Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2016, Az. X R 66/14

10. Senat | REWIS RS 2016, 10686

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erlass von Nachzahlungszinsen


Leitsatz

1. NV: Die Sollverzinsung nach § 233a Abs. 1 AO bezweckt den Ausgleich von Liquiditätsvorteilen und -nachteilen bei dem Steuerpflichtigen und dem Fiskus.

2. NV: Die Karenzzeiten nach § 233a Abs. 2 AO sollen eine Anlaufphase zinsfrei halten, in der das Veranlagungsverfahren regelmäßig abgeschlossen sein kann.

3. NV: Die Verlängerung der Karenzzeit bei Land- und Forstwirten beruht auf dem Zusammentreffen deren regelmäßig abweichenden Wirtschaftsjahrs mit der zeitanteiligen Zuordnung der laufenden Gewinne auf die beiden Kalenderjahre.

4. NV: Bei den typisierten Karenzzeiten von 15 bzw. 23 Monaten bleibt es auch dann, wenn im Einzelfall Gewinnermittlung und Veranlagung bereits früher oder erst später beginnen könnten.

5. NV: Es hat auf die Karenzzeiten keinen Einfluss, ob die zugrunde liegenden Einkünfte Gegenstand einer gesonderten Feststellung sind, wann die gesonderte Feststellung frühestens möglich ist und wann sie tatsächlich vorgenommen wird. § 233a Abs. 2a AO ist nicht entsprechend anwendbar.

6. NV: Die durch Anpassung eines Einkommensteuerbescheids an den Feststellungsbescheid entstehende Zinspflicht ist nicht sachlich unbillig, da § 155 Abs. 2 AO i.V.m. § 162 Abs. 5 AO schon vor Erlass des Feststellungsbescheids den Ansatz der festzustellenden Einkünfte im Schätzungswege ermöglicht.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2013  2 K 82/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 30. November 2010 alleiniger Gesellschafter der [X.] (GmbH) sowie alleiniger Kommanditist der [X.] ([X.]). Die [X.] und die GmbH hatten jeweils ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. September bis 31. August. Am 30. November 2010 brachte der Kläger seine Anteile an der GmbH und der [X.] in die [X.] ein. Mit der am 1. April 2011 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eingegangenen Einkommensteuererklärung 2010 schätzte der Kläger den Veräußerungsgewinn auf ... €. Das [X.] veranlagte mit Einkommensteuerbescheid vom 15. Juli 2011 erklärungsgemäß. Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2011 berücksichtigte es unter Abzug nachträglicher Veräußerungskosten einen Veräußerungsgewinn von ... €.

2

Die [X.] gab die Feststellungserklärung für das [X.], die das Wirtschaftsjahr 2010/2011 mit dem Einbringungsgewinn des [X.] erfasste, am 23. Februar 2012 ab. In einer Außenprüfung bei der [X.] vom 28. Februar 2012 bis 15. März 2012 kam es zu einer einvernehmlichen Neuberechnung des Veräußerungsgewinns auf nunmehr ... €. Der geänderte Feststellungsbescheid erging am 4. September 2012. Mit Einkommensteuerbescheid vom 24. September 2012 berücksichtigte das [X.] nach Korrektur durch Anwendung des Teileinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn von ... €. Am selben Tage erließ das [X.] einen Bescheid über Zinsen zur Einkommensteuer 2010 in Höhe von ... €. Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass dieser Bescheid eine zutreffende Anwendung des Gesetzes darstellt.

3

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 beantragte der Kläger Erlass dieser Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit. Am 24. Oktober 2012 erließ das [X.] aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2010, jedoch ohne Änderung des Veräußerungsgewinns, und am selben Tage einen geänderten Bescheid über Zinsen zur Einkommensteuer über nunmehr ... €. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 und [X.] vom 18. April 2013 lehnte das [X.] den Erlassantrag ab. Es entspreche den Wertungen des Gesetzgebers, Zinsen auf einen Nachforderungsbetrag für die [X.] bis zum Abschluss einer Außenprüfung zu erheben, da insoweit die Möglichkeit der Kapitalnutzung bestanden habe. Daran ändere sich nicht dadurch etwas, dass einerseits der Veräußerungsgewinn mangels Anwendbarkeit des § 4a Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerrechtlich im Jahre 2010 zu erfassen gewesen sei, er andererseits aber erst im Feststellungsverfahren der [X.] für das [X.] habe ermittelt werden können. Der Kläger habe den Veräußerungsgewinn selbst geschätzt. Eine Außenprüfung bringe häufig eine nachträgliche Gewinnerhöhung mit sich.

