Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 336/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 2834

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Gegenstand

Fleischkontrolleure - Arbeitszeit - Bedarfsarbeitsverhältnis


Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. April 2011 - 13 [X.] 1393/10 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger nur nach Arbeitsanfall beschäftigt werden müssen oder ob im Jahresdurchschnitt eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von 39 Stunden vereinbart ist.

2

           

Die Kläger sind seit dem [X.] (Kläger zu 1. und zu 3.), dem Jahr 2000 (Kläger zu 2.) und dem [X.] (Kläger zu 4.) für den [X.]n als Fleischkontrolleure tätig. Ihre Arbeitsverträge enthalten folgende Regelung:

        

„§ 2   

        
        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom [X.] und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen.

        
                          
        

§ 3     

        
        

Die Beschäftigung erfolgt nach Bedarf in verschiedenen Schlachtbetrieben im [X.] Die Arbeitszeit richtet sich nach der [X.] unter Berücksichtigung des jeweiligen [X.].“

        

3

Der arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969 ([X.]) ist zum 1. September 2008 außer [X.] getreten. Er regelte in § 11a eine Arbeitszeit nach Arbeitsanfall, aber keine Mindestarbeitszeit. Seit dem 1. September 2008 ist der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der [X.] vom 15. September 2008 (TV [X.]) in [X.]. Er gilt nach § 1 Abs. 1 für nicht vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und regelt zur Arbeitszeit Folgendes:

        

„§ 5   

        

Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit der/des Beschäftigten richtet sich nach dem Arbeitsanfall und wird vom Arbeitgeber geregelt. Ist die/der Beschäftigte verhindert, ihre/seine Arbeit aufzunehmen, hat sie/er dies dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.

                 
        

§ 6     

        

Besondere Regelungen zur Arbeitszeit in Großbetrieben

        

(1)     

In Großbetrieben werden die Beschäftigten durchschnittlich wöchentlich zehn Stunden zur Arbeit herangezogen, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist. Die/Der Beschäftigte ist in diesem Umfang zur Arbeitsaufnahme verpflichtet, wenn der Arbeitgeber dies dem Beschäftigten mindestens zwei Tage vorher und die Uhrzeit der Arbeitsaufnahme am Vortag spätestens bis 15:00 Uhr mitgeteilt hat. Die tägliche Arbeitszeit hat an solchen Einsatztagen mindestens zwei Stunden zu betragen. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zulegen. Der Arbeitgeber ist ferner berechtigt, bis zu 25 v. H. der Arbeitszeit nach Satz 1 zusätzlich abzurufen. Darüber hinaus ist eine weitere Heranziehung im Einvernehmen mit der/dem Beschäftigten nach § 5 jederzeit möglich. Die möglichst gleichmäßige Heranziehung zur Arbeitsleistung wird vom Arbeitgeber geregelt. § 5 Satz 2 findet Anwendung.

        

...“   

        

4

Der [X.] setzte die Kläger in der Vergangenheit teilweise mit wöchentlich mehr als 39 Stunden ein. Die Arbeitszeiten wurden in Arbeitszeitkonten erfasst, der [X.] zahlte bis zum 31. Dezember 2009 ein verstetigtes monatliches Gehalt auf Grundlage von 169,60 Stunden. Ende des Jahres 2006 wiesen die Arbeitszeitkonten der Kläger zwischen 361 und 692 nicht ausgezahlte Arbeitsstunden auf. Nach Einstellung weiterer Fleischkontrolleure setzte der [X.] die Kläger seit dem [X.] in geringerem Umfang ein, sodass die Arbeitszeitkonten weitgehend abgebaut wurden. Seit dem 1. Januar 2010 erfolgt die monatliche Abrechnung auf Basis der jeweils geleisteten Stunden.

5

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Arbeitsverhältnisse hätten sich nach der Vertragspraxis und dem Umfang der Heranziehung zur Arbeit dahin gehend verändert, dass eine Mindestarbeitszeit von wöchentlich 39 Stunden im Jahresdurchschnitt Vertragsbestandteil geworden sei.

6

Die Kläger haben zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Arbeitsverhältnisse der Kläger mit dem [X.]n ab dem 1. Januar 2010 mit einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 39 Stunden im Jahresdurchschnitt fortbestehen.

