Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 1 StR 234/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8810

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Gegenstand

Beihilfe zum Bankrott: Umgang mit effektiv versteckten Vermögenswerten bei Begründung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit; Pflichtenstellung des Täters als besonderes persönliches Merkmal


Leitsatz

1. Zum Umgang mit effektiv versteckten Vermögenswerten bei der Begründung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit.

2. Bei der Vorschrift des § 283 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt. Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher grundsätzlich nur die Person sein, die für die Erfüllung der Verbindlichkeit haftet; dies gilt sowohl für die Begehungsweise des Abs. 1 als auch für die des Abs. 2 der Norm. Bei der Pflichtenstellung handelt es sich um eine solche höchstpersönlicher Art und mithin um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 9. November 2011 im Strafausspruch, auch soweit es die gegen die Mitangeklagte [X.]erkannte Gesamt- und Einzelstrafe für die Beihilfe zum Bankrott im [X.] (Verkauf der Villa) betrifft, aufgehoben.

Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]    wegen Beihilfe zum Bankrott unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig gewordener [X.] von sechs und neun Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ausgesprochen, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Die nicht revidierende Mitangeklagte [X.]hat es wegen Beihilfe zum Bankrott in vier Fällen und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte [X.]    mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

2

1. Die von ihm erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 27. Juli 2012 aufgezeigten Gründen jedenfalls unbegründet.

3

2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

4

Die getroffenen Feststellungen belegen eine Bankrotttat des Mitangeklagten [X.]    gemäß § 283 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB hinsichtlich der Villa in [X.]. Aus der Gesamtheit der im Urteil mitgeteilten Umstände lassen sich insbesondere die für das Herbeiführen einer wirtschaftlichen Krise im Sinne des § 283 Abs. 2 StGB maßgeblichen Tatsachen ausreichend sicher feststellen. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit durch die Bankrotthandlungen des [X.] [X.]     ist danach mit Ende des Jahres 2005 belegt, da das Beiseiteschaffen der noch vorhandenen Vermögenswerte dazu führte, dass die fälligen Verbindlichkeiten - schon ohne Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt vom [X.] noch geforderten Rückzahlung von 3,8 Mio. DM - aus dem liquiden Vermögen nicht mehr befriedigt werden konnten. Dabei waren die Steuerschulden für 1991 und 1992 freilich nicht auf dem Stand 10. Januar 2011, sondern mit der 2001 fällig gestellten Höhe abzüglich der [X.] Summe von 450.110,98 Euro in Rechnung zu bringen. Mit dem zum 22. März 2007 erfolgten [X.] der Gerichtskosten erhöhten sich die Verbindlichkeiten entsprechend, ohne dass zur Tilgung vorhandene Mittel hinzugekommen wären.

5

Zu Recht hat das [X.] weder die durch die abgeurteilten Bankrotthandlungen des Mitangeklagten [X.]    noch die möglicherweise bereits zuvor von ihm durch Verschleierung und Änderung der rechtlichen Zuordnung effektiv versteckten Vermögenswerte berücksichtigt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 - 4 [X.], [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1 Beiseiteschaffen 4), denn hierdurch wurde ein alsbaldiger Zugriff möglicher Gläubiger jedenfalls erheblich erschwert, wenn nicht sogar objektiv unmöglich gemacht (vgl. zu diesem Maßstab [X.], Urteil vom 29. April 2010 - 3 [X.], [X.]St 55, 107, 113). Würde man solche - hier bis heute nicht aufgedeckten, von der [X.] nur als möglich behandelten - Vermögenswerte bei der Begründung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einer natürlichen Person als Aktiva bzw. als liquide Mittel einstellen, würde die Tatbestandsvoraussetzung der Krise im Sinne des § 283 Abs. 2 StGB kaum je anzunehmen sein, obwohl der Schuldner Vermögenswerte dem Zugriff seiner aktuellen Gläubiger entzogen hat (vgl. [X.] NStZ 1997, 551). Dies wäre mit dem durch die Vorschrift zu schützenden Rechtsgut der Interessen dieser Gläubiger an einer vollständigen oder möglichst hohen Befriedigung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche nicht zu vereinbaren (vgl. zu diesem Schutzzweck [X.], Beschluss vom 28. August 2003 - 2 BvR 704/01).