4

Im Klageverfahren begehrte der Kläger die Verpflichtung zum Erlass der Zinsen aus Gründen sachlicher Billigkeit. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage durch in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 321 veröffentlichtes Urteil abgewiesen.

5

Mit seiner Revision macht der Kläger weiterhin geltend, die [X.] sei sachlich unbillig, er wendet sich allerdings nicht gegen die Höhe des Zinses. Maßgebend für den Veräußerungsgewinn 2010 sei die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei der [X.]. Der Kläger habe infolgedessen seinen Veräußerungsgewinn des Jahres 2010 frühestens zutreffend erklären können, nachdem die [X.] ihre Erklärung fertiggestellt hatte. Die [X.] wiederum habe ihre Erklärung frühestmöglich abgegeben. Wegen des Zusammentreffens des abweichenden [X.] der [X.] mit der Nichtanwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG habe der Kläger den Karenzzeitraum von 15 Monaten nach § 233a Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) nicht nutzen können. Hätte die [X.] kein abweichendes Wirtschaftsjahr oder hätte der Kläger laufende Einkünfte erzielt und wäre er nicht unterjährig aus der [X.] ausgeschieden, wäre die Zinsbelastung nicht eingetreten.

6

Die Verlängerung der zinsfreien Karenzzeit bei überwiegenden Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zunächst auf 21, später auf 23 Monate beruhe ebenso wie die nach § 149 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinausgeschobene Frist zur Abgabe der Steuererklärung gerade auf dem dort stets abweichenden Wirtschaftsjahr (BTDrucks 11/2536, S. 96, BTDrucks 17/5125, S. 50). Der Gewerbetreibende mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr befinde sich in einer identischen Situation. Es könne nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit des abweichenden [X.] auch bei Gewerbetreibenden übersehen. Dass der Gesetzgeber nichts geregelt habe, könne nicht belegen, dass er ein Problem gesehen und dessen Nichtlösung bewusst in Kauf genommen habe. Vielmehr gebe es für eine willentliche Ungleichbehandlung keinen Hinweis und auch keine Rechtfertigung. Diese widerspräche vielmehr Art. 3 des Grundgesetzes. Nach alledem liege ein atypischer Sachverhalt vor, der den Wertungen des Gesetzes nicht entspreche und es gebiete, rechnerisch eine Karenzzeit von 21 Monaten zu berücksichtigen. In diesem Fall wäre es zu keiner [X.] gekommen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil und den Bescheid über Zinsen zur Einkommensteuer 2010 vom 24. Oktober 2012 aufzuheben, hilfsweise das [X.] zum Erlass der mit diesem Bescheid festgesetzten Zinsen zu verpflichten.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Ablehnung des [X.] sei nicht ermessensfehlerhaft, der Erlass nicht möglich gewesen. Es fehle an einem ungewollt über die Wertungen des Gesetzgebers hinausgehenden Überhang des gesetzlichen Tatbestandes. Der Kläger sei durch die Kombination des abweichenden [X.] der [X.] mit der zeitlichen Zuordnung des Veräußerungsgewinns zum Jahr des Ausscheidens von der Zahlung der geschuldeten Steuer tatsächlich zunächst "freigestellt" worden und habe so den Liquiditätsvorteil erlangt, den die Verzinsung abzuschöpfen bezwecke. Dies gelte gerade unabhängig von den Ursachen und Begleitumständen und deswegen ungeachtet fehlenden Verschuldens des [X.]. Auch das [X.] habe ohne Verzögerung agiert.