7

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, die Parteien hätten [X.] begründet. Einsatzzeiten unterhalb der Grenze einer Vollzeitbeschäftigung seien deshalb zulässig.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt der [X.] die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung hat die Klage keinen Erfolg. Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Die Klage ist als Elementenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. [X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 779/10 - Rn. 22; 19. Oktober 2011 - 4 [X.] 811/09 - Rn. 13, [X.] 2011, 2783 ). Die Parteien streiten über eine wöchentliche Mindestarbeitszeit und damit über den Umfang der vereinbarten Arbeitspflicht. Die Kläger haben ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die angestrebte Entscheidung ist geeignet, den Konflikt der Parteien über den Umfang der vereinbarten Arbeitszeit zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden (vgl. [X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] 535/04 - Rn. 15, [X.]E 116, 267).

II. Ob die Klage begründet und eine Mindestarbeitszeit von 39 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt Vertragsinhalt geworden ist, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden. Mit der Begründung des [X.]s kann der Klage nicht stattgegeben werden.

1. Die Parteien haben bei Begründung ihrer Arbeitsverhältnisse keine Mindestarbeitszeit vereinbart, sondern ein Bedarfsarbeitsverhältnis auf Grundlage des [X.][X.] begründet. Dieser Tarifvertrag sollte den Besonderheiten einer Berufsgruppe im Verhältnis zu den sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst Rechnung tragen (vgl. zum [X.][X.]: [X.] 26. August 1997 - 3 [X.] 183/96 - zu II 3 b bb der Gründe, [X.] BGB § 611 Fleischbeschauer-Dienstverhältnis Nr. 20 = EzA [X.] § 1 Gleichbehandlung Nr. 13). Regelmäßig handelt es sich bei dieser Berufsgruppe um Teilzeitbeschäftigte, die neben ihrer Tätigkeit für den öffentlichen Dienstherrn einer weiteren Tätigkeit nachgehen; nach § 9 [X.][X.] wird das Recht, eine sonstige berufliche Tätigkeit auszuüben, durch das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht berührt. Nach § 11a [X.][X.] richtet sich die Arbeitszeit des [X.]estellten nach dem Arbeitsanfall, der Arbeitgeber ist nur verpflichtet, in Großbetrieben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung zur Arbeit zu regeln. Der [X.]estellte ist nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung aufzunehmen, er hat nach § 11a Satz 3 [X.][X.] eine Verhinderung nur unverzüglich anzuzeigen. Eine unbedingte Verpflichtung zur Arbeitsleistung verbunden mit der Gefahr, sich bei deren Verletzung Schadensersatzansprüchen auszusetzen, besteht nach diesen tariflichen Regelungen nicht ([X.] 26. August 1997 - 3 [X.] 183/96 - aaO).

2. Mit der Ersetzung des [X.][X.] durch den [X.] zum 1. September 2008 ist, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, dieser Tarifvertrag Vertragsbestandteil geworden. Wegen des Fehlens einer Tarifsukzessionsklausel im Arbeitsvertrag ergibt sich dies entweder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. [X.] 23. März 2011 - 10 [X.] 831/09 - Rn. 19 ff., [X.] TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 21 ff., [X.] TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44) oder aus einer ergänzenden (konkludenten) Vereinbarung der Parteien, da die materiellen Regelungen des [X.] auf die Arbeitsverhältnisse angewendet wurden. Auch der [X.] bestimmt nach § 5 (Arbeitszeit), dass sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall richtet, er regelt aber abweichend hiervon in § 6 (Besondere Regelungen zur Arbeitszeit in Großbetrieben), dass die Beschäftigten durchschnittlich wöchentlich zehn Stunden zur Arbeit herangezogen werden, sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist; nach § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist der Beschäftigte nach näherer tariflicher Maßgabe in diesem Umfang zur Arbeitsaufnahme verpflichtet. Allein durch Unterstellung der Arbeitsverhältnisse unter den [X.] hat sich an der [X.] der Kläger im Hinblick auf die geltend gemachte Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit von 39 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt nichts geändert.

3. Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass [X.] sich, ohne dass ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren ([X.] 17. August 2011 - 10 [X.] 202/10 - Rn. 19 mwN, [X.] § 106 Nr. 9). Eine Konkretisierung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Wege stillschweigender Vertragsergänzung setzt voraus, dass über den bloßen [X.]ablauf hinaus Umstände vorliegen, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf Beibehaltung des bisherigen [X.] für die Zukunft begründen ([X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] 535/04 - Rn. 17, [X.]E 116, 267). Dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber - auch längere [X.] - unter deutlicher Überschreitung einer vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, ergibt für sich genommen noch keine Vertragsänderung. Bei dem Arbeitseinsatz handelt es sich um ein tatsächliches Verhalten, dem nicht notwendig ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt. Vielmehr ist auf die Absprachen abzustellen, die dem erhöhten Arbeitseinsatz zugrunde liegen. Dazu zählen auch die betrieblichen Anforderungen, die vom Arbeitgeber gestellt und vom Arbeitnehmer akzeptiert werden. Ohne derartige zumindest konkludente Erklärungen des Arbeitgebers ist der konkrete Arbeitseinsatz nicht denkbar, es sei denn, der Arbeitnehmer arbeitet eigenmächtig. Die Annahme einer dauerhaften Vertragsänderung mit einer erhöhten regelmäßigen Arbeitszeit setzt die Feststellung entsprechender Erklärungen der Parteien voraus. Dafür kann neben anderen Umständen von Bedeutung sein, um welche Art von Arbeit es sich handelt, wie sie in die betrieblichen Abläufe integriert ist und in welcher Weise die Arbeitszeit hinsichtlich Dauer und Lage geregelt bzw. ausgedehnt wird. In diesem Sinne kann für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt werden ([X.] 25. April 2007 - 5 [X.] 504/06 - Rn. 12, [X.] BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20).

4. Das [X.] hat wegen des Umfangs der Heranziehung der Kläger zu Arbeitsleistungen in der Vergangenheit, der Jahressalden der Arbeitszeitkonten seit 2007 und der Zahlung eines verstetigten [X.] auf Grundlage von 169,60 Stunden die konkludente Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich im Jahresdurchschnitt angenommen. Entscheidend sei, dass nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] die arbeitsvertragliche Arbeitszeitregelung gegenüber der dort normierten wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden vorrangig sei. Dem folgt der Senat nicht. Diese Feststellungen erlauben nicht den Schluss auf eine einvernehmliche Vertragsänderung.

a) Es liegt nahe, die vom [X.] vorgenommene Auslegung des gleichförmigen Abruf- und [X.] des [X.]n im Hinblick auf den darin liegenden rechtsgeschäftlichen Erklärungswert revisionsrechtlich nach den Regeln über typische Willenserklärungen zu überprüfen. Aber auch einer revisionsrechtlich nur eingeschränkten Überprüfung, ob die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt worden sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sein können, außer Betracht gelassen worden sind (st. Rspr., [X.] 17. Mai 2011 - 9 [X.] 189/10 - Rn. 26, [X.] [X.] § 7 Nr. 51 = EzA [X.] § 7 Nr. 124; 22. Oktober 2008 - 10 [X.] 617/07 - Rn. 21, [X.] HGB § 74 Nr. 82 = EzA HGB § 74 Nr. 70), hält die Auslegung des [X.]s nicht stand.

b) Dem [X.] ist darin zuzustimmen, dass in dem Abrechnungsverhalten des [X.]n grundsätzlich ein Indiz für eine weitergehende vertragliche Bindung als im Rahmen eines reinen [X.]s liegen kann. Eine verstetigte Vergütung führt im Gegensatz zu einer Abrechnung nach geleisteten Stunden zu größerer Planungssicherheit der Beschäftigten und ist geeignet, diesbezüglich Vertrauen zu begründen. Dies gilt umso mehr, als tariflich nach § 12 Abs. 5 [X.][X.] für die Berechnung der Vergütung die innerhalb eines Kalendermonats geleistete Arbeitszeit zusammenzurechnen ist. Der [X.] hat die zustehende Vergütung aber stets auf Grundlage des [X.][X.] und des [X.] berechnet und eine gegenüber dem [X.] erhöhte Vergütung gezahlt, während er auf die Arbeitsverhältnisse vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer den [X.] angewendet hat. Der [X.] wollte sich damit grundsätzlich im Rahmen des jeweils anwendbaren Tarifrechts bewegen; aus dem Abrechnungsverhalten allein ist ein Rückschluss auf eine Vertragsänderung im Hinblick auf eine an den [X.] angelehnte Mindestarbeitszeit von 39 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt deshalb nicht möglich.

