Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2012, Az. IX ZR 136/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6865

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Gegenstand

Insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkung: Eintritt des Verfügungserfolgs bei dinglicher Einigung und Stellung des Eintragungsantrags für eine Grundschuld


Leitsatz

Ist die dingliche Einigung erfolgt und der Eintragungsantrag gestellt, hindert die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nicht den Eintritt des Verfügungserfolgs.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 30. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. August 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Diese hatte bei der Beklagten ein Darlehen aufgenommen, das durch eine Grundschuld gesichert werden sollte. Das [X.]  bestellte mit notariellem Vertrag vom 30. Oktober 2007 zugunsten der Schuldnerin ein Erbbaurecht. Nach § 8 Abs. 1 des Vertrages bedurfte die Belastung des Erbbaurechts mit Grundpfandrechten der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers. Die Schuldnerin bewilligte mit notarieller Urkunde vom 20. Dezember 2007 zugunsten der Beklagten eine erstrangige Buchgrundschuld an dem noch nicht eingetragenen Erbbaurecht. Am 12. März 2008 gingen die Anträge auf Anlegung des [X.]s und Eintragung der Grundschuld beim zuständigen Grundbuchamt ein. Unter dem 7. Mai 2008 erklärte das [X.]   die Zustimmung zur Bestellung der Grundschuld und zu deren Eintragung im neu anzulegenden [X.].

2

Am 20. Mai 2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Mit Beschluss vom selben Tage bestellte das zuständige Insolvenzgericht den jetzigen Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen über das Vermögen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam waren. Am 23. Mai 2008 legte das Grundbuchamt das [X.] an und trug die Grundschuld zugunsten der Beklagten ein.

3

Der Kläger verlangt im Wege der Grundbuchberichtigung, hilfsweise im Wege der Insolvenzanfechtung die Bewilligung der Löschung der Grundschuld. Das [X.] hat die Klage abgewiesen; das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe die Grundschuld nicht wirksam erworben. Nach § 91 Abs. 1 [X.] könnten nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens keine Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse erworben werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 878 [X.] lägen nicht vor, weil die Schuldnerin am 20. Dezember 2007 [X.] gewesen sei. Ob das [X.]:    sie zur Belastung des noch nicht entstandenen Erbbaurechts ermächtigt habe, sei unerheblich.

II.

6

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hinderte § 91 [X.] nicht den Erwerb der Grundschuld durch die Beklagte. Die Vorschrift des § 91 [X.] gilt erst von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an. Im Eröffnungsverfahren ist sie nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2006 - [X.], [X.]Z 170, 196 Rn. 8; vom 5. Mai 2011 - [X.], [X.], 602 Rn. 15).

III.

7

Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

8

1. Grundlage des Begehrens des [X.] ist § 894 [X.]. Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 [X.] bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.

9

2. Das Grundbuch ist nicht zum Nachteil des [X.] unrichtig. Die Beklagte ist Inhaberin der im [X.] eingetragenen Grundschuld.

a) Die im Beschluss vom 20. Mai 2008 angeordnete und im Zeitpunkt ihrer Anordnung wirksam gewordene (§ 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 [X.] analog; HK-[X.]/Kirchhof, 6. Aufl., § 21 Rn. 56; [X.], [X.], 13. Aufl., § 24 Rn. 11; vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2000 - [X.], [X.], 203 zu § 106 KO) Verfügungsbeschränkung stand der Entstehung der Grundschuld nicht entgegen. Die Wirkungen einer nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 [X.] angeordneten Verfügungsbeschränkung richtet sich nach § 24 Abs. 1, §§ 81, 82 [X.]. Verfügungen des Schuldners nach Anordnung der durch einen Zustimmungsvorbehalt bewirkten Verfügungsbeschränkungen sind gemäß § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] unwirksam. Die Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfasst jedoch nur Verfügungshandlungen des Schuldners. Sie hindert nicht den Eintritt des [X.], wenn im Zeitpunkt der Eröffnung - oder im Fall des § 24 [X.] im Zeitpunkt der Anordnung der Verfügungsbeschränkung - die dingliche Einigung erfolgt und der [X.] gestellt worden ist, die erforderliche Eintragung jedoch noch ausstand (HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 81 Rn. 17 f; [X.], [X.], 13. Aufl., § 81 Rn. 9; Jaeger/Windel, [X.], § 81 Rn. 43; [X.], Einführung in das Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 137, 137a; HmbKomm-[X.]/Kuleisa, 3. Aufl., § 81 Rn. 8; aA MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 81 Rn. 10; [X.], Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 10.29 ff; [X.], FS [X.], 2000, [X.], 151 f).