Entscheidungsgründe

II. Der [X.] versteht das Begehren des [X.] in der Weise, dass er beantragt, das [X.], den Bescheid vom 5. Dezember 2012 und die [X.] vom 18. April 2013 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, die mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer 2010 in Höhe von ... € zu erlassen. Die Formulierung des [X.] ist zwar auf die Aufhebung des Zinsbescheids selbst gerichtet. Der Kläger hat aber im Rahmen seines Revisionsvorbringens mehrfach unmissverständlich verdeutlicht, dass er die Rechtmäßigkeit des Zinsbescheids selbst nicht angreife und es ihm allein um den Erlass gehe.

III. Die Revision ist nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erlass der Zinsen hat und die Ablehnung des [X.] nicht ermessensfehlerhaft war. Die Erhebung der Zinsen ist nicht unbillig i.S. des § 227 [X.].

1. Die Finanzbehörden können nach § 227 [X.] Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

a) Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 [X.] auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, zu denen wiederum nach § 3 Abs. 4 [X.] auch Zinsen (§§ 233 bis 237 [X.]) zählen. Dem Erlass von [X.] nach § 233a [X.] steht nicht entgegen, dass § 233a [X.] im Gegensatz zu § 234 Abs. 2 [X.] für Stundungszinsen und § 237 Abs. 4 [X.] für Aussetzungszinsen keine ausdrückliche Ermächtigung zu [X.] enthält (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 3. Juli 2014 III R 53/12, [X.], 203, unter [X.], m.w.N.; [X.]sbeschluss vom 29. Oktober 2014 [X.]32/14, [X.], 336, unter [X.]).

b) Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (Beschluss des Gemeinsamen [X.]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 19. Oktober 1971 [X.] 3/70, [X.], 101, [X.] 1972, 603, zu der Vorläufervorschrift des § 131 [X.]) und unterliegt deshalb gemäß § 102 [X.]O lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist daher bei einer Erlassablehnung nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 [X.]O die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (vgl. [X.]-Urteile vom 8. Oktober 2013 [X.], [X.] 2014, 5, unter [X.]; in [X.], 203, unter [X.], beide m.w.N.).

c) Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger [X.]-Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. [X.]-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, [X.], 524, [X.] 1997, 259, unter [X.]; vom 26. August 2010 III R 80/07, [X.] 2011, 401, unter [X.]; in [X.] 2014, 5, unter [X.], jeweils m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte ([X.]-Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, [X.] 2010, 606, unter II.2.). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können keinen [X.] rechtfertigen. Die Billigkeitsprüfung darf die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes nicht unterlaufen ([X.]-Urteil in [X.] 2011, 401, unter [X.]), sich andererseits auch nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, da dann ein auf sachliche [X.] gestützter Erlass nach § 227 [X.] niemals möglich wäre (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 524, [X.] 1997, 259, unter [X.]; [X.]sbeschluss in [X.], 336, unter [X.]). Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass nach § 233a [X.] festgesetzter Zinsen ([X.]-Urteile in [X.] 2014, 5, unter [X.]; in [X.], 203, unter [X.], beide m.w.N.).

2. Die Verzinsung nach § 233a Abs. 1 [X.] und die Karenzzeiten des § 233a Abs. 2 [X.] bezwecken einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können.

a) Die allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen wurde in Gestalt des § 233a [X.] durch Art. 15 Nr. 3 des [X.] 1990 ([X.] 1990) vom 25. Juli 1988 ([X.], 1093) eingeführt. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf sollte die allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen [X.]punkten festgesetzt und fällig werden (BTDrucks 11/2157, [X.]). Insoweit beruht die Vorschrift auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren [X.]punkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil hat. Dieser Vorteil ist umso größer, je höher der nachzuzahlende Betrag ist und je später die Steuer festgesetzt wird. Durch die Sollverzinsung sollen der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Gleichzeitig soll der vorhandene Zinsnachteil des Fiskus, der den nicht gezahlten Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen kann, ausgeglichen werden (Nichtannahmebeschluss des [X.]verfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07, [X.] 2009, 2115, unter I[X.] bb (2) (a)). Aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob die möglichen Zins- und [X.] tatsächlich bestanden und genutzt wurden, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BVerfG-Beschluss in [X.] 2009, 2115, unter I[X.] bb (2) (b) und I[X.] cc; [X.]-Urteil in [X.] 2014, 5, unter [X.], m.w.N.).

