Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.06.2023, Az. 7 B 25/22

7. Senat | REWIS RS 2023, 4715

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Gegenstand

Teilweise Erledigung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 5. Juli 2022 wird verworfen, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des für erledigt erklärten Teils des Berufungsverfahrens wendet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin wandte sich ursprünglich gegen mehrere Nebenbestimmungen zu einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen.

2

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Mehrzahl der angegriffenen Nebenbestimmungen übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte das Oberverwaltungsgericht das Verfahren insoweit ein und legte der Klägerin die Kosten des erledigten Teils auf.

3

Die Klägerin hat weiterhin die Nebenbestimmung unter IIIa.2.2 angefochten, die lautet:

"Mit der Bauausführung darf erst begonnen werden, wenn die Vermeidungs- und Ausgleichsflächen durch Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der [X.] (UNB) der Region H. rechtlich gesichert sind. Ein Nachweis über die Sicherung der betroffenen Flächen durch entsprechende Eintragungen im Grundbuch ist der UNB vorzulegen."

4

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass sich diese aufschiebende Bedingung erledigt habe, weil die dingliche Sicherung der Vermeidungs- und Ausgleichsflächen vor Inbetriebnahme der Windenergieanlagen nachgewiesen worden sei. Diese Nebenbestimmung könne mithin nicht mehr zulässiger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein. Die Vorinstanz hat das Klagebegehren sodann ergänzend dahin ausgelegt, dass sich die Anfechtung auch gegen die Regelung in [X.] richte, der lautet:

"Die Vermeidungs- und Ausgleichsflächen sind so lange zu erhalten und zu pflegen, wie die Beeinträchtigungen aus dem Eingriffsvorhaben andauern".

5

Das so verstandene Begehren hat die Vorinstanz als unbegründet angesehen. Rechtsgrundlage für die Forderung nach einer dinglichen Sicherung sei § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.], und zwar in entsprechender Anwendung auch bezogen auf Vermeidungsmaßnahmen.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

7

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig (1.) und im Übrigen unbegründet (2.).

8

1. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision begehrt, weil das Oberverwaltungsgericht ihr die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits auferlegt hat, ist die Beschwerde unstatthaft. Die Kostenentscheidung ist unanfechtbar.

9

Ist der Rechtsstreit nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt, stellt das Gericht in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Verfahren durch Beschluss ein. Nach § 161 Abs. 2 VwGO entscheidet es über die Kosten des Verfahrens ebenfalls durch Beschluss. Erledigt sich die Hauptsache nur teilweise, so ergeht insoweit kein gesonderter Beschluss. Vielmehr trifft das Gericht die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil der Hauptsache in dem Schlussurteil. Am Grundsatz der Unanfechtbarkeit ändert sich nichts, wenn das Gericht bei einer Teilerledigung der Hauptsache die in analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO und nach § 161 Abs. 2 VwGO gebotene Entscheidung in dem Urteil trifft, in dem es im Übrigen zur Sache Stellung nimmt. Denn die Erwägungen, von denen der Gesetzgeber sich bei dem in § 92 Abs. 3 Satz 2 und in § 158 Abs. 2 VwGO angeordneten Rechtsmittelausschluss hat leiten lassen, beanspruchen unabhängig davon Beachtung, ob sich die Hauptsache teilweise oder vollständig erledigt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 7. August 1998 - 4 [X.] - [X.] 310 § 161 VwGO Nr. 115 S. 18 f.; Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - juris Rn. 32 ).

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Abweisung des Anfechtungsantrags zur Nebenbestimmung IIIa.2.2 richtet, hat sie in der Sache keinen Erfolg.

Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 7).

Die Klägerin misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung bei:

Stellt § 15 Abs. 4 [X.], welcher systematisch Bestandteil der allgemeinen Eingriffsregelungen nach §§ 13 ff. [X.] ist, eine Rechtsgrundlage dar, welche die Behörde ermächtigt, eine rechtliche Sicherung von artenschutzrechtlichen Maßnahmen im Sinne der §§ 44 ff. [X.] anzuordnen?

