Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.10.2011, Az. 6 P 20/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 2706

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Gegenstand

Mitbestimmungspflichtige Maßnahme; Organisationsprinzip; Personalübergang


Gründe

I.

1

Durch Vereinbarung vom 15. Oktober 2007 zwischen der [X.] und der [X.] wurde festgelegt, dass eine Reihe von Auskunfts- und Beratungsstellen der [X.], darunter diejenige in [X.], zum 1. Januar 2008 auf die [X.] übergehen. Die Vereinbarung traf unter anderem Regelungen zum übergehenden Personal. Mit Vorlage vom 20. November 2007 bat die Geschäftsführung der [X.] den dortigen Gesamtpersonalrat, den Beteiligten zu 2, dem Übergang der Auskunfts- und Beratungsstellen einschließlich der Mitarbeiter der [X.] in den Zuständigkeitsbereich der [X.] zum 1. Januar 2008 zuzustimmen. Unter dem 26. November 2007 erteilte der Beteiligte zu 2 seine Zustimmung.

2

Unter dem 4. Dezember 2007 bat die Beteiligte zu 1 den Antragsteller, den Personalrat für die Dienststelle [X.] der [X.], der Umsetzung von Mitarbeitern innerhalb der Auskunfts- und Beratungsstellen [X.] zuzustimmen. Der Antragsteller versagte unter dem 13. Dezember 2007 seine Zustimmung mit der Begründung, die beabsichtigten Maßnahmen setzten voraus, dass die benannten Mitarbeiter der [X.] in die Dienststelle [X.] der [X.] aufgenommen seien; dieser Übergang sei mitbestimmungspflichtig und gehöre in seine Zuständigkeit.

3

Das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, dass die Aufnahme der Auskunfts- und Beratungsstellen [X.] und [X.], ehemals [X.], einschließlich der dort Beschäftigten in die Dienststelle [X.] der [X.] seiner Mitbestimmung unterliege, hat das Verwaltungsgericht wegen fehlenden Feststellungsinteresses abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, eine etwaige Mitbestimmungskompetenz falle in die Zuständigkeit des Beteiligten zu 2.

4

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Dass die ehemaligen Auskunfts- und Beratungsstellen der [X.] einschließlich der dort Beschäftigten zum 1. Januar 2008 rechtswirksam auf die [X.] übergegangen seien, werde nicht bezweifelt. Begehrt werde vielmehr die Feststellung der Mitbestimmungszuständigkeit bei der internen Weiterorganisation der aufgenommenen Auskunfts- und Beratungsstellen [X.] und [X.]. Allein der Umstand, dass die Aufnahme der Auskunfts- und Beratungsstellen am Dienstort erfolgt sei, ziehe nicht gleichzeitig die organisatorische Zuordnung zum Verwaltungsbereich [X.] sowie die dortige Aufnahme der betroffenen Beschäftigten nach sich. In dieser Hinsicht habe ein Mitbestimmungsverfahren bislang nicht stattgefunden.

5

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und nach seinen dort gestellten Anträgen zu erkennen.

6

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

7

Sie verteidigen im Ergebnis die Beschlüsse der Vorinstanzen.

II.

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Beschluss des [X.] beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 [X.] vom 11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. [X.], zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 4. Februar 2011, GVOBl Schl.-H. [X.], [X.]. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Aufnahme der ehemaligen Auskunfts- und Beratungsstellen der [X.] in [X.], [X.] und [X.], sowie der dort Beschäftigten in die Dienststelle [X.] der [X.] ist keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme.

9

A. Gegen die Zulässigkeit des Mitbestimmungsbegehrens bestehen allerdings keine Bedenken. Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse können nicht verneint werden. Der Antragsteller bezweifelt nicht, dass die beiden Auskunfts- und Beratungsstellen ebenso wie die Dienst- und Arbeitsverhältnisse der dort Beschäftigten zum 1. Januar 2008 auf die [X.] übergegangen sind. Dies hat er bereits im Anhörungstermin des [X.] und zuletzt in der Rechtsbeschwerdebegründung klargestellt. Er meint jedoch, die Zuordnung der Auskunfts- und Beratungsstellen und ihrer Beschäftigten zur Dienststelle [X.] bedürften einer Entscheidung der Beteiligten zu 1, die seiner Mitbestimmung unterliege. Sofern diese Rechtsbehauptung zutrifft, kann das etwa erforderliche Mitbestimmungsverfahren noch durchgeführt werden.