b) Die Karenzzeit des § 233a Abs. 2 [X.] sollte nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf allgemein 15 Monate betragen (BTDrucks 11/2157, [X.]). Tatsächlich hat das [X.] 1990 bei Überwiegen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eine Karenzzeit von 21 Monaten eingeführt. Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 ([X.], 2131) hat diese Frist für Steuern, die nach dem 31. Dezember 2009 entstehen (Art. 97 § 15 Abs. 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung), auf 23 Monate verlängert.

aa) Die 15-monatige Karenzzeit ist dem Grunde nach an der längstmöglichen allgemeinen Verlängerung der Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen ausgerichtet. Sie sollte die Erfüllung der Erklärungspflichten durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater sowie die während dieser [X.] bereits durchgeführten Veranlagungen der Finanzämter von der Verzinsung unbelastet lassen und außerdem die Zahl der zu bearbeitenden Zinsfälle im Interesse der Verringerung der Arbeitsbelastung der Finanzämter in Grenzen halten (BTDrucks 11/2157, [X.]). Dies setzt die Vorstellung voraus, dass das Veranlagungsverfahren innerhalb der Karenzzeit regelmäßig abgeschlossen sein dürfte. Unerheblich ist, ob die Einkünfte, die der Ermittlung der Karenzzeit zugrunde liegen, Gegenstand einer gesonderten Feststellung gemäß § 182 [X.] sind.

bb) Hintergrund der besonderen Regelungen für Land- und Forstwirte sind die Besonderheiten der Gewinnermittlung bei Land- und Forstwirten mit abweichendem Wirtschaftsjahr (Erster Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der BTDrucks 11/2157, BTDrucks 11/2536, [X.]). Das Ziel, eine Anlaufphase für den Beginn und in vielen Fällen den Abschluss des Veranlagungsverfahrens zinsfrei zu halten, kann bei dieser Gruppe von Steuerpflichtigen in vergleichbarer Weise nur gewahrt werden, wenn die Karenzzeit entsprechend verlängert wird.

Nach § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 EStG ermitteln Land- und Forstwirte den Gewinn nach einem Wirtschaftsjahr, das regelmäßig den [X.]raum vom 1. Juli bis zum 30. Juni umfasst.

Die Zuordnung des für das jeweilige Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinns auf das nach § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legende Kalenderjahr wird nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG zeitanteilig vorgenommen, und zwar unabhängig davon, zu welchem [X.]punkt innerhalb des betreffenden [X.] welcher Gewinn(anteil) realisiert wurde. Demgegenüber gehören Veräußerungsgewinne nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG in das Kalenderjahr ihrer Entstehung. Die zeitanteilige Zuordnung des laufenden Gewinns führt dazu, dass die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und das Veranlagungsverfahren für ein bestimmtes Kalenderjahr erst beginnen können, wenn das in diesem Kalenderjahr beginnende Wirtschaftsjahr geendet hat. Das ist erst im Laufe des folgenden Kalenderjahrs der Fall.

Wegen der durch § 8c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der [X.] (EStDV) eröffneten Möglichkeiten anderer abweichender Wirtschaftsjahre ist allerdings auch mit der pauschalen Verlängerung der Karenzzeit in § 233a Abs. 2 Satz 2 [X.] der [X.]raum zwischen demjenigen [X.]punkt, zu dem die Veranlagung frühestmöglich beginnen kann (nämlich dem Ende des letzten für die Veranlagung maßgebenden [X.]), und demjenigen [X.]punkt, zu dem die zinsfreie [X.] endet, nicht für alle Steuerpflichtigen gleich.