aa) Der Wortlaut des § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] lässt zwei mögliche Deutungen zu. Der Begriff der Verfügung umfasst regelmäßig auch den [X.]. § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] verwendet jedoch nicht das Substantiv, sondern beschreibt eine Handlung des Schuldners ("Hat der Schuldner … verfügt …"); näher liegt daher, an die [X.] anzuknüpfen. Der [X.] hat im [X.] an ältere Rechtsprechung in zwei zur Insolvenzordnung ergangenen Entscheidungen zwischen Verfügungstatbestand und [X.] unterschieden und angenommen, ein nach erfolgter Forderungsabtretung angeordneter Zustimmungsvorbehalt nach § 81 [X.] hindere nicht den Rechtserwerb, obwohl die Rechtswirksamkeit der Abtretung noch vom Eintritt einer Bedingung abhing ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 888 Rn. 9; vom 10. Dezember 2009 - [X.], [X.], 138 Rn. 25). Der Revisionserwiderung ist zuzugeben, dass diese Rechtsprechung den Streitfall nicht unmittelbar löst, weil die Grundbucheintragung, die bei Anordnung des [X.] noch ausstand, bei [X.] gehört. Die [X.] spricht jedoch ebenfalls für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Verfügungshandlungen des Schuldners. Der amtlichen Begründung zu § 92 [X.]-[X.] (BT-Drucks. 12/2443, [X.] f) zufolge sollte § 81 [X.] im Grundsatz § 7 KO entsprechen. Nach § 7 Abs. 1 KO waren Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen hat, den [X.] gegenüber unwirksam; die Vorschriften der §§ 892, 893 [X.] und §§ 16, 17 [X.] [Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken] blieben unberührt. In § 81 Abs. 1 [X.] wurde der Begriff der "Rechtshandlung" durch denjenigen der "Verfügung" ersetzt. Dazu heißt es in der amtlichen Begründung:

"Während dieser [§ 7 KO] allerdings allgemein von „Rechtshandlungen“ des Schuldners spricht und damit Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte sowie sonstige Handlungen mit rechtlicher Wirkung erfasst, ist die neue Vorschrift auf Verfügungen beschränkt. Dass Verpflichtungen, die der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet hat, im Verfahren nicht geltend gemacht werden können, ergibt sich bereits aus § 45 des Entwurfs. Sonstige Rechtshandlungen des Schuldners haben nach der ergänzenden Vorschrift des § 102 des Entwurfs [§ 91 [X.]], die dem bisherigen § 15 KO entspricht, keine Wirkungen für die Insolvenzmasse."

Die Neufassung sollte den Anwendungsbereich der Vorschrift also gegenüber § 38 [X.] (§ 45 [X.]) und § 91 [X.] (§ 102 [X.]) abgrenzen, nicht jedoch ihn durch Einbeziehung des von der Verfügungshandlung des Schuldners unabhängigen [X.]es noch erweitern. Die Beschränkung auf die Verfügungshandlung erklärt auch, warum § 81 Abs. 1 [X.] ebenso wie § 7 KO die Gutglaubensvorschriften der §§ 892, 893 [X.] und §§ 16, 17 [X.] in Bezug nimmt, nicht jedoch auf § 878 [X.] verweist. Der in § 878 [X.] beschriebene Fall, dass eine bindende dingliche Einigung vorliegt und der Eintragungsantrag gestellt wurde, fällt schon nicht unter § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.], so dass die Wirksamkeit der Verfügung unter den Voraussetzungen des § 878 [X.] nicht eigens angeordnet werden musste.

