Kammergericht Berlin, Beschluss vom 18.10.2016, Az. 5 W 210/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 18134

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Gegenstand

Rechtsschutzbedürfnis für einstweilige Unterbindung markenrechtlicher Abmahnungen


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 15 des [X.] vom 6. September 2016 - 15 O 313/16 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Der Wert des Verfahrens wird für beide Instanzen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 mahnte der Antragsgegner die Antragstellerin wegen der Verletzung seiner Rechte an der [X.] Wortmarke “[X.][...]”, eingetragen unter anderem für [X.]ekleidung, ab. Er forderte sie auf, strafbewehrt zu erklären, dass sie es unterlasse,

im geschäftlichen Verkehr in der [X.] das Zeichen “[X.][...]” für [X.]ekleidungsstücke zu benutzen, soweit diese [X.]ekleidungsstücke nicht vom Gläubiger oder mit seiner Zustimmung in einem [X.] der [X.] oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] in den Verkehr gebracht worden sind.

Die Antragstellerin bezieht T-Shirts und [X.] mit der auf [X.]rusthöhe befindlichen [X.]eschriftung “[X.][...] [X.]” von der [X.] GmbH. Sie ist der Auffassung, dass sie das Zeichen nicht markenmäßig gebraucht habe. Sie sprach eine Gegenabmahnung aus, wonach sich der Antragsgegner strafbewehrt verpflichten sollte, es zu unterlassen, die Antragstellerin wie geschehen abzumahnen, wenn die Abmahnung eine [X.]enutzung des Zeichens wie in der konkreten Verletzungsform (Internet-Angebot vom 17. Mai 2016) zum Gegenstand habe. Der Antragsgegner reagierte hierauf nicht.

Am 27. Juni 2016 beantragte die Antragstellerin beim [X.], es dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, von der Antragstellerin entsprechend der Abmahnung vom 24. Mai 2016 eine Unterlassung der [X.]enutzung des Zeichens “[X.][...]” zu verlangen, wenn diese [X.]enutzung geschieht wie aus ihrem Internet-Angebot vom 17. Mai 2016 ersichtlich. Mit dem angegriffenen [X.]eschluss vom 6. September 2016 wies das [X.] den Antrag wegen Fehlens eines [X.] der Antragstellerin für eine einstweilige Regelung als unzulässig zurück. Der hiergegen gerichteten sofortigen [X.]eschwerde half das [X.] nicht ab.

II.

Die sofortige [X.]eschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässig, aber nicht begründet. Der [X.] hält die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für rechtens, stimmt der vom [X.] hierfür gegebenen [X.]egründung zu und ergänzt diese wie folgt:

Zwar ergibt sich das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiell-rechtlichen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist. Doch kann dies nicht ausnahmslos gelten, da besondere Umstände das Rechtsschutzbedürfnis auch für die Leistungsklage entfallen lassen können. Das Erfordernis des [X.] soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der [X.] gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen ([X.], 568, [X.] 17 in juris – Gegenangriff; GRUR 1993, 576, [X.] 19 in juris – Datatel; [X.], 246, [X.] 16 in juris – [X.]). Dem Erfordernis des [X.] liegt der Gedanke zugrunde, dass niemand die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemühen darf ([X.], 256, 257 - Rechenscheibe).

