Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2023, Az. 4 StR 238/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8992

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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. November 2022, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

2

Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge ‒ die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] bereits unzulässig ‒ zur Aufhebung des [X.]. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

Der Senat lässt offen, ob die Feststellungen hinreichend belegen, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB nF vorliegt, also eine Substanzkonsumstörung besteht, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Jedenfalls hat das Tatgericht beweiswürdigend nicht tragfähig belegt, dass die [X.] „überwiegend“ auf den Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Amphetamin zurückzuführen sind.

5

a) Nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des am 1. Oktober 2023 in [X.] getretenen Gesetzes zur Überarbeitung des [X.] ‒ Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ‒ vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203), die der Senat in Ermangelung einer Übergangsregelung gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO anzuwenden hat, muss die [X.] „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. „Überwiegend“ ursächlich ist der Hang für die [X.] nur dann, „wenn dieser mehr als andere Ursachen für die Begehung der Tat ausschlaggebend war“ (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 69). Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat(en) nur noch aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht ‒ gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung ‒ positiv festzustellen (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 70 f.).

6

b) Zwar hat das [X.], das die Frage des symptomatischen Zusammenhangs auf der Grundlage der früheren Rechtslage beurteilt und Mitursächlichkeit als ausreichend angesehen hat, festgehalten, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten „zumindest überwiegend“ um „Beschaffungskriminalität“ handele. Diese tatgerichtliche Wertung ist beweiswürdigend jedoch auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht belegt. Die in den Urteilsgründen wiedergegebene Einlassung des Angeklagten, die verfahrensgegenständlichen Taten „jedenfalls auch“ begangen zu haben, um aus dem Verkauf des [X.] Amphetamin kaufen zu können, belegt allenfalls eine Mitursächlichkeit des Hangs. Auch die im Rahmen der Begründung gewerbsmäßigen Handelns angestellte Erwägung, der zeitnah einschlägig vorbestrafte Angeklagte habe die verfahrensgegenständlichen Taten „gezielt zur Aufbesserung seines Einkommens“ begangen, vermag die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs nicht zu stützen.

7

2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des [X.]. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen insgesamt auf, um dem Tatgericht eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen. Über den [X.] muss daher insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.

[X.]     

      

Bartel     

      

Rommel

      

Maatsch     

      

Marks     

      

Meta

4 StR 238/23

11.10.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 24. November 2022, Az: 52 KLs 19/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2023, Az. 4 StR 238/23 (REWIS RS 2023, 8992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8992

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