Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2011, Az. IV ZR 108/07

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5067

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Gegenstand

Kfz-Kaskoversicherung: Zu hohe Angabe vorhandener Fahrzeugschlüssel als Obliegenheitsverletzung


Leitsatz

In der Fahrzeugversicherung ist eine zu hohe Angabe vorhandener Fahrzeugschlüssel generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 28. März 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des behaupteten Diebstahls eines LKW aus einer Kfz-Kasko-Versicherung auf Zahlung von 41.225,90 € nebst Zinsen in Anspruch.

2

Er meldete das Fahrzeug am 6. März 2004 als gestohlen. Sowohl gegenüber der Polizei als auch in der schriftlichen Schadenanzeige an die Beklagte vom 11. März 2004 gab der Kläger an, dass es vier Schlüssel zu dem LKW gebe, und zwar je einen bei ihm, zwei Mitarbeitern und einen vierten Schlüssel in einem verschlossenen Werkzeugschrank im Büro der [X.]. Gegenüber der Polizei teilte er zusätzlich mit, überprüft zu haben, dass alle vier Schlüssel vorhanden seien.

3

An die Beklagte gelangten jedoch nur drei Schlüssel. Der Kläger behauptet nunmehr, dass es auch nur noch diese drei Schlüssel gebe, weil einer der Mitarbeiter ohne sein Wissen einen der beiden ursprünglichen Originalschlüssel nach Austausch des Zündschlosses im LKW entsorgt habe. Er habe irrtümlich angenommen, dass sich dieser Schlüssel noch im Werkzeugschrank befinde. Die Beklagte hält sich wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit für leistungsfrei.

4

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

5

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass dem Kläger zwar entgegen der Auffassung des [X.] der Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung gelungen sei. Die Beklagte sei jedoch gemäß § 7 I (2) Satz 3, [X.] (4) [X.] i.[X.].m. § 6 Abs. 3 [X.][X.]G leistungsfrei, weil der Kläger durch falsche Angaben zu den vorhandenen Fahrzeugschlüsseln eine vorsätzliche [X.]erletzung seiner Aufklärungsobliegenheit begangen habe.

8

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

9

1. Keine Bedenken bestehen dagegen, dass das Berufungsgericht in der objektiv falschen Angabe zur Anzahl der vorhandenen Schlüssel eine Obliegenheitsverletzung i.S. von § 7 I (2) Satz 3 [X.] gesehen hat. Die dem [X.]ersicherungsnehmer hiernach obliegende Aufklärung gebietet es, auf Fragen des [X.]ersicherers zutreffende Angaben zur Anzahl der Fahrzeugschlüssel zu machen. Rechtsfolge einer [X.]erletzung dieser Obliegenheit ist gemäß § 7 [X.] (4) [X.] Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 [X.][X.]G a.F.

Dass das Berufungsgericht die [X.]orsatzvermutung des § 6 Abs. 3 [X.][X.]G a.F. als nicht widerlegt angesehen hat, nimmt die Revision hin. [X.] erhebliche Bedenken gegen diese Annahme sind auch nicht ersichtlich.

2. [X.]on [X.] beeinflusst ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung des Senats der Leistungsfreiheit nicht entgegenstünden. Nach dieser Rechtsprechung setzt die Leistungsfreiheit des [X.]ersicherers im Falle einer zwar vorsätzlichen, aber folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung des [X.]ersicherungsnehmers ein erhebliches [X.]erschulden des [X.]ersicherungsnehmers, dessen ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung sowie deren generelle Eignung, die Interessen des [X.]ersicherers ernsthaft zu gefährden, voraus (Senatsurteile vom 28. Februar 2007 - I[X.] ZR 331/05, [X.]ersR 2007, 785 unter [X.]; vom 26. Januar 2005 - I[X.] ZR 239/03, [X.]ersR 2005, 493 unter 2 c; vom 21. Januar 1998 - I[X.] ZR 10/97, [X.]ersR 1998, 447 unter 2 b; weitere Nachweise siehe bei [X.] in [X.]/Langheid, [X.][X.]G 2. Aufl. § 6 Rn. 54 ff.; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.]G 27. Aufl. § 6 Rn. 101 und Stiefel/[X.], Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 6 [X.][X.]G Rn. 33 ff. und § 7 [X.] Rn. 88 ff.).

a) Diese [X.]oraussetzungen hat das Berufungsgericht im Ansatz noch zutreffend gesehen. Da es von einer Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung des [X.] ausgegangen ist, ist diese auch für das Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Zudem ist ein der Beklagten entstandener Nachteil durch die falsche Angabe nicht ersichtlich. Insbesondere sind die [X.] der Beklagten, ob tatsächlich ein [X.]ersicherungsfall vorgelegen hat, durch die unzutreffende Angabe des [X.] nicht beeinträchtigt worden.

b) Anders als bei zu niedriger Angabe der Anzahl der Schlüssel ist deren zu hohe Angabe - was das Berufungsgericht verkannt hat - in der Fahrzeugversicherung generell nicht geeignet, Interessen des [X.]ersicherers zu gefährden.

Denn in diesem Falle wird der [X.]ersicherer wegen des aus seiner Sicht fehlenden Schlüssels allenfalls dazu veranlasst werden, die Regulierung zurückzustellen, bis der [X.]erbleib des vermeintlich fehlenden Schlüssels geklärt ist. Dementsprechend hat hier die Beklagte mit Schreiben vom 14. April 2004 reagiert, indem sie den Kläger um ergänzende Stellungnahme bat.

Im Zusammenhang mit den Schlüsseln geht das Interesse des [X.]ersicherers bei einem gemeldeten [X.] regelmäßig dahin, alle vom Hersteller ausgelieferten und noch vorhandenen Fahrzeugschlüssel sachverständig untersuchen zu lassen, unter anderem darauf, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deutet und weitere Nachforschungen nach sich zieht. Ferner ist für den [X.]ersicherer generell wichtig, prüfen zu können, ob alle Schlüssel vorhanden sind, weil das Fehlen eines Schlüssels Hinweise darauf geben kann, dass dieser einem Dritten zur [X.]erfügung gestellt worden ist, damit er das Fahrzeug - zur [X.]ortäuschung eines Diebstahls - von seinem Standort verbringt (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2004 - I[X.] ZR 265/03, [X.]ersR 2004, 1117 unter 3). Ob alle Schlüssel vorhanden und gegebenenfalls einem Sachverständigen zur Untersuchung übergeben sind, kann der [X.]ersicherer aber nicht feststellen, wenn der [X.]ersicherungsnehmer ihm die Existenz eines oder mehrerer Schlüssel verschweigt, indem er deren Anzahl zu niedrig angibt. Durch die zu hohe Angabe gefährdet der [X.]ersicherungsnehmer dagegen allenfalls sein eigenes Interesse an einer schnellen Schadenregulierung.

3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwecks Klärung der vom Berufungsgericht bislang offen gelassenen Frage der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines nur vorgetäuschten Diebstahls an dieses zurückzuverweisen.

Dr. [X.][X.]                                           Felsch

                                 [X.]                            Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 108/07

06.07.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 28. März 2007, Az: 3 U 125/05, Urteil

§ 6 Abs 3 aF VVG, § 7 Abs 1 UAbs 2 S 3 AKB, § 7 Abs 5 UAbs 4 AKB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2011, Az. IV ZR 108/07 (REWIS RS 2011, 5067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5067

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IV ZR 108/07

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