Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.04.2019, Az. 8 B 3/18, 8 B 3/18 (8 C 3/19)

8. Senat | REWIS RS 2019, 7840

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Gegenstand

Revisionszulassung; Rechtswidrigkeit gaststättenrechtlicher Gestattungen


Gründe

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit [X.]r Gestattungen für einen Weinausschank auf dem [X.] in [X.] ("[X.]" - [X.]) von Mai bis September 2014. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei mangels Wiederholungsgefahr unzulässig, soweit der Kläger die Verletzung von § 12 Abs. 1 [X.] und von [X.] bauplanungsrechtlichen Festsetzungen geltend mache. Soweit er sich auf den Versagungsgrund schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 [X.] berufe, sei die Klage unbegründet, weil durch den Betrieb des [X.]s am Wohnsitz des [X.] keine solchen Umwelteinwirkungen zu erwarten gewesen seien. Ungeachtet der insoweit bereits fehlenden Wiederholungsgefahr komme den vom Kläger als verletzt gerügten bauplanungsrechtlichen Vorschriften im [X.] [X.] kein Drittschutz zu.

2

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Berufungsurteil leidet an einem vom Kläger gerügten Verfahrensmangel, auf dem es beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Außerdem kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3

Das Oberverwaltungsgericht hat gegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verstoßen, indem die Klage hinsichtlich der auf § 12 Abs. 1 [X.] und auf Bauplanungsrecht gestützten Einwände des [X.] mangels Wiederholungsgefahr als unzulässig angesehen hat. Eine das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO begründende Wiederholungsgefahr ist immer dann anzunehmen, wenn die hinreichende Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12.04 - [X.] 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8). Danach kann ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts nur an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Regelung oder eines abgrenzbaren Teils davon bestehen, nicht jedoch beschränkt auf die Überprüfung eines Teils der für deren Rechtmäßigkeit erheblichen materiell-rechtlichen Fragen. Würden sich einzelne Rechtsfragen im Wiederholungsfall nicht mehr stellen, lässt dies die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn eine wesentliche Änderung der maßgeblichen rechtlichen Umstände vorliegt. Andernfalls besteht weiterhin ein berechtigtes Interesse, uneingeschränkt überprüfen zu lassen, ob die verfahrensgegenständliche Regelung rechtmäßig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Für eine Beschränkung des materiell-rechtlichen [X.] bietet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO keine Handhabe.

4

Das Berufungsurteil kann auch auf dem Verfahrensmangel beruhen. Eine Alternativbegründung für die von ihm angenommene teilweise Unzulässigkeit der Klage enthält es nicht. Seine materiell-rechtliche Hilfserwägung, den vom Kläger als verletzt gerügten bauplanungsrechtlichen Vorschriften komme im [X.] [X.] kein Drittschutz zu, betrifft die Begründetheit der Klage und wird überdies erfolgreich mit der Grundsatzrüge angegriffen. Das Beschwerdevorbringen führt auf die rechtsgrundsätzliche Frage, ob der Nachbar einer Gaststätte deren bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit wegen einer Verletzung nachbarschützender bauplanungsrechtlicher Festsetzungen im Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsprozess gegen die [X.] Erlaubnis als Versagungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] - mit drittschützender Wirkung auch nach dieser Vorschrift - geltend machen kann, sofern noch keine Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Gaststättenbetriebs ergangen ist.

5

Diese Frage wird voraussichtlich im Revisionsverfahren zu klären sein. Insbesondere kann nicht von einer Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage aus anderen als den im Berufungsurteil dargelegten Gründen ausgegangen werden. Aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und deren Ausführungen zum irrevisiblen Recht ergibt sich keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände. Nach wie vor erlaubt der Beklagte jährlich den - nun in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen - Beigeladenen den Betrieb des [X.]s während der Sommermonate. Die zwischenzeitliche Heranziehung der §§ 2 f. [X.] als Ermächtigungsgrundlage ändert nichts daran, dass die Kernfrage des Streits - das Vorliegen drittschützender [X.]r Versagungsgründe - weiterhin nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu beurteilen ist. Dabei wird nach wie vor um die Zumutbarkeit der von der Gaststätte für den Kläger ausgehenden Immissionen und um die [X.] Relevanz bauplanungsrechtlicher Einwände gestritten, ohne dass sich aus bindenden Tatsachenfeststellungen oder irrevisiblen rechtlichen Annahmen des vorinstanzlichen Urteils ergäbe, dass es auf diese Einwände wegen der seit 2015 erteilten Dispense zur Errichtung des [X.] auf dem [X.] nicht mehr ankäme.

6

Dass die Wiederholungsgefahr sich seit 2015 jährlich realisiert hat, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Wegen der kurzen Befristung der angegriffenen Gestattungen erledigten diese sich so kurzfristig, dass der Kläger sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, die [X.] Zulässigkeit des Ausschanks in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen zu lassen.

7

Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Meta

8 B 3/18, 8 B 3/18 (8 C 3/19)

25.04.2019

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 25. September 2017, Az: OVG 1 B 14.16, Urteil

§ 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 4 Abs 1 S 1 Nr 3 GastG, § 12 Abs 1 GastG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.04.2019, Az. 8 B 3/18, 8 B 3/18 (8 C 3/19) (REWIS RS 2019, 7840)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7840

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