Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.2013, Az. XI R 31/12

11. Senat | REWIS RS 2013, 3888

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unwirksame Optionserklärung des Kleinunternehmers bei Beschränkung auf einen Unternehmensteil - Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer durch Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung


Leitsatz

Ein Kleinunternehmer kann mit einer nur für einen Unternehmensteil erstellten Umsatzsteuererklärung nicht rechtswirksam auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichten .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als Kleinunternehmer auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ([X.]G) im Streitjahr 2003 durch die für den Unternehmensteil "Hausverwaltung" eingereichte Umsatzsteuererklärung für 2003 rechtswirksam verzichtet hat.

2

Für das Kalenderjahr 2002 gab der seinerzeit ausschließlich als Trainer unternehmerisch tätige Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab. In seiner ertragsteuerrechtlichen Einnahmen-Überschussrechnung für 2002 hat er Umsatzerlöse in Höhe von 10.014,86 €, steuerpflichtige Umsätze aus unentgeltlichen [X.] in Höhe von 9.131,50 € und Zinseinnahmen in Höhe von ... € angeführt.

3

Am 7. Juli 2004 reichte er beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) eine ohne Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellte Umsatzsteuererklärung für 2003 für den in diesem Jahr von ihm neu eröffneten Unternehmensteil "Hausverwaltung" ein, ohne im Rahmen der "[X.]" oder an anderer Stelle des Vordrucks [X.] 2 A die --von ihm weiter ausgeübte-- Trainertätigkeit anzugeben. In dieser Erklärung hatte der Kläger die Art des Unternehmens (Zeile 10) mit "Hausverwaltung" bezeichnet und Umsätze zum allgemeinen Steuersatz aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, Entnahmen für unternehmensfremde Zwecke sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern angesetzt. Daraus ergab sich eine Vorsteuervergütung in Höhe von ... €, die am 17. Dezember 2004 an den Kläger ausbezahlt wurde. Die Umsätze und Vorsteuerbeträge aus der Tätigkeit als Trainer gab er in der Umsatzsteuererklärung für 2003 nicht an.

4

Der Kläger gab ebenfalls am 7. Juli 2004 seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ab. Mit der Steuererklärung reichte der Kläger zwei Gewinnermittlungen nach den Grundsätzen der Einnahmen-Überschussrechnung ein. Erstens legte der Kläger eine Gewinnermittlung für sein Unternehmen "..." (die Trainertätigkeit) vor. Zweitens reichte der Kläger eine Gewinnermittlung für das Unternehmen "Hausverwaltung" ein. In der Anlage [X.] wies der Kläger einen Verlust aus dem Gewerbebetrieb "Hausverwaltung" und für die Trainertätigkeit einen Gewinn aus selbständiger Arbeit aus.

5

Am 22. Januar 2007 erließ das [X.] einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2003, in dem es unter Zugrundelegung der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung die Umsätze aus der Trainertätigkeit sowie die entsprechenden (geschätzten) Vorsteuerbeträge in die Steuerberechnung mit einbezog, da der Kläger nach Auffassung des [X.] mit der Umsatzsteuererklärung für 2003 für das gesamte Unternehmen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet habe, so dass auch die Umsätze aus der Trainertätigkeit der Umsatzsteuer unterlägen.

6

Der Einspruch war erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) gab dagegen der Klage statt; es setzte die Umsatzsteuer für 2003 unter Berücksichtigung der in Rechnungen unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträge (§ 14 Abs. 3 [X.]G) auf ... € fest.

7

Das [X.] führte im Wesentlichen aus, der Umsatzsteuererklärung für den Bereich "Hausverwaltung" komme nach den gesamten Umständen des Streitfalls nicht der Erklärungsgehalt zu, dass der Kläger auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet habe und deshalb die von ihm ausgeführten Umsätze der Regelbesteuerung unterlägen. Die Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2003 habe sich --für das [X.] erkennbar-- nur auf einen Teilbereich seines Unternehmens erstreckt; ihr Erklärungsgehalt im Hinblick auf § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.]G sei mehrdeutig.

8

Bei der in Höhe von ... € festzusetzenden Umsatzsteuer handele es sich um die Steuerbeträge, die der Kläger in seinen im Streitjahr ausgestellten Rechnungen für den Bereich "Hausverwaltung" als Kleinunternehmer unberechtigt ausgewiesen habe.

9

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 258 veröffentlicht.

Mit der Revision macht das [X.] die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des [X.] verstoße gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.]G. Der Kläger habe mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2003 eine bewusste und gezielte Entscheidung, die Regelbesteuerung in Anspruch zu nehmen, getroffen. Er habe bezweckt, die (nur) aus der Tätigkeit als Hausverwalter resultierenden Vorsteuerüberhänge erstattet zu bekommen. Daher hätten sich nach dem objektiven Empfängerhorizont Anhaltspunkte für das [X.] ergeben, dass ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein vorgelegen habe. Die fehlende Kenntnis des Klägers von der Wirkung dieser Willenserklärung dahingehend, dass daraufhin die Umsatzsteuer auf sämtliche Umsätze des Unternehmens erhoben werde, sei unerheblich.