B. Das Mitbestimmungsbegehren ist jedoch nicht begründet.

1. Auf die [X.] ist das Mitbestimmungsgesetz [X.] anzuwenden (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 2010 - BVerwG 6 [X.] - juris Rn. 4 ff. und vom 30. November 2010 - BVerwG 6 PB 16.10 - juris Rn. 4).

2. Rechtsgrundlage für das streitige Mitbestimmungsbegehren sind die gesetzlichen Regelungen zur Allzuständigkeit des Personalrats. Demgemäß besagt § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.], dass der Personalrat mitbestimmt bei allen Maßnahmen der Dienststelle für die dort Beschäftigten. Die Konkretisierung findet sich in § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Danach bestimmt der Personalrat mit bei allen personellen, [X.], organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt (vgl. Beschluss vom 5. November 2010 - BVerwG 6 P 18.09 - juris Rn. 11 m.w.[X.]). Von diesem Verständnis des [X.] geht ausweislich der Gesetzesmaterialien auch der Landesgesetzgeber im Mitbestimmungsgesetz [X.] aus ([X.] 12/996 S. 107). Demnach liegt eine Maßnahme nur dann vor, wenn die Dienststelle - ausdrücklich oder konkludent - eine Handlung vornimmt. Daran fehlt es, wenn die fragliche Rechtsfolge, auf welche sich das erstrebte Mitbestimmungsrecht beziehen soll, von Rechts wegen eintritt, ohne dass es eines Ausführungsaktes der Dienststelle bedarf (vgl. zum Gesetzesvorrang im Personalvertretungsrecht: Beschluss vom 16. April 2008 - BVerwG 6 P 8.07 - [X.] 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 19 m.w.[X.]; vgl. ferner [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 69 Rn. 21; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Peiseler, [X.], 7. Aufl. 2011, § 69 Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2008, § 69 Rn. 7a). So liegt es hier.

a) Die [X.] ist am 30. September 2005 durch Vereinigung der Landesversicherungsanstalten Freie und Hansestadt [X.], [X.] und [X.] entstanden. Grundlage dafür waren die Vereinigungsbeschlüsse der [X.] der drei Landesversicherungsanstalten sowie deren Genehmigung durch die für Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden der drei Bundesländer (§ 141 Abs. 1 und 2 [X.]; vgl. den Genehmigungsbescheid des [X.], Familie, Jugend und Senioren des Landes [X.] vom 18. Mai 2005). Nach Art. 1 § 2 des [X.] hat die [X.] ihren Sitz in [X.]. Art. 1 § 4 Abs. 1 bestimmt jedoch, dass die Standorte der bisherigen Hauptverwaltungen der drei Landesversicherungsanstalten in der [X.] als Sitz wesentlicher Organisationseinheiten erhalten bleiben. Es handelt sich dabei neben [X.] um die Standorte [X.] und [X.]; an diesen drei Standorten befinden sich die Leitungen der fünf Abteilungen der [X.] (Art. 1 § 4 Abs. 3 und 4 des [X.]). Die Arbeitsmengen werden so verteilt, dass die prozentuale Verteilung der Arbeitsplätze auf die Standorte der drei beteiligten Länder wesentlich der Relation der Stellen der drei Landesversicherungsanstalten vor der Vereinigung entspricht; die durch die Organisationsreform entstehenden Arbeitsmengenveränderungen werden gleichmäßig auf die Standorte verteilt (Art. 1 § 4 Abs. 2 des [X.]). Die Arbeitsmengenregelung ist Gegenstand des zitierten [X.], und zwar in Gestalt einer konkretisierenden und präzisierenden Auflage.

Den vorbezeichneten Regelungen ist zu entnehmen, dass die Selbstverwaltung der Sozialversicherung mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden für die [X.] eine Organisationsstruktur geschaffen hat, die aus den drei Standorten [X.], [X.] und [X.] besteht. Diese sind als Sitz der Geschäftsführung sowie einer Abteilungsleitung ([X.]) bzw. von zwei Abteilungsleitungen ([X.] und [X.]) Zentren der [X.] im jeweiligen Bundesland. Ihnen sind alle Organisationseinheiten auf dem Territorium des jeweiligen Bundeslandes zugeordnet. Gleiches gilt für die Arbeitsplätze und die Beschäftigten auf diesen Arbeitsplätzen. Demnach sind alle Organisationseinheiten mit ihren Beschäftigten in [X.] dem Standort [X.], diejenigen in [X.] dem Standort [X.] und diejenigen in [X.] dem Standort [X.] zugeordnet.