Vorliegend fehlt das von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis, weil eine einstweilige Untersagung weiterer Abmahnungen hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verletzungsform nicht geeignet ist, die von der Antragstellerin hiermit verfolgten Zwecke zu erfüllen. Ihre Unsicherheit, ob sie Shirts mit der Aufschrift “[X.][...] [X.]” in [X.]rusthöhe verkaufen darf, ohne Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen des Markeninhabers gewärtigen zu müssen, wird durch eine einstweilige Untersagung nicht behoben. Die einstweilige Untersagung entfaltet keine [X.]estandskraft; insbesondere kann sie im Widerspruchsverfahren aufgehoben oder durch ein Urteil im Hauptsacheverfahren obsolet werden. Die Antragstellerin bliebe auch bei [X.] Erlass der einstweiligen Verfügung weiterhin der Gefahr einer Untersagung der [X.]enutzung des Zeichens “[X.][...]” in einem vom Antragsgegner angestrengten einstweiligen oder Hauptsacheverfahren ausgesetzt. Mit dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung wäre nichts gewonnen. Sie ist auf die Möglichkeit zu verweisen, bis zu einer Klärung des Streits über die markenmäßige [X.]enutzung des Zeichens im Wege einer von ihr zu erhebenden Feststellungsklage oder in Folge einer Unterlassungsklage des Antragsgegners auf der Grundlage von ihr einzuholenden [X.] selbst zu entscheiden, ob sie bis zur Klärung des Streits die [X.]enutzung des Zeichens in der umstrittenen Art und Weise fortsetzt oder nicht (anders im Ergebnis jedoch [X.], [X.]eschluss vom 18. Juli 2016 - 5 W 49/16).

[X.]ei dieser Würdigung sieht sich der [X.] nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Großen [X.]s für Zivilsachen ([X.]GH GRUR 2005, 882 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Die tragenden Gründe dieser Entscheidung beziehen sich auf die Abnehmerverwarnung, bei der ein Hersteller um Rechtsschutz gegen unberechtigte Abmahnungen seiner Abnehmer durch einen Schutzrechtsinhaber nachsucht. Dieser schwerwiegenden [X.]eeinträchtigung der Kundenbeziehungen des Herstellers will die Eröffnung des - auch einstweiligen - Rechtsschutzes gegenüber unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen Rechnung tragen. Eine solche Situation besteht indes nicht, wenn der Hersteller selbst (oder ein Abnehmer) Rechtsschutz wegen einer ihm gegenüber ausgesprochenen Abmahnung begehrt (vgl. [X.] in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., [X.] Rn 79; [X.], ebenda, 51. [X.]; [X.] /Rohnke, [X.], 3. Aufl., Vor §§ 14 - 19d, Rn 412; [X.] 2015, 1025, [X.] 38 ff in juris, das die unterschiedliche Interessenlage bei der Abnehmerverwarnung einerseits und der Herstellerverwarnung andererseits (erst) bei der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berücksichtigt). Zudem besteht hier - anders als in dem vom Großen [X.] entschiedenen Fall einer Abnehmerverwarnung - auch kein Informationsvorsprung des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten. Vorliegend geht es nicht um den [X.]estand des Schutzrechts, sondern um die Frage einer markenmäßigen [X.]enutzung, die von beiden Seiten gleichermaßen beurteilt werden kann (vgl. [X.], aaO, [X.] 41).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. [X.]ei der gemäß § 51 Abs. 1, 2 und 4 GKG vorzunehmenden Wertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass der [X.] der abstrakt auf die Unterlassung der [X.]enutzung des Zeichens “[X.][...]” für [X.]ekleidungsstücke gerichteten Abmahnung vom Antragsgegner mit 50.000,- Euro beziffert worden war, sich die Gegenabmahnung und der hiesige Antrag aber auf die Unterlassung einer (erneuten) Abmahnung der konkreten Verletzungsform beschränkt haben (Wertangabe in der Gegenabmahnung: 25.000,- Euro). Demgemäß hat der [X.] den Wert für beide Instanzen, hinsichtlich der ersten Instanz in Änderung des angegriffenen [X.]eschlusses in dessen Ziffer 3, unter [X.]erücksichtigung der geringeren [X.]edeutung des einstweiligen Verfahrens gegenüber der Hauptsache und der [X.]eschränkung des Antrags auf die konkrete Verletzungsform auf 25.000,- Euro festgesetzt (2/3 von 50.000,- Euro ./. 25 % Abzug für die [X.]eschränkung).

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Meta

5 W 210/16

18.10.2016

Kammergericht Berlin 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: W

Zitier­vorschlag: Kammergericht Berlin, Beschluss vom 18.10.2016, Az. 5 W 210/16 (REWIS RS 2016, 18134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 18134

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