cc) Eine entsprechende Verlängerung der Erklärungsfrist des § 149 Abs. 2 Satz 1 [X.] sowie der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 EStG für Gewerbetreibende, die nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ihren Gewinn nach einem nicht kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr ermitteln, sieht das Gesetz nicht vor. Sie wäre grundsätzlich auch nicht folgerichtig. Anders als bei Land- und Forstwirten erfolgt die Zuordnung des für das jeweilige Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinns nicht zeitanteilig. Nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt vielmehr der Gewinn des [X.] als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Die Veranlagung kann daher ebenso wie bei Gewerbetreibenden mit kalendergleichem Wirtschaftsjahr unmittelbar nach Ende des Veranlagungszeitraums beginnen, ohne dass auf das Ende des in diesem [X.]raum begonnenen [X.] und dessen Ergebnisse zu warten wäre. Zu einem Rückbezug der Ergebnisse eines abweichenden [X.] auf das Kalenderjahr, in dem dieses Wirtschaftsjahr begonnen hat, kann es bei einem Gewerbetreibenden nur kommen, wenn, wie im Streitfall, die Ergebnisse der gewerblichen Betätigung des Steuerpflichtigen Gegenstand einer gesonderten Feststellung sind und dessen Gewinnanteil nicht nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern nach den Grundsätzen des [X.] vom 18. August 2010 X R 8/07 ([X.]E 230, 429, [X.] 2010, 1043) im Kalenderjahr des Ausscheidens aus der Mitunternehmerschaft erfasst wird.

3. Die Verzinsung entspricht gleichwohl auch bei einem solchen Rückbezug den Wertungen des Gesetzgebers, wie sie in den Zinsvorschriften in Verbindung mit den Regeln über die gesonderte Feststellung zum Ausdruck kommen.

a) Das [X.] hat zu Recht ausgeführt, dass der Kläger im Streitfall tatsächlich einen Liquiditätsvorteil erlangt hatte. Dieser ist zentrales Element des [X.]. Da die Einkommensteuer für das Streitjahr erst nach Erlass des Feststellungsbescheids im September 2012 in zutreffender Höhe festgesetzt wurde, war der Kläger bis zu diesem [X.]punkt von der Zahlung der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer "freigestellt". Dies rechtfertigt grundsätzlich die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, [X.]E 225, 215, [X.] 2010, 92, unter [X.]; in [X.] 2014, 5, unter II.2.c), ohne dass es auf den Grund dieser Freistellung ankäme (s.o. I[X.]).

b) Es entspricht auch dem gesetzgeberischen Konzept, dass die Karenzzeiten bis zum Beginn des [X.] erheblich pauschalisiert und typisiert sind. Nicht maßgebend ist, ob es im Einzelfall tatsächlich möglich gewesen wäre, das Veranlagungsverfahren innerhalb der Karenzzeit abzuschließen. Die verhältnismäßig starke Generalisierung zeigt sich zum einen an der einheitlichen Verlängerung der Karenzzeit auf früher 21 bzw. heute 23 Monate bei überwiegenden land- und forstwirtschaftlichen Einkünften unabhängig von dem tatsächlichen Ende des letzten für den Veranlagungszeitraum maßgebenden [X.] (s. dazu oben I[X.] bb). Sie zeigt sich zum anderen daran, dass die Karenzzeit pauschal daran anknüpft, ob die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft überwiegen. Dafür sind diese Einkünfte mit allen anderen zusammengefassten Einkünften zu vergleichen (vgl. im Einzelnen [X.]-Urteil vom 13. Juli 2006 IV R 5/05, [X.]E 214, 26, [X.] 2006, 881, unter [X.]). Es kommt hingegen nicht darauf an, auf welchen Einkünften ggf. in welcher Höhe der den Zinsanspruch auslösende Unterschiedsbetrag beruht. Für die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls lässt gerade eine hochgradig typisierende Regelung keinen Raum (ähnlich [X.]-Urteil in [X.]E 214, 26, [X.] 2006, 881, unter [X.] cc (4)).