Stellt § 15 Abs. 4 [X.], welcher ausdrücklich Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne der Eingriffsregelung regelt, auch hinsichtlich von artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahmen eine Rechtsgrundlage dar, welche - gegebenenfalls in analoger Anwendung - die Behörde ermächtigt, eine rechtliche Sicherung anzuordnen?

Zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Sicherungen auf Grundlage von § 15 Abs. 4 [X.]:

Stellt die Nebenbestimmung, nach der eine Dienstbarkeit zur Sicherung von Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der Behörde zu bestellen sei, eine verhältnismäßige rechtliche Sicherung im Sinne von § 15 Abs. 4 [X.] dar?

Sind die ersten beiden Fragen zu bejahen, stellt die Nebenbestimmung, nach der eine Dienstbarkeit zur Sicherung von Vermeidungsmaßnahmen zugunsten der Behörde zu bestellen sei, eine verhältnismäßige rechtliche Sicherung im Sinne von § 15 Abs. 4 [X.] dar?

a) Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision. Die Revisionszulassung setzt eine Rechtsfrage voraus, die für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich war ([X.], Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.22 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 10 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

Das Oberverwaltungsgericht hat tragend ausgeführt, dass die Klage gegen die Nebenbestimmung IIIa.2.2 wegen deren Erledigung unzulässig ist. Hiergegen hat die Beschwerde keinen Zulassungsgrund geltend gemacht.

Die von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen kommen in dem Berufungsurteil nur insoweit zum Tragen, als das Oberverwaltungsgericht zu ihren Gunsten davon ausgegangen ist, das Klagebegehren richte sich auch auf die Aufhebung der Nebenbestimmung [X.] Die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich des als unbegründet abgelehnten Klagebegehrens auf Aufhebung der Auflage [X.] ist von der Beschwerde jedoch nicht umfasst. Der Antrag beschränkt sich vielmehr ausdrücklich darauf, die Revision insoweit zuzulassen, als die Klage auf Aufhebung der Nebenbestimmung IIIa.2.2 abgewiesen wurde. Die grundsätzliche Bedeutung der von ihr formulierten Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren hat die Klägerin mithin nicht dargelegt.

b) Abgesehen davon lassen sich die aufgeworfenen Fragen ohne Weiteres im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunktes beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

§ 15 Abs. 4 Satz 1 [X.], wonach Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern sind, ist auch auf die Sicherung von artenschutzrechtlich nach §§ 44 ff. [X.] erforderlichen Schadensvermeidungsmaßnahmen anzuwenden. Die Regelung des besonderen Artenschutzes in § 44 Abs. 5 [X.] nimmt Bezug auf die allgemeine naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Diese bestimmt in § 13 [X.], dass erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vom Verursacher vorrangig zu vermeiden und nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu kompensieren sind. Zwar findet § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] ausdrücklich nur Anwendung auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb die Vorschrift nicht auch für unterhaltungsbedürftige Schadensvermeidungsmaßnahmen gelten sollte. Auch Vorkehrungen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen, z. B. Amphibienleiteinrichtungen, Querungshilfen etc., können einer regelmäßigen Unterhaltung und mithin einer rechtlichen Sicherung bedürfen (vgl. [X.]. 16/12274 S. 58). Das Oberverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Einbeziehung von Vermeidungsmaßnahmen lediglich um eine Klarstellung des § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] handelt. Dass die Vorschriften über Ausgleichsmaßnahmen auch im Rahmen des § 44 [X.] Anwendung finden können, folgt auch aus § 44 Abs. 5 Satz 3 [X.], wonach auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden können. Ob die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB zugunsten der Behörde verhältnismäßig ist, lässt sich nur im Einzelfall beantworten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Dabei wurde berücksichtigt, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstands beschränkt hat, dessen Wert vom Oberverwaltungsgericht, insbesondere unter Einbeziehung der im Beschwerdeverfahren nicht mehr gegenständlichen Abschaltanordnungen, mit insgesamt 55 000 € angesetzt wurde.

Meta

7 B 25/22

07.06.2023

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 5. Juli 2022, Az: 12 KS 147/21, Urteil

§ 92 Abs 3 S 1 VwGO, § 161 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.06.2023, Az. 7 B 25/22 (REWIS RS 2023, 4715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4715

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