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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2018:280318B2ARS50.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 50/18
2 AR 35/18
vom
28. März
2018
in der Gerichtsstandsbestimmungssache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Az.:
10 Ds 23 Js 7/13-30/13
Amtsgericht Marl
302 AR 3/18 Amtsgericht Nagold
56 AR 35/14 Amtsgericht
Marburg
72 AR 23/16 BewH Amtsgericht Norderstedt
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts am 28. März
2018
beschlossen:
Für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Straf-aussetzung zur Bewährung
der mit dem Urteil des Amts-
gerichts Marl vom 4.
Juni 2013 -
10 Ds 23 Js 7/13-30/13
verhängten Gesamtfreiheitsstrafe beziehen, ist das
Amtsgericht Nagold
zuständig.
Gründe:
Die Amtsgerichte Nagold (Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart), Marburg
(Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main) und Norderstedt (Bezirk des Oberlandesgerichts Schleswig) streiten um die Zuständigkeit für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewäh-rung der mit dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 4.
Juni 2013 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe beziehen.
I.
1.
Das Amtsgericht Marl verhängte mit Urteil vom 4.
Juni 2013 gegen den Verurteilten wegen Diebstahls, versuchten Diebstahls und Erschleichens von Leistungen in sieben Fällen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, 1
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deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und im weiteren Verlauf um ein Jahr verlängert. Nachdem das Amtsgericht Marl die Bewährungsaufsicht gemäß §
462a Abs.
2 StPO zunächst an das Amtsgericht Marburg abgegeben hatte, erklärte es mit Beschluss vom 4.
November 2014 die Rückübernahme der Bewährungsauf-sicht.
2.
Mit Urteil vom 8.
Dezember 2014 verhängte das Amtsgericht Marl ge-gen den Verurteilten wegen Diebstahls und Erschleichens von Leistungen in neun Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Die Tatzeit-punkte (31.
Januar 2014 bis 3.
April 2014) fielen in die vorbezeichnete Bewäh-rungszeit. Nach erfolgreicher Beendigung einer stationären Entziehungsthera-pie im Zeitraum vom 15.
Juni 2015 bis zum 14.
Dezember 2015 und einer we-gen dieser Therapie erfolgten Zurückstellung gemäß §
35 BtMG setzte das Amtsgericht Marl mit Beschluss vom 21.
April 2016 die weitere Vollstreckung der mit dem Urteil vom 8.
Dezember 2014 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß §
36 BtMG zur Bewährung aus. Die Dauer der Bewährungszeit in die-sem Verfahren wurde bis zum 8.
August 2018 bestimmt.
Mit Beschluss vom 15.
August 2016 übertrug das Amtsgericht Marl die Bewährungsaufsicht in vorliegender Sache gemäß §
462a Abs.
2 StPO auf das Amtsgericht Norderstedt, wo der Verurteilte nach dem Abschluss der stationä-ren Entziehung wohnte.
3.
Am 14.
Dezember 2016 verhängte das Amtsgericht Marburg gegen den Verurteilten wegen Erschleichens von Leistungen in neun Fällen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewäh-rung aussetzte. Der Zeitpunkt der letzten dort abgeurteilten Tat ist der 3
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12.
August 2014. Die Dauer der Bewährungszeit wurde zunächst bis zum 13.
Dezember 2020 festgesetzt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts
Marburg vom 8.
Mai 2017 wurde aus den mit den Urteilen des Amtsgerichts Marl vom 8.
Dezember 2014 und des Amtsgerichts Marburg vom 14.
Dezember 2016 verhängten Strafen unter Auflö-sung der jeweils verhängten Gesamtstrafen eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewäh-rung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit dauert bis zum 15.
Juni 2021. Die Bewährungsaufsicht wurde zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses (16.
Juni 2017) an das Amtsgericht Nagold gemäß §
462a Abs.
2 Satz
2 StPO abgegeben. Nach Auskunft der Be-währungshelferin befand sich der Verurteilte nach der Beendigung der stationä-ren
Entwöhnungstherapie in einer Adaption in
E.
(Amtsgerichts-
bezirk Nagold); er beabsichtige zudem, sich eine Wohnung im süddeutschen Raum zu suchen, zumal er die Wohnung in N.
zum 1.
August 2017
gekündigt habe.
4.
Mit Verfügung vom 21.
August 2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Essen beim Amtsgericht Norderstedt die Verlängerung der Bewährungszeit, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 4.
Juni 2013 bezieht, um ein Jahr und
sechs Monate im Hinblick auf die Verurteilungen durch das Amtsgericht Recklinghausen vom 24.
Februar 2014 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Tatzeitpunkt: 28.
Januar 2014) und durch das Amtsgericht Marburg vom 14.
Dezember 2016. Das Amtsgericht Norderstedt stellte mit Verfügung vom 26.
September 2017 den Übergang der Bewährungsaufsicht auf das Amtsgericht Marburg fest und legte diesem das Bewährungsheft vor. Das Amtsgericht Marburg übersandte 6
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das eingegangene Bewährungsheft zunächst an die Staatsanwaltschaft Essen, die den Antrag auf Verlängerung der Bewährungszeit beim Amtsgericht Mar-burg wiederholte. Dieses wies mit Schreiben vom 27.
Dezember 2017 auf die Abgabe der Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht Nagold hin und teilte mit, dass eine Zuständigkeit für das vorliegende Verfahren nicht ersichtlich sei. Auf den daraufhin mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Essen vom 3.