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Umsatzsteuererklärung für 2003, die lediglich den Bereich "Hausverwaltung" erfasst, nicht der Erklärungsgehalt zukommt, der Kläger habe für sein Unternehmen auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet.

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer vom Kläger als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht zu erheben war.

a) Die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG).

b) Ein Unternehmer, der --wie das [X.] im Streitfall zutreffend festgestellt [X.] die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG erfüllt, weil er die dort genannten [X.] nicht überschreitet (sog. Kleinunternehmer), hat gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG die Möglichkeit, auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG zu verzichten. § 19 Abs. 2 UStG lautet: "Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären."

c) Ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG (sog. Option zur Regelbesteuerung) kann von einem sog. Kleinunternehmer dem [X.] gegenüber auch in der Weise durch konkludentes Verhalten erklärt werden, dass dieser dem [X.] auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 19. Dezember 1985 V R 167/82, [X.], 457, [X.] 1986, 420, unter [X.]; vom 9. Juli 2003 V R 29/02, [X.], 403, [X.] 2003, 904, unter [X.]; Abschn. 19.2. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 des [X.] --UStAE--).

Bei der diesbezüglichen Würdigung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das [X.] der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt (vgl. BFH-Urteil in [X.], 457, [X.] 1986, 420, unter [X.]).

In Zweifelsfällen muss das [X.] den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will (vgl. Abschn. 19.2. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 UStAE). Die Beseitigung etwa bestehender Zweifel ist wegen der erheblichen Rechtsfolgen, nämlich der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für mindestens fünf Kalenderjahre geltenden Bindung des Verzichts auf die Kleinunternehmerbesteuerung, aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.

d) Da der § 19 UStG unterfallende Kleinunternehmer ein einheitliches Unternehmen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) betreibt, muss der Verzicht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG für alle Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Unternehmers, d.h. für das gesamte Unternehmen, erklärt werden (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz 125; Friedrich-Vache in [X.]/[X.]/[X.], UStG § 19 Rz 35; [X.] in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 19 Rz 4, 29; [X.], [X.], 2016, 2019; s. für einen von einem Insolvenzverwalter erklärten Verzicht BFH-Urteil vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, [X.], 377, [X.] 2013, 334, Rz 9 ff.). Eine Verzichtserklärung, die sich auf einzelne Unternehmensteile beschränkt, ist daher umsatzsteuerrechtlich wirkungslos [X.] in [X.]/Söhn/ [X.], § 19 UStG Rz 50; [X.] in Sölch/Ringleb, a.a.[X.], § 19 Rz 4, 28 f.; [X.], E[X.] 2013, 259, 260). Die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer ist in einem solchen Fall nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht zu erheben.

Eine Umsatzsteuererklärung, aus der erkennbar der Verzicht auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG abgeleitet werden soll, muss sich damit auf alle Tätigkeiten des Unternehmers beziehen, weil der Erklärungsempfänger nur dann zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass das umsatzsteuerrechtliche Rechtsverhältnis durch das vom Unternehmer ausgeübte Gestaltungsrecht umgestaltet werden soll.

2. Das [X.] hat hiervon ausgehend zu Recht entschieden, dass der Kläger im Streitfall mit der nur für den Unternehmensteil "Hausverwaltung" erstellten Umsatzsteuererklärung für 2003 --was dem [X.] als Erklärungsempfänger bekannt [X.] nicht rechtswirksam auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat.

Der Umsatzsteuererklärung für 2003 kann --auch im Wege der [X.] nicht der Erklärungsgehalt entnommen werden, dass der Kläger für sein gesamtes Unternehmen zur Regelbesteuerung optieren wollte (gl. A. [X.], E[X.] 2013, 259, 260). Er hat damit nicht rechtswirksam gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet.

3. Das [X.] hat die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht angegriffen, soweit das [X.] die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG unter Berücksichtigung der vom Kläger in Rechnungen unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträge in Höhe von ... € festgesetzt hat (vgl. dazu BFH-Urteil in [X.], 403, [X.] 2003, 904, unter [X.]; [X.] vom 9. März 2009 XI B 87/08, nicht veröffentlicht, juris).

Meta

XI R 31/12

24.07.2013

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 26. Juni 2012, Az: 3 K 2961/07, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, § 2 Abs 1 S 2 UStG 1999, § 19 Abs 1 UStG 1999, § 19 Abs 2 UStG 1999, Abschn 19.2 Abs 1 S 4 Nr 2 S 2 UStAE, Abschn 19.2 Abs 1 S 4 Nr 2 S 3 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.2013, Az. XI R 31/12 (REWIS RS 2013, 3888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3888

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI R 14/11 (Bundesfinanzhof)

Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) durch Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung - …


14 K 2293/13 (FG München)

(Keine Erhöhung des Gesamtumsatzes für Kleinunternehmerregelung durch unionsrechtlich befreiten privaten Musikunterricht - Auslegung einer Umsatzsteuererklärung …


V R 23/11 (Bundesfinanzhof)

Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung im Insolvenzfall


XI R 34/19 (Bundesfinanzhof)

Zum Widerruf des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung


XI R 2/11 (Bundesfinanzhof)

Aufteilung des Vorsteuerabzugs bei einem Land- und Forstwirt mit Durchschnittssatzbesteuerung und seiner Organgesellschaft mit Regelbesteuerung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.