Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2018, Az. 1 StR 423/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11896

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Gegenstand

Insolvenzverschleppung und Bankrott: Strafrahmenverschiebung bei einem Gehilfen ohne die Sondereigenschaft als Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person oder ohne Pflichtenstellung als Schuldner


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. März 2017, soweit es den Angeklagten betrifft, im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit (Insolvenzverschleppung), Anstiftung zum Bankrott sowie Beihilfe zum Bankrott in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat auf die Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. Im Fall [X.] der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklagten wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung verurteilt und den Strafrahmen des § 15a Abs. 4 [X.] gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Im Fall I[X.] der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklagten wegen Anstiftung zum Bankrott schuldig gesprochen und ist von dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 283 Abs. 1 StGB ausgegangen. In den unter [X.] der Urteilsgründe zusammengefassten zwei Fällen (Beiseiteschaffen von Fahrzeugen und Gerätschaften aus dem Vermögen der [X.] und aus dem Vermögen des nicht revidierenden Mitangeklagten [X.].    ) hat das [X.] den Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum Bankrott verurteilt und den Strafrahmen des § 283 Abs. 1 StGB jeweils gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert.

4

2. Das [X.] hat bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens in allen Fällen die (weitere) Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen. Dies begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.

5

a) Die Vorschrift des § 15a Abs. 4, Abs. 1 Satz 1 [X.] enthält ein echtes Sonderdelikt. Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher nur die Person sein, die die Sondereigenschaft als Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person oder als deren Abwickler besitzt ([X.], Urteile vom 6. [X.]i 1960 - 2 StR 65/60, [X.]St 14, 280, 281 f. zu § 84 Abs. 1 GmbHG aF und vom 10. [X.]i 2000 - 3 [X.], [X.]St 46, 62, 64 zu § 82 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GmbHG; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 15a [X.] Rn. 96 f.). Bei dieser Pflichtenstellung handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB ([X.] in [X.]/[X.]/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 15a [X.] Rn. 8; [X.] in [X.] Kommentar, [X.], 3. Aufl., § 15a Rn. 337; siehe auch [X.] aaO, [X.]St 46, 62, 64 zu § 82 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GmbHG).

6

b) Auch bei der gemäß § 283 Abs. 1 StGB für die täterschaftliche Begehung erforderlichen Pflichtenstellung als Schuldner handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, [X.]St 58, 115, 117 f. Rn. 9 und vom 8. September 1994 - 1 StR 169/94 Rn. 11; [X.]/[X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 80; [X.] in [X.]/[X.]/ Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 283 StGB Rn. 75; [X.], StGB, 65. Aufl., § 283 Rn. 38; a.[X.] in [X.], StGB, 28. Aufl., § 283 Rn. 25 mwN).

7

c) Hinsichtlich Fall I[X.] der Urteilsgründe (Anstiftung zum Bankrott) war für den Angeklagten, der die Pflichtenstellung als Schuldner nicht innehatte, der Strafrahmen zwingend gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

8

d) Aber auch in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe (Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und Beihilfe zum Bankrott) war vorliegend die weitere, in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Bei einem Gehilfen, der - wie der Angeklagte - im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst die Sondereigenschaft als Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person (Fall [X.] der Urteilsgründe) und die besondere Pflichtenstellung als Schuldner innehatte (Fall [X.] der Urteilsgründe), ist die Strafe nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Sondereigenschaft Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, [X.]St 26, 53, 54 f.; vom 22. April 1988 - 2 [X.], [X.]R StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 2; vom 1. März 2005 - 2 [X.], [X.], 109; vom 26. November 2008 - 5 [X.], [X.], 102 und vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, [X.], 146). Hier belegen die Urteilsausführungen hinsichtlich der Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe, dass das [X.] die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen ([X.], 59). Die weitere Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB hätte daher erörtert werden müssen.

9

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen, auf die das [X.] erkannt hat, auf den aufgezeigten [X.] beruhen. Aufgrund des Wegfalls der Einzelstrafen hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand. Die [X.], die das [X.] festgestellt hat, werden allerdings von den dargelegten [X.], die bloße Wertungsfehler sind, nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.

Raum     

        

Jäger     

        

Cirener

        

[X.]      

        

Hohoff      

        

Meta

1 StR 423/17

21.03.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 20. März 2017, Az: 15 KLs 502 Js 128130/13

§ 15a Abs 1 S 1 InsO, § 15a Abs 4 InsO, § 28 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 283 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2018, Az. 1 StR 423/17 (REWIS RS 2018, 11896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11896

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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