c) Auch in dem Umfang der Heranziehung zur Arbeit kann ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt liegen. Allein daraus, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber - auch längere [X.] - unter deutlicher Überschreitung einer vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, ergibt sich aber keine Vertragsänderung ([X.] 25. April 2007 - 5 [X.] 504/06 - Rn. 12, [X.] BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20). Der Arbeitseinsatz ist ein tatsächliches Verhalten, dem nicht notwendig ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt. Mit den Klägern war eine bestimmte Arbeitszeit im Rahmen ihrer [X.] auch nicht vereinbart. Aus dem Abrufverhalten des [X.]n konnten die Kläger deshalb grundsätzlich nur auf einen hohen Bedarf an ihrer Arbeitsleistung, nicht aber auf die Vereinbarung einer bestimmten Mindestarbeitszeit schließen.

Eine Auslegung des Abrufverhaltens des [X.]n ist auch deshalb nicht möglich, weil konkrete Feststellungen fehlen. Soweit das [X.] seiner Auslegung die Entwicklung der Arbeitszeitkonten seit dem [X.] zugrunde gelegt hat, hat es verkannt, dass die Kläger in dieser [X.]panne mit weniger als 39 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt beschäftigt worden sind. Das Abrufverhalten seit dem [X.] stützt das Klagebegehren nicht.

d) Rechtsfehlerhaft ist auch, dass das [X.] „entscheidend“ für seine Auslegung darauf abgestellt hat, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausdrücklich den Vorrang der arbeitsvertraglichen Arbeitszeitregelung bestimmt. Diese Norm regelt zwar erstmalig eine tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer (Kom[X.]/Litschen § 6 [X.] Rn. 1); sie kann aber im Rahmen der geltend gemachten (konkludenten) Vertragsänderung nicht als Argument herangezogen werden, weil die Kläger zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] bereits mit einer geringeren durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit als mit der Klage geltend gemacht, beschäftigt wurden.

5. Die Feststellungen des [X.]s lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu. Den Klägern ist Gelegenheit zu geben, ergänzenden Vortrag zu halten. Es bedarf der Darlegung der konkreten Entwicklung des Abrufverhaltens des [X.]n vor dem [X.] sowie in diesem Zusammenhang der Darlegung etwaiger Absprachen, die dem erhöhten Arbeitseinsatz zugrunde gelegen haben. Rückschlüsse auf die begehrte Rechtsfolge können sich daraus ergeben, inwieweit die Arbeitsverhältnisse in der täglichen Praxis tatsächlich als Bedarfs- oder doch als Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse gelebt wurden (Umgang mit Verhinderungsanzeigen der Kläger; Bindung an Dienstpläne). Eine ständig erbrachte [X.] könnte als konkludent vereinbart angesehen werden, wenn der [X.] die Arbeitsleistung nicht nur abgerufen und erwartet, sondern von den Klägern als vertraglich geschuldete Leistung gefordert hat. Auch sonstige Erklärungen oder Verhaltensweisen des [X.]n können schutzwürdiges Vertrauen begründet haben und den Schluss auf einen Erklärungswert erlauben, dass die Arbeitsverhältnisse nicht als [X.], sondern mit einer Mindestarbeitszeit von 39 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt fortgesetzt werden sollten.

6. Erlauben die weiteren Feststellungen keinen Schluss auf die konkludente Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit, folgt daraus nicht, dass der [X.] künftig über die Heranziehung der Kläger zur Arbeit frei entscheiden kann. Mit der gelebten Vertragspraxis hat der [X.] ein berechtigtes schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf fortgesetzte Beschäftigung im bisherigen Umfang begründet, welches bei der gebotenen Ausübung billigen Ermessens im Rahmen der Heranziehung der Kläger zu berücksichtigen ist.

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    [X.]    

        

        

Meta

10 AZR 336/11

26.09.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 10. August 2010, Az: 1 Ca 54/10, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 336/11 (REWIS RS 2012, 2834)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2834

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 653/20

17 Sa 1203/20

17 Sa 1116/20

7 Sa 313/15

7 Sa 233/15

17 Sa 1660/12

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