Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.09.2015, Az. XII ZB 132/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5962

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 132/15

vom

2. September
2015

in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 61 Abs. 1
a)
Wird der Unterhaltsschuldner erstinstanzlich zur Vorlage von Einkommensteuer-erklärungen verpflichtet, deren Nichtexistenz er behauptet, so ist zur Bemessung seiner Beschwer durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht ihn zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es
gegebenenfalls irrig
von deren Exis-tenz ausgegangen ist. Nur im ersten Fall erhöht der für die Erstellung erforderli-che Aufwand an [X.] und Kosten den [X.] (im [X.] an [X.] vom 27.
November 1991
XII
[X.]
102/91
FamRZ 1992, 425 und an Senatsurteil vom 18.
Oktober 1989
IVb
ZR
86/88
s).
b)
Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Unterhaltsschuldner zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung ge-richtet, erhöht sich die Beschwer regelmäßig um die mit der Abwehr
einer inso-weit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (im [X.] an Senatsbeschluss vom 11.
Juli 2012
XII
[X.]
354/11
mRZ
2012, 1555).
BGH, Beschluss vom 2. September 2015 -
XII [X.] 132/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
2. September 2015
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.] Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Be-schluss des 15.
Zivilsenats

Senat für Familiensachen

des
Ober-landesgerichts [X.] vom 2.
März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
Wert: bis 1.000

Gründe:
I.
Die Antragstellerin macht gegen ihren früheren Ehemann, den Antrags-gegner, nachehelichen Unterhalt geltend und nimmt ihn im Rahmen eines [X.] auf Auskunft über seine Einkünfte und auf Vorlage von Belegen in Anspruch.
Das Amtsgericht hat dem Antrag in vollem Umfang stattgegeben
und da-bei den Antragsgegner unter anderem verpflichtet, seine [X.]
für die Jahre
2011 und 2012 nebst allen gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen hierzu vorzulegen.
1
2
-
3
-
Die Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht als [X.] verworfen, weil der erforderliche Wert des [X.] nicht erreicht sei. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der Rechtsbe-schwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG i.V.m. §§
522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts

574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Der angefochtene Be-schluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Ge-währung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechts-staatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sach-gründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23.
Januar 2013

XII
[X.]
167/11
mRZ 2013, 1117 Rn.
4 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Wert
des [X.] übersteige nicht den Betrag von 600

bemesse sich nach dem Aufwand an [X.] und Kosten, der erforderlich sei, um die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft zu ermöglichen. Der Antragsgegner sei nicht verpflichtet, etwaige Belege erst zu erstellen. Soweit er eine Steuererklärung für die [X.] und 2012 bislang nicht abgegeben ha-3
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-
4
-
be, sei er hierzu im vorliegenden Verfahren nicht verpflichtet. Die Kosten für die Erstellung einer solchen Steuererklärung könnten daher bei der Bemessung des [X.]s nicht berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihn im Vollstreckungsverfahren zur Erstellung der Steuerer-klärungen drängen könnte und dadurch gesonderte Anwaltskosten entstehen könnten, seien nicht vorgetragen und angesichts der Möglichkeit, vom Finanz-amt eine Bescheinigung über die Nichterstellung der Steuererklärungen beizu-bringen, auch anderweitig nicht ersichtlich.
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde
allerdings, das Beschwer-degericht habe übersehen, dass das Amtsgericht die Verpflichtung zur Vorlage der Steuererklärungen ausdrücklich tenoriert und der Antragsgegner im Be-schwerdeverfahren
darauf auch hingewiesen habe.
Die behauptete Verletzung des Rechts des Antragsgegners auf Gewäh-rung rechtlichen Gehörs gemäß Art.
103 Abs.
1 GG
liegt nicht vor.
Das [X.] hat die entsprechende Tenorierung nicht nur zitiert, sondern sich mit
ihr auch auseinandergesetzt, und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner
durch die Entscheidung des Amtsgerichts
gleichwohl nicht zur Erstellung der Steuererklärungen verpflichtet werde. Der Einwand ist mithin zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Dies genügt Art.
103 Abs.
1 GG. Ein Recht darauf, dass das Gericht einer bestimmten Rechtsauffassung folgt, vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör hingegen nicht.
bb) Die Rechtsauffassung des [X.], der gemäß §
61 Abs.
1 FamFG erforderliche Wert des [X.] sei nicht er-reicht, ist gleichwohl rechtlich zu beanstanden.
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5
-
(1) Der [X.] enthält die Verpflichtung zur Vorlage von Einkommensteuererklärungen, für die der Antragsgegner geltend gemacht hat, sie seien noch nicht erstellt. Zur Bemessung der Beschwer ist [X.] durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht den Unterhaltsschuldner bei Nichtexistenz der Erklärungen zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es

gegebenenfalls irrig

von deren Existenz ausgegangen ist. Nur im [X.] Fall erhöht der für die Erstellung erforderliche Aufwand an [X.] und Kosten (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 11.
März 2015

XII
[X.]
317/14

FamRZ 2015, 838 Rn.
13
ff.)
den [X.]. Im zweiten Fall hat er hingegen außer
Betracht zu bleiben; werterhöhend kann sich dann lediglich auswirken, wenn der Verpflichtete gewärtigen muss, auf die Erfüllung der insoweit un-
möglichen Leistung in Anspruch genommen zu werden und sich hiergegen
zur Wehr setzen zu müssen
(vgl. Senatsbeschluss vom 27.
November 1991

XII
[X.]
102/91

FamRZ 1992, 425, 426
und Senatsurteil vom 18.
Oktober 1989

IVb
ZR
86/88

juris Rn.
7).
(2) Das Beschwerdegericht ist, wie sich aus der Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 27.
November 1991 ergibt, vom zweiten Fall ausgegan-gen. Es hat den Beschluss des Amtsgerichts dahin ausgelegt, dass der [X.] nicht zur Erstellung von noch nicht existenten [X.] verpflichtet werden sollte, sondern das Amtsgericht vielmehr von de-ren Existenz ausgegangen ist. Die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts. Für die Richtigkeit der Annahme des [X.]s spricht
im Übrigen, dass das Vorhandensein
der entsprechenden Steuererklärungen in der ersten Instanz nicht streitig war.
Für das Amtsgericht bestand daher weder Veranlas-sung dazu, die Existenz der vorzulegenden Schriftstücke in Zweifel zu ziehen, noch ein Grund dafür, den Antragsgegner zu deren Erstellung zu verpflichten.