Januar 2018 beim Amtsgericht Nagold wiederholten Antrag auf Verlängerung der Bewäh-rungszeit teilte dieses mit, dass die Bewährungsaufsicht im vorliegenden Ver-fahren nicht an das Amtsgericht Nagold abgegeben worden sei. Daraufhin wie-derholte die Staatsanwaltschaft Essen mit Verfügung vom 17.
Januar 2018 beim Amtsgericht Norderstedt den Antrag auf Verlängerung der Bewährungs-zeit.
Das Amtsgericht Norderstedt hat sich mit Beschluss vom 25.
Januar 2018 für die Überwachung der Bewährung hinsichtlich der mit Urteil des Amts-gerichts Marl vom 4.
Juni 2013 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung für unzuständig erklärt und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1.
Als gemeinschaftliches oberes Gericht nach §
14 StPO ist der Bun-desgerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.
2.
Zuständig für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung der mit dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 4.
Juni 2013 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe beziehen, ist gemäß §§
453, 462a Abs.
4 Satz
1 und 2 i.V.m. Abs.
3 Satz
2 StPO das Amtsgericht Nagold.
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a)
Die durch das Amtsgericht Marl mit Urteil vom 8.
Dezember 2014 ver-hängte und mit Beschluss vom 21.
April 2016 zur Bewährung ausgesetzte Ge-samtfreiheitsstrafe hat durch den Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Marburg vom 8.
Mai 2017 ihre Grundlage verloren, da sie in der neu gebildeten Gesamtstrafe aufgegangen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3.
April 2002
2
ARs 95/02, BGH bei Becker, NStZ-RR 2003, 97, 103 mwN; Löwe-Rosenberg/Graalmann-Scheerer, StPO, 26.
Aufl., §
462a Rn.
75). Die Zustän-digkeit für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung der mit dem Beschluss vom 8.
Mai 2017 verhängten Gesamt-freiheitsstrafe beziehen, oblag demnach zunächst dem Amtsgericht Marburg.
b)
Mit der sodann durch das Amtsgericht Marburg erfolgten wirksamen Übertragung der Bewährungsaufsicht an das Wohnsitzgericht (§
462a Abs.
2 Satz
2 StPO) wurde das Amtsgericht Nagold nicht nur zuständig für die nach-träglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung der mit dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Marburg vom 8.
Mai 2017 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe beziehen, sondern auch für die übrigen der Konzentrationswirkung unterfallenden Verfahren (BGH, Beschluss vom 8.
November 2000
2
ARs 299/00, BGHR
StPO §
462a Abs.
4 Bewährungs-aufsicht
2; Löwe-Rosenberg/Graalmann-Scheerer, aaO, §
462a Rn.
72 mwN), mithin auch für die Bewährungsaufsicht aus dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 4.
Juni 2013.
c)
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 16.
Februar 2018 u.a. sodann zutreffend ausgeführt:
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t-gegen, dass die Bewährungszeit zur Erlangung eines Straferlas-ses aus dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 4.
Juni 2013 seit dem 4.
Juni 2017 abgelaufen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8.
Juni 1998
2
ARs 188/98, NStZ 1998, 586). Die Zuständigkeit be-stimmt sich erst bei einem bereits erfolgten Straferlass nicht (mehr) nach §
462a Abs.
4 StPO, sondern nach §
462a Abs.
2 Satz
1 StPO. Die in §
462a Abs.
4 StPO begründete Zuständig-keitskonzentration setzt voraus, dass bezüglich mehrerer Verurtei-lungen unterschiedlicher Gerichte Nachtragsentscheidungen nach §§
453, 454, 454a oder 462 StPO zu treffen sind. Für diesen Fall besteht die Gefahr einer Entscheidungszersplitterung und diver-gierender Entscheidungen, der mit der Zuständigkeitskonzentrati-on bei einem Gericht vorgebeugt werden soll (vgl. BGH, Be-schluss vom 4.
Januar 1999
2
ARs 516/98, NStZ 1999, 215). Erst wenn Nachtragsentscheidungen im Sinne des §
462a Abs.
4 StPO nur (noch) bei einem Gericht anstehen, entfällt die sachliche Rechtfertigung für eine Zuständigkeitsbündelung (vgl. BGH, Be-schluss vom 9.
Dezember 1992
2
ARs 485/92, BGHR StPO §
462a Abs.
4 Entscheidung
1). Die Gefahr divergierender Ent-scheidungen kann im vorliegenden Verfahren wegen der Möglich-keit vor dem Straferlass zu prüfender Nachverurteilungen, die den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung auch nach dem Ab-lauf der Bewährungszeit noch rechtfertigen können (§
56g Abs.
2 StGB), nicht ausgeschlossen werden.
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Die Entscheidung über die von der Staatsanwaltschaft Essen be-antragte Verlängerung der Bewährungszeit und den zu prüfenden Straferlass obliegt daher dem Amtsgericht Nagold, auf das die Bewährungsaufsicht in dem Verfahren 59 Ds 3 Js 2518/15 (Bl.
221, 224 BewH) durch das Amtsgericht Marburg übertragen wurde, so dass ein Wechsel der Bewährungsaufsicht auch im vor-liegenden Verfahren aufgrund der Zuständigkeitskonzentration
Schäfer
Appl Zeng
Grube Schmidt
Meta
28.03.2018
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: ARs
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2018, Az. 2 ARs 50/18 (REWIS RS 2018, 11457)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 11457
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 ARs 50/18 (Bundesgerichtshof)
Zuständigkeit für Nachtragsentscheidungen im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung
2 ARs 541/17 (Bundesgerichtshof)
2 ARs 388/16 (Bundesgerichtshof)
2 ARs 387/16 (Bundesgerichtshof)
2 ARs 385/16 (Bundesgerichtshof)