Abgesehen davon, dass die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht Gegenstand des Billigkeitsverfahrens ist, hat der [X.] auch keinen Zweifel, dass diese Generalisierungen verfassungsgemäß sind. Innere Rechtfertigung des [X.] bleibt der Liquiditätsvorteil. Die Karenzzeit entscheidet lediglich darüber, in welchem Umfang er abzuschöpfen ist.

c) Sind Einkünfte Gegenstand einer gesonderten Feststellung, gilt nichts anderes. Ergeht ein Feststellungsbescheid, ist der Einkommensteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] anzupassen. Die Folgeänderung des [X.] löst die [X.] nach § 233a [X.] aus, selbst wenn der Feststellungsbescheid nicht früher hätte ergehen können. Dies begründet ebenfalls keine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 227 [X.], sondern entspricht den Wertungen des Gesetzes.

aa) Der [X.] ist auch dann nach Maßgabe von § 233a Abs. 2 [X.] einschließlich der Karenzzeit zu berechnen, wenn der Unterschiedsbetrag auf der Anpassung eines [X.] an einen Grundlagenbescheid beruht. Nicht maßgebend ist, wann der Grundlagenbescheid ergeht. Der Beginn des [X.] ist nach § 233a Abs. 2a [X.] nur hinausgeschoben, wenn die Änderung einer Steuerfestsetzung auf einem rückwirkenden Ereignis oder einem Verlustabzug beruht. Der Erlass eines [X.] ist aber kein rückwirkendes Ereignis, was etwa aus der ausdrücklichen Nichtnennung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] in § 233a Abs. 2a [X.] deutlich wird. Auch ein Grundlagenbescheid, der viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, kann daher zu einer [X.] unter Anwendung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 [X.] führen.

bb) Eine Billigkeitskorrektur dieses Ergebnisses ist nicht geboten, sondern widerspräche dem gesetzgeberischen Konzept. Der [X.] ist gegenüber dem Personenkreis des § 233a Abs. 2a [X.] nicht unangemessen benachteiligt. Anders als in jenen Fällen besteht die Möglichkeit, die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen bereits im Rahmen der Einkommensteuererklärung im Schätzungswege nach § 162 Abs. 5 [X.] anzugeben und nach § 155 Abs. 2 [X.] auch vor Erlass des [X.] der Besteuerung zugrunde zu legen. So sind der Kläger und das [X.] auch im Streitfall verfahren. Gerade in der gesellschaftsrechtlichen Konstellation des Streitfalls war der Kläger für seine Erklärung auch nicht auf eine grobe Schätzung beschränkt, sondern konnte den Veräußerungsgewinn ebenso berechnen, als wenn dieser nicht Gegenstand der gesonderten Feststellung gewesen wäre.

Die Folgeanpassung des [X.] aufgrund des Erlasses oder der Änderung des [X.] ist vor diesem Hintergrund in Ansehung der Zinsen ähnlich zu bewerten wie die Änderung des [X.] innerhalb eines noch offenen Festsetzungsverfahrens oder aufgrund einer selbständigen Änderungsvorschrift. In einem solchen Falle besteht außerhalb des Anwendungsbereichs des § 233a Abs. 2a [X.] kein Zweifel an der [X.]. Das Risiko, dass die ursprüngliche Erklärung sich im Ergebnis aus welchen Gründen auch immer als nicht zutreffend erweist und der Bescheid aufgrund neuer Erkenntnisse etwa aus einer Außenprüfung geändert wird, ist identisch. Die [X.] des [X.] hat demnach ihren Grund nicht in erster Linie in dem abweichenden Wirtschaftsjahr der [X.] und dem entsprechend späteren gesonderten Feststellungsverfahren, sondern in der Anpassung der Höhe des Veräußerungsgewinns. Dieses rechtfertigt keinen [X.].

cc) Der [X.] verkennt nicht, dass dieses Ergebnis nicht eingetreten wäre, hätte es sich bei dem Veräußerungsgewinn des [X.] um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 14 EStG gehandelt, sofern sie die anderen Einkünfte überwiegen. Es widerspräche aber der mit § 233a Abs. 2 [X.] ersichtlich bezweckten groben Typisierung, für die Entscheidung über die Länge der Karenzzeit, sei es auch im Billigkeitswege, nicht abstrakt allein an die Einkunftsart, sondern konkret an die Frage anzuknüpfen, ob die Modalitäten der Einkünfteerzielung und der verfahrensmäßigen Behandlung im Einzelfall ihrerseits die kürzere oder längere Karenzzeit rechtfertigen könnten.

