Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2009, Az. 1 StR 476/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 1447

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[X.] vom 29. September 2009 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 29. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Mai 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung. Sein Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils. 1 I. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts war es zwischen dem späte-ren Opfer, dem Zeugen M. , und dem Angeklagten zunächst zu einem durch den Zeugen [X.]provozierten Streit in dem Mietshaus gekommen, in welchem der Angeklagte einerseits und die Freundin des Zeugen andererseits je eine Woh-nung bewohnen. In der Folge kam es dann auch zumindest zu einem Faustschlag des Zeugen gegen den Angeklagten in einem Kellerraum, wohin der Zeuge dem Angeklagten gefolgt war. Ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt, wie er behaup-tet, weitere Verletzungen durch den Zeugen erlitt, hat das [X.] nicht festzu-2 - 3 - stellen vermocht. Jedoch hat die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte an-schließend in heller Aufregung war und Angst vor dem Zeugen [X.] hatte, weshalb er sich in seine Wohnung begab und einen Notruf bei der Polizei tätigte. Des weiteren stellte das [X.] fest, der Angeklagte habe sich dann Sorgen um seine im Hausflur oder vor der Haustür sich aufhaltende Freundin gemacht, weil er glaubte, der Zeuge [X.] könnte auch ihr etwas antun. Deshalb habe er mit einem Küchenmesser die Wohnung verlassen und den Hausflur betreten. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Zeuge [X.]auf dem Treppenabsatz unterhalb der Wohnung des Angeklagten befunden. Um diesen davon abzuhalten, sich ihm zu nähern, schwenkte der Angeklagte das Messer in weit ausholenden Bewegun-gen vor sich her. Der Zeuge bemerkte das Messer wegen der [X.] jedoch nicht und näherte sich dem Angeklagten. Er verharrte daraufhin kurz, um dann aber einen weiteren Schritt auf den Angeklagten zuzumachen. In diesem Augenblick versetzte der Angeklagte dem Zeugen einen Schnitt an der linken Gesichtshälfte mit insgesamt 7 cm Länge und einer maximalen Tiefe von 0,5 cm. Der Zeuge, der die Schnittverletzung als Faustschlag wahrnahm, versetzte dem Angeklagten mindestens einen Schlag ins Gesicht, worauf dieser zu Boden stürzte. Der Zeuge ging danach in die Wohnung seiner Freundin. Die Verletzung wurde in der Folge ambulant versorgt und ist folgenlos ausgeheilt. [X.] Das Urteil leidet an durchgreifenden [X.]. Zunächst wer-den die unberechtigten Angriffe des Zeugen auf den Angeklagten geschildert; [X.] bleibt jedoch unerörtert, weshalb der Angeklagte, als er im Treppenhaus erneut auf den Zeugen stieß und dieser sich ihm näherte, nicht davon ausgehen konnte oder musste, der Zeuge werde ihn erneut angreifen. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte gesagt habe: —Lass [X.], verpiss Dich, ich habe Dir nichts [X.] Dass der Zeuge zuvor gesagt haben soll: —Ich bring Dich umfi, hat das [X.] ausgeschlossen, ohne dies aber näher zu begründen. Vielmehr ist das Land-gericht davon ausgegangen, der Zeuge habe eine körperliche Auseinandersetzung gerade vermeiden wollen. Mit dieser Feststellung ist allerdings kaum vereinbar, 3 - 4 - dass der Zeuge gerade auf den Angeklagten zuging, obgleich dieser ihn gewarnt hatte. Dass zu diesem Zeitpunkt —erkennbar keine Notwehrlagefi für den Angeklag-ten bestand ([X.]) und auch keine nicht anders abwendbare [X.]. § 34 StGB gegeben war, kann aus den insoweit widersprüchlichen Feststellungen des [X.] nicht ohne Weiteres geschlossen werden. Jedenfalls hätte das Schwurgericht hierbei berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte sich zu [X.] Zeitpunkt —in einem Zustand affektiver Erregungfi befand ([X.]) und inso-weit möglicherweise auch die Voraussetzungen gem. § 33 StGB vorgelegen haben könnten. Keinesfalls waren entsprechende Erörterungen angesichts dieses [X.] entbehrlich. I[X.] Ein Rechtsfehler ergibt sich weiterhin daraus, dass die [X.] zwar davon ausgeht, dass der Angeklagte —einem Verbotsirrtum nach § 17 StGBfi unterlag, —indem er sich vorstellte, er sei ‡zu seiner Verteidigung™ zum Einsatz des Messers berechtigtfi ([X.]); jedoch wird weder erörtert, inwieweit dieser Irrtum - insbesondere angesichts seiner affektiven Erregung - für den Angeklagten ver-meidbar war; noch verhält sich der Tatrichter - falls das Urteil inzident von einer Vermeidbarkeit ausgehen sollte - dazu, ob bei den gegebenen Umständen zumin-dest eine Milderung nach § 17 Satz 2 StGB in Betracht kommt. 4 - 5 - IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass, falls nach den Feststellungen wiederum von einer Strafbarkeit des Angeklagten we-gen vorsätzlicher Körperverletzung auszugehen ist, bei der [X.] zu erörtern sein wird, ob bei dem Vorgeschehen nicht dessen Berücksichtigung analog § 213 [X.]. 1 oder [X.]. 2 StGB in Betracht kommt. 5 RiBGH Dr. [X.] ist an der Unter- schriftsleistung gehindert, weil er aus dem Richterdienst ausgeschieden ist. Nack Nack Elf Graf [X.]

Meta

1 StR 476/09

29.09.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2009, Az. 1 StR 476/09 (REWIS RS 2009, 1447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1447

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