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-
6
-
Nachdem der Antragsgegner durch den amtsgerichtlichen Beschluss nicht verpflichtet worden ist, noch nicht existente Steuererklärungen anzuferti-gen, sind auch keine darauf bezogenen Kosten bei der Bemessung des [X.] zu berücksichtigen. [X.] kann demnach auch, dass weder in der Rechtsbeschwerde noch in dem Schriftsatz des Antragsgegnerver-treters an das [X.] vom 12.
Dezember 2014 ausreichende Um-stände bezeichnet sind, weshalb insoweit abweichend vom Regelfall (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 11.
März
2015

XII
[X.]
317/14

FamRZ 2015, 838 Rn.
14) auf die durch die Hinzuziehung eines Steuerberaters entstehenden Kosten abzustellen sein soll. Die hierzu angeführte Trennung der Eheleute [X.] dies für sich genommen ebenso wenig wie die weiter genannten "[X.] rund um das gemeinsame Kind".
(3) Zu Unrecht hat es das Beschwerdegericht jedoch
abgelehnt, Kosten für die (teilweise) Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Beschluss bei der Bemessung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen.
Zwar kann die vom Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung wegen des ihm hierbei eingeräumten Ermessensspielraums im Rechtsbeschwerdeverfah-ren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 11.
März 2015

XII
[X.]
317/14
FamRZ 2015, 838 Rn.
11 und vom 2.
April 2014

XII
[X.]
486/12

FamRZ 2014, 1012 Rn.
11
f.). Dies ist hier aber der Fall.
Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Unterhaltsschuldner zur
Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, erhöht sich die Beschwer nach der ständigen Rechtspre-chung des Senats um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung
verbundenen Kosten. Denn im maßgeblichen [X.]punkt 15
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7
-
der Beschwerdeeinlegung muss der Unterhaltsschuldner gewärtigen, dass er in vollem Umfang aus dem erstinstanzlichen Titel in Anspruch genommen wird und sich hiergegen zur
Wehr setzen muss
(vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Juli 2012

XII
[X.]
354/11

FamRZ
2012, 1555 Rn.
17; Senatsurteile
vom 10.
De-zember 2008

XII
ZR
108/05

FamRZ 2009, 495 Rn.
12
ff.; vom 11.
Juli 2001

XII
ZR
14/00

FamRZ 2002, 666, 667
und vom 18.
Dezember 1991

XII
ZR
79/91

FamRZ 1992, 535, 536; Senatsbeschlüsse vom 24.
Juni 1992

XII
[X.]
56/92

FamRZ 1993, 45, 46 und
vom 27.
November 1991

XII
[X.]
102/91

FamRZ 1992, 425, 426).
Wie das Beschwerdegericht noch zutreffend gesehen
hat, ist die Be-schlussformel
des Amtsgerichts bei Zugrundelegung der Auslegung des [X.]s und des Vorbringens des Antragsgegners auf eine unmögli-che Leistung gerichtet, soweit sie
die Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 anbelangt. Für seine Annahme, der Antragsgegner müsse insoweit keine Vollstreckung gewärtigen, fehlt es aber an einer tragfähigen Grundlage. [X.] bedurfte es hierfür keiner vom Antragsgegner vorzutragender Anhalts-punkte. Die Gefahr, aus einem Vollstreckungstitel in Anspruch genommen
zu werden, folgt grundsätzlich aus der Existenz des Titels selbst. Die vom [X.] angeführte Bescheinigung des Finanzamts über die Nichtein-reichung der Steuererklärungen führt nicht dazu, dass dem Antragsgegner in einem Vollstreckungsverfahren keine Rechtsanwaltskosten entstehen würden. Denn mit einer solchen Bescheinigung wäre allenfalls belegbar, dass die Steu-ererklärungen bislang nicht erstellt sind. Dem Antragsgegner könnte jedoch
nicht versagt werden, sich eines Rechtsanwalts zu
bedienen, um geltend zu machen, dass der Auskunftstitel bei zutreffender
Auslegung nicht die Verpflich-tung enthält, noch nicht existente Steuererklärungen zu erstellen. Nur dann aber könnte er insoweit mit dem Einwand der Unmöglichkeit durchdringen.
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-
(4) Nachdem das Beschwerdegericht den Verfahrenswert ohne nähere Begründung schon ohne Berücksichtigung und damit auch ohne Ermittlung der Kosten einer (teilweisen) Vollstreckungsabwehr auf 500

festgesetzt
hat, ist nicht gänzlich auszuschließen, dass es bei einer neuerlichen Wertbemessung
zu einem 600

[X.] gelangt.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Dose

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.10.2014 -
20 [X.]/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.03.2015 -
15 UF 227/14 -

19

Meta

XII ZB 132/15

02.09.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.09.2015, Az. XII ZB 132/15 (REWIS RS 2015, 5962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5962

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

XII ZB 503/15

Zitiert

XII ZB 132/15

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