 2. März 1990 III R 24/85, [X.]E 160, 367, [X.] 1990, 756).

Nach diesen Maßstäben kann im Fall der Vercharterung nur dann von einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen werden, wenn das Handelsschiff selbst auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgerüstet wurde. Bei der Zweitvercharterung eines bereits ausgerüsteten, insbesondere mit einer Mannschaft versehenen Schiffes fehlt es an einem Bezug der unternehmerischen Tätigkeit zu der Geschäftseinrichtung in Form des Schiffes. Sie ähnelt der Betriebsverpachtung, die für sich genommen ebenfalls keine Betriebsstätte begründet (Senatsurteil vom 12. April 1978 I R 136/77, [X.]E 125, 157, [X.] 1978, 494; s. auch für die Verpachtung von unbeweglichem Vermögen [X.]-Urteile in [X.]E 153, 188, [X.] 1988, 653; vom 4. Juli 2012 II R 38/10, [X.]E 238, 216, [X.] 2012, 782).

3. Damit kann hier dahinstehen, ob die Betriebsstättenfiktion des § 9 Nr. 3 Satz 2 ff. [X.] 2002 eine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] des Vertrags von Lissabon zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] (Amtsblatt der [X.] 2008, Nr. [X.] 115, 47) --AEUV-- darstellt und ob einer Kürzung des Gewinns das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV entgegen steht.

4. Die Vorinstanz hat eine dem entgegen stehende Rechtsauffassung vertreten. Über die spruchreife Sache entscheidet der Senat nach § 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O durch Aufhebung des angefochtenen Urteils und durch Klageabweisung.

5. [X.] folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 40/15

22.12.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 7. Mai 2015, Az: 6 K 220/14, Urteil

§ 5a Abs 2 S 2 EStG 2002, § 9 Nr 3 GewStG 2002, § 5a Abs 2 S 2 EStG 2009, § 34c Abs 4 S 3 EStG 1997, § 557 Abs 1 HGB, Art 107 Abs 1 AEUV, Art 108 Abs 3 S 2 AEUV, § 11 Abs 1 S 3 FGO, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.12.2015, Az. I R 40/15 (REWIS RS 2015, 187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 187

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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