Die Satzung der [X.], die von den [X.] beschlossen und aufsichtsbehördlich genehmigt wurde (§ 141 Abs. 3 [X.]), bestätigt dieses Verständnis. Demgemäß bestimmt § 1 Abs. 2 der Satzung, dass die [X.] ihren Sitz in [X.] und Standorte in [X.] und [X.] hat.

Dieses organisationsrechtliche Verständnis setzt die personalvertretungsrechtliche Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung organisationsrechtlicher Bestimmungen des [X.] ([X.]) vom 28. September 2005, GVOBl Schl.-H. [X.]2, voraus und knüpft daran an, indem sie die Einrichtungen der [X.] in [X.], [X.] und [X.] zu Dienststellen im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] erklärt. Denn damit ist zugleich ausgesagt, dass es innerhalb der Körperschaft [X.] - von den Rehabilitationskliniken abgesehen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]) - nur diese drei Dienststellen gibt. Daraus folgt wiederum, dass das im jeweiligen Bundesland tätige Personal der jeweils korrespondierenden Dienststelle zugeordnet ist. In dieser Hinsicht zeigt sich eine Kontinuität zum Rechtszustand vor der Fusion (vgl. [X.] 16/202 S. 7 zu § 2); darauf hat die Beteiligte zu 1 im Schriftsatz vom 28. Februar 2011 zutreffend hingewiesen.

b) Das vorbezeichnete Organisationsprinzip beansprucht nicht nur Geltung für den Vereinigungszeitpunkt am 30. September 2005. Es gilt wegen der offenen, zukunftsgerichteten Formulierung der genannten Regelungen auch für die [X.] danach. Wird z.B. eine neue Organisationseinheit der [X.] an irgendeinem Ort in [X.] geschaffen, so ist diese mitsamt ihrer Beschäftigten dem Standort [X.] zuzuordnen. Diese Beschäftigten sind wahlberechtigt zum örtlichen Personalrat der Dienststelle [X.].

c) Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, in welchem Auskunfts- und Beratungsstellen der [X.] mitsamt ihrem Personal auf die [X.] übergegangen sind. Hierbei handelt es sich aus der Sicht der aufnehmenden Körperschaft, der [X.], nur um den Sonderfall der Schaffung einer neuen Organisationseinheit.

Nach Nummer 1 der Vereinbarung vom 15. Oktober 2007 sind die dort näher bezeichneten Auskunfts- und Beratungsstellen der [X.], darunter diejenige in [X.], zum 1. Januar 2008 auf die [X.] übergegangen. Zum gleichen [X.]punkt sind die dort beschäftigten Beamten in den Dienst der [X.] eingetreten (Nr. 2.1.1 sowie Anlage 2 der Vereinbarung vom 15. Oktober 2007 [X.]. § 3 Abs. 1 und 4 des Gesetzes zu Übergangsregelungen zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung - RVOrgRefÜG - vom 9. Dezember 2004, [X.], 3292, und §§ 128, 129 [X.]). Ebenfalls am 1. Januar 2008 sind die dort beschäftigten Arbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis bei der [X.] übergetreten (Nr. 2.2.1 sowie Anlage 4 der Vereinbarung vom 15. Oktober 2007 [X.]. § 3 Abs. 2 und 4 RVOrgRefÜG). Der Antragsteller bezweifelt die Rechtswirksamkeit dieser Vorgänge nicht. Daraus folgt aber in Anwendung des oben genannten Organisationsprinzips zugleich, dass die [X.] [X.] in [X.] sowie die dort Beschäftigten seit 1. Januar 2008 der Dienststelle [X.] der [X.] zugeordnet sind. Entsprechendes gilt für Beamte und Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2008 beurlaubt waren, hinsichtlich des [X.]punktes des Wiedereintritts am Standort [X.] (Nr. 2.1.2 und 2.2.2 sowie Anlagen 3 und 5 der Vereinbarung vom 15. Oktober 2007). Einer unter Umständen mitbestimmungspflichtigen Entscheidung der Beteiligten zu 1 bedarf es insoweit nicht.

Meta

6 P 20/10

05.10.2011

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 14. Juni 2010, Az: 12 LB 7/09, Beschluss

§ 2 Abs 1 Nr 1 MBG SH, § 51 Abs 1 S 1 MBG SH

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.10.2011, Az. 6 P 20/10 (REWIS RS 2011, 2706)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2706

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