6

Auch der Gehilfenvorsatz des Angeklagten [X.]   ist, wenngleich knapp, so doch hinreichend belegt ([X.]). Dies umschließt den bedingten Vorsatz hinsichtlich der vom Mitangeklagten [X.]    vorgenommenen Tathandlung des Verheimlichens. Dass demgegenüber keine konkrete Kenntnis des Angeklagten [X.]   von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung festgestellt ist, ist unschädlich. Denn diese begründet hier die gemäß § 283 Abs. 6 StGB erforderliche objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsatz des Teilnehmers nicht zu beziehen braucht.

7

3. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben.

8

Die [X.] hat die Strafe für den Angeklagten [X.]    dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 283 StGB entnommen. Die von § 28 Abs. 1 StGB zwingend (zu Ausnahmekonstellationen vgl. [X.], Beschluss vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, [X.]St 26, 53, 54) vorgesehene Strafrahmenverschiebung hat es hingegen nicht erkennbar erwogen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.

9

Bei der Vorschrift des § 283 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt. Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher grundsätzlich nur die Person sein, die für die Erfüllung der Verbindlichkeit haftet ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 [X.], vgl. auch Urteil vom 10. Mai 2000 - 3 [X.]); dies gilt sowohl für die Begehungsweise des Abs. 1 als auch für die des Abs. 2 der Norm. Bei dieser Pflichtenstellung handelt es sich - anders als bei der nach § 370 AO (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 [X.], [X.]St 41, 1, 4) - um eine solche höchstpersönlicher Art und mithin um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB (vgl. hierzu [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2006, § 283 Rn. 80).

Ist nicht allein schon wegen des Fehlens des strafbegründenden persönlichen Merkmals Beihilfe statt Täterschaft angenommen worden ([X.], Beschluss vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, [X.]St 26, 53, 54; [X.], Beschluss vom 1. März 2005 - 2 [X.], [X.], 106; zu weitgehend hierzu [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 283 Rn. 228), ist der Strafrahmen für den Teilnehmer gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern (vgl. [X.], Beschluss vom 8. September 1994 - 1 StR 169/94; offen gelassen in [X.], Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 [X.], [X.]St 41, 1, 2; [X.] in [X.]/[X.]/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 283 StGB Rn. 75; für Abs. 1 auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 283 Rn. 38; a.A. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 283 Rn. 25). Hier belegen die Urteilsausführungen, dass das [X.] die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den Angeklagten [X.]    lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen. Die weitere Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB hätte daher erörtert werden müssen. Der [X.] kann angesichts der Einzelstrafhöhe von zwei Jahren und neun Monaten ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Unterlassen nicht ausschließen.

4. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung auf die nicht revidierende Mitangeklagte [X.]zu erstrecken, soweit sie an der dem Angeklagten [X.]    zur Last gelegten Tat beteiligt war ([X.], Verkauf der Villa), denn insoweit beruht die Zumessung dieser Einzelstrafe von zwei Jahren auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel. Dies führt zur Aufhebung auch der sie betreffenden Gesamtstrafe.

5. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] ist jedoch nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen.

Der [X.] weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, [X.]St 54, 135; [X.], Beschluss vom 25. September 2012 - 1 [X.], [X.], 35).

Nack                       Rothfuß                        [X.]

            Cirener                         [X.]

Meta

1 StR 234/12

22.01.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 24. Oktober 2012, Az: 1 StR 234/12, Beschluss

§ 28 Abs 1 StGB, § 283 Abs 1 StGB, § 283 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 1 StR 234/12 (REWIS RS 2013, 8810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8810


Verfahrensgang

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Az. 1 StR 234/12

Bundesgerichtshof, 1 StR 234/12, 22.01.2013.


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