Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.03.2022, Az. 1 StR 409/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2535

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Gegenstand

Adhäsionsverfahren: Inhaltliche Anforderungen an einen Adhäsionsantrag auf Schmerzensgeld und Feststellung der Eintrittspflicht für zukünftige Schäden


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Juli 2021 aufgehoben, soweit das [X.] eine Adhäsionsentscheidung getroffen hat. Von der Entscheidung über den [X.] wird abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer Inhalte und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es [X.] zugunsten der Nebenklägerin getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.], mit dem das [X.] der Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen zugesprochen sowie festgestellt hat, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden ab dem 15. Juni 2021 zu ersetzen, die ihr durch die verfahrensgegenständliche Tat vom 9. Januar 2021 entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, kann keinen Bestand haben.

3

Der zugrundeliegende Adhäsionsantrag der Nebenklägerin entspricht nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen. Hieran fehlt es; denn der Schriftsatz des [X.] vom 11. Juni 2021, welcher dem Angeklagten am 21. Juni 2021 und seinem Verteidiger am 16. Juni 2021 zugestellt worden ist, enthält sowohl hinsichtlich des Antrags auf Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes als auch hinsichtlich des Feststellungsantrags keine weiteren Ausführungen zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche. Da – soweit ersichtlich – die Anträge auch sonst nicht konkretisiert sind, sind sie unzulässig. Zudem gilt: Hinsichtlich des Leistungsantrags muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 17. Dezember 2019 – 4 StR 485/19 Rn. 11; vom 19. Juni 2019 – 5 StR 249/19 Rn. 3 und vom 14. März 2018 – 4 [X.] Rn. 14 mwN). Hinsichtlich des Feststellungsantrags fehlt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Adhäsionsklägerin hat weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, warum sie nicht in der Lage ist, weitere materielle oder immaterielle Schäden schon jetzt zu beziffern ([X.], Beschlüsse vom 8. September 2021 – 4 [X.] Rn. 16 und vom 13. April 2017 – 4 [X.] Rn. 7); zudem kann der Feststellungsantrag nicht vom Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld abgegrenzt werden, weil dieser – wie ausgeführt – nicht einmal der Größenordnung nach bestimmt ist.

4

2. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da wirksame Anträge nicht mehr gestellt werden könnten. Der [X.] spricht deshalb gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO aus, dass insoweit von einer Entscheidung abgesehen wird (st. Rspr.; vgl. nur: [X.], Beschlüsse vom 26. Mai 2021 – 4 [X.] Rn. 3; vom 19. Juni 2019 – 5 StR 249/19 Rn. 4 und vom 15. März 2017 – 4 StR 22/17 [X.]R StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 11 Rn. 9).

5

3. Der Erfolg der Revision betrifft nur das Adhäsionsverfahren. Die Entscheidung über die insoweit ausscheidbaren Auslagen folgt aus § 472a Abs. 2 StPO.

Raum     

        

Rin[X.] Dr. Fischer ist im
Urlaub und deshalb an der
Unterschriftsleistung gehindert.

        

Bär     

                 

Raum   

                 
        

Hohoff     

        

     Leplow    

        

Meta

1 StR 409/21

09.03.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 2. Juli 2021, Az: 4 KLs 21 Js 3981/21 jug (2)

§ 404 Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.03.2022, Az. 1 StR 409/21 (REWIS RS 2022, 2535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2535

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