Zudem entspricht die Ausgangslage des Streitfalls nicht derjenigen Problematik, die der eigentliche Grund für die verlängerte Karenzzeit der Land- und Forstwirte ist. Soweit diese nicht bereits mit Ende des Veranlagungszeitraums dessen Besteuerungsgrundlagen ermitteln können, beruht das gerade nicht allein auf ihrem abweichenden Wirtschaftsjahr, sondern vor allem auf der zeitanteiligen Zurechnung dessen Ergebnisses. Damit haben gewinnwirksame Faktoren des Folgejahres Einfluss auf den dem Vorjahr zuzuordnenden Gewinn. Die Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen des Vorjahres ist vor Abschluss des [X.] objektiv unmöglich. Bei Veräußerungsgewinnen i.S. des § 14 EStG, die nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG in das Kalenderjahr ihrer Entstehung gehören, stellt sich dieses Problem nicht. Deren Ermittlung wäre nach dem Ende des Veranlagungszeitraums ebenso möglich, als wenn es sich um Veräußerungsgewinne im Rahmen gewerblicher Einkünfte handelte. Soweit die Veräußerungsgewinne nach § 14 EStG gleichwohl aufgrund der groben Typisierung des § 233a Abs. 2 [X.] in den Genuss der verlängerten Karenzzeit kommen, handelt es sich bei der hieraus folgenden Ungleichbehandlung allenfalls um eine überschießende Begünstigung der Land- und Forstwirte. Daraus folgt für den Kläger keine Unbilligkeit.

dd) Der Streitfall bietet keinen Anlass zu entscheiden, ob unter besonderen Umständen [X.] zu Gunsten eines [X.]n angezeigt sein können, wenn eine sachgerechte Schätzung nach § 162 Abs. 5 [X.] Schwierigkeiten bereitet, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat. Ebenso wenig ist zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine ungebührliche Verzögerung des Veranlagungsverfahrens einen Erlass rechtfertigen könnte. Das [X.] hätte das Feststellungs- und Veranlagungsverfahren kaum schneller betreiben können als es geschehen ist. Der Kläger hat insoweit auch nichts beanstandet.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Der [X.] entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O ohne mündliche Verhandlung.

Meta

X R 66/14

01.06.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 4. Dezember 2013, Az: 2 K 82/13, Urteil

§ 3 Abs 4 AO, § 37 Abs 1 AO, § 149 Abs 2 AO, § 155 Abs 2 AO, § 162 Abs 5 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 182 AO, § 227 AO, § 233a Abs 1 AO, § 233a Abs 2 AO, § 233a Abs 2a AO, § 234 Abs 2 AO, § 237 Abs 4 AO, § 2 Abs 7 S 2 EStG 2009, § 4a Abs 1 S 1 EStG 2009, § 4a Abs 1 S 2 Nr 1 EStG 2009, § 4a Abs 1 S 2 Nr 2 EStG 2009, § 4a Abs 2 Nr 1 EStG 2009, § 4a Abs 2 Nr 2 EStG 2009, § 14 EStG 2009, § 8c EStDV 2000, § 101 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2016, Az. X R 66/14 (REWIS RS 2016, 10686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10686

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X R 18/13 (Bundesfinanzhof)

Inhaltliche Bestimmtheit von Zinsbescheiden - Festsetzungsfrist für Aussetzungszinsen


IX R 25/18 (Bundesfinanzhof)

Verzinsung aufgrund eines rechtswidrigen, aber bestandskräftigen Änderungsbescheids


VIII R 25/17 (Bundesfinanzhof)

Erlass von Nachzahlungszinsen


IV R 23/09 (Bundesfinanzhof)

(Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 Satz 2 AO - Überwiegen der Einkünfte …


X R 8/07 (Bundesfinanzhof)

(Zurechnung des Gewinns bei Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer Mitunternehmerschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr - Besteuerungszeitpunkt …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.