bb) Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 21 ff, 24 [X.], nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern (§ 21 Abs. 1 Satz 1 [X.], BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 25 [X.]), könnten allerdings eine erweiternde Auslegung im Sinne einer Einbeziehung des [X.]es verlangen. Ergebnis dieser Auslegung wäre jedoch, dass die Wirkungen einer Verfügungsbeschränkung im Eröffnungsverfahren weiter reichten als diejenigen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 80 [X.]). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet die Vorschrift des § 878 [X.] über die Verweisung in § 91 Abs. 2 [X.] entsprechende Anwendung. Diese schützt den Erwerber eines eintragungspflichtigen dinglichen Rechts vor nachteiligen Veränderungen der Rechtslage zwischen dem Eintragungsantrag und der Eintragung, auf deren Zeitpunkt die Parteien keinen Einfluss haben ([X.], Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das [X.], [X.], [X.]). Der Schutz der Insolvenzmasse tritt insoweit hinter dem Schutz des Erwerbers zurück; auch der anfechtungsrechtliche Schutz der Masse ist, wie sich aus § 140 Abs. 2 Satz 1 [X.] ergibt, entsprechend eingeschränkt, soweit der andere Teil - nicht der Schuldner - den Eintragungsantrag gestellt hat. Einen weitergehenden Schutz als §§ 80 ff [X.] beabsichtigt § 24 [X.] im Zweifel nicht, wie auch die Verweisung auf §§ 81, 82 [X.] ergibt.

b) Die übrigen Voraussetzungen für den Erwerb der Grundschuld waren ebenfalls erfüllt. Die Belastung eines Erbbaurechts mit einer Grundschuld erfolgt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 873 [X.] durch die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das [X.]. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der Grundschuld am 23. Mai 2008 war die Schuldnerin Inhaberin des Erbbaurechts und zu dessen Belastung berechtigt.

aa) Ein Erbbaurecht entsteht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 873 Abs. 1 [X.] durch Einigung und Eintragung, wobei die Eintragung zunächst im Grundbuch des Grundstücks zu erfolgen hat. Die Eintragung ist konstitutiv für das Entstehen des Erbbaurechts. Sie erfolgte am 23. Mai 2008. Die am 20. Mai 2008 angeordnete und entsprechend § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 [X.] mit ihrer Anordnung wirksam gewordene Verfügungsbeschränkung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 [X.] hinderte den Erwerb des Erbbaurechts durch die Schuldnerin nicht, weil die erforderlichen Verfügungshandlungen - die Einigung und der Eintragungsantrag - bereits abgeschlossen waren (s.o.).

bb) Als Inhaberin des Erbbaurechts war die Schuldnerin berechtigt, dieses zu belasten. Ist der Verfügende im Zeitpunkt der Einigung noch [X.]r, hat er das [X.] aber bei Eintragung bereits erworben, so ist das ursprüngliche Wirksamkeitshindernis der fehlenden Rechtsinhaberschaft rechtzeitig ausgeräumt und das Verfügungsgeschäft vom Augenblick seiner Komplettierung an wirksam ([X.]/[X.], [X.], 2007, § 878 Rn. 65; MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 878 Rn. 14).

cc) Die Grundschuld ist schließlich in das Erbbaurechtsgrundbuch eingetragen worden. Bei der Eintragung in das Grundbuch des Grundstücks wird von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt, das [X.], angelegt (§ 14 [X.]), in dessen Abteilung III sodann Grundschulden und andere Grundpfandrechte eingetragen werden können. Dies ist hier am 23. Mai 2008 geschehen.

IV.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben; die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem hilfsweise geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben.

[X.]                                                    Vill                                                 Lohmann

                            Fischer                                                  [X.]

Meta

IX ZR 136/11

26.04.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 30. August 2011, Az: 14 U 222/10

§ 21 Abs 2 Nr 2 InsO, § 24 Abs 1 InsO, § 81 Abs 1 S 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2012, Az. IX ZR 136/11 (REWIS RS 2012, 6865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6865

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