Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2010, Az. 5 StR 7/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 8180

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Gegenstand

Urkundenfälschung: Abgrenzung zwischen einer falschen Urkunde und einer schriftlichen Lüge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO

a) aufgehoben im Fall II.7 der Urteilsgründe; insoweit wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen; dieser werden die ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt;

b) im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betruges in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die weiteren Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fälle II.1 bis II.6 der Urteilsgründe), sowie wegen Urkundenfälschung ([X.] der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Seine weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen lieh sich der vielfach einschlägig vorbestrafte, einkommens- und vermögenslose Angeklagte in den Fällen II.1 bis II.6 der Urteilsgründe von mehreren ihm bekannten Personen teilweise wiederholt erhebliche Geldbeträge, zu deren Rückzahlung er weder bereit noch fähig war. Er spiegelte den Geschädigten dabei vor, vermögend und nur derzeit nicht in der Lage zu sein, an Bargeld zu gelangen. In zwei Fällen legte er ihnen gefälschte Urkunden vor, um diese unwahre Behauptung zu belegen. Im [X.] „unterschrieb der Angeklagte einen aus Kopien von verschiedenen echten Urkunden hergestellten“ ([X.]) vermeintlich notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag, der ihn selbst als Verkäufer, zwei Käufer und einen Kaufpreis von 1.580.000 € auswiesen. Dieser tatsächlich nicht geschlossene Vertrag sollte zur Täuschung möglicher Darlehensgeber über die angebliche Zahlungsfähigkeit des Angeklagten verwendet werden, wurde tatsächlich aber nicht benutzt.

3

2. Zu Unrecht hat das [X.] auch im [X.] den Tatbestand der Urkundenfälschung bejaht.

4

a) Der Angeklagte hat keine unechte Urkunde hergestellt. Urkunden im Sinne des Strafrechts sind verkörperte Erklärungen, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGHSt 4, 60, 61; [X.], StGB 57. Aufl. § 267 Rdn. 2 m.w.N.). Soweit der Angeklagte den vermeintlich zustande gekommenen Grundstückskaufvertrag lediglich mit dem eigenen Namenszug unterschrieben hat, liegt eine Täuschung über den Aussteller der Gedankenerklärung nicht vor. Insofern handelt es sich um eine schriftliche Lüge (vgl. Fischer aaO Rdn. 18a), weil aus dem so geschaffenen Schriftstück der Angeklagte als Aussteller zu ersehen ist und lediglich der (fotokopierte) Bezugstext falsch ist. Mitaussteller sind hier auch nicht etwa die anderen [X.]; deren Namenszüge sind lediglich einkopiert, ihnen fehlt die Authentizität einer Originalunterschrift. Durch das Zufügen von Kopien der Unterschriften der angeblichen Vertragspartner erfüllt der „Grundstückskaufvertrag“ nicht die Merkmale einer Urkunde, da das Schriftstück insoweit nach außen als Reproduktion erscheint (Fischer aaO Rdn. 12b m.w.N.).

5

b) Der Angeklagte hat auch keine echte Urkunde verfälscht, da er für die Herstellung der Kopie des vermeintlichen Grundstückskaufvertrages lediglich Kopien von echten Urkunden verwendete.

6

c) Die vom [X.] festgestellte Täuschungsabsicht legt es zwar nahe, dass der Angeklagte von der hergestellten Vorlage eine weitere Kopie zumindest fertigen wollte, um das Werk insgesamt als Kopie eines unterschriebenen Originals erscheinen zu lassen. Dies begründet indes auch keine Strafbarkeit wegen eines Versuchs des [X.] einer gefälschten Urkunde (vgl. Fischer aaO), weil zu keinem Zeitpunkt eine (falsche) Urkunde vorgelegen hat.

7

2. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung im [X.] der Urteilsgründe kann daher keinen Bestand haben. Dies bedingt den Wegfall der davon betroffenen Einzelstrafe von neun Monaten und eine Änderung der Gesamtstrafe.

8

Der Senat hat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zur Straffrage selbst entschieden. Eine Aufhebung und Zurückverweisung lediglich zur Festsetzung einer neuen Gesamtstrafe würde zu einer hier - die abgeurteilten Taten datieren aus den Jahren 2005 bis 2007 - unvertretbaren Verfahrensverzögerung führen.

9

Auf der Grundlage der [X.] Strafzumessungserwägungen des [X.]s schließt es der Senat aus, dass für die verbleibenden sechs Taten, eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als eine solche von vier Jahren hätte verhängt werden können.

Brause                                Raum                                 Schaal

                  Schneider                              [X.]

Meta

5 StR 7/10

23.03.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Braunschweig, 4. September 2009, Az: 8 KLs 20/09, Urteil

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 267 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2010, Az. 5 StR 7/10 (REWIS RS 2010, 8180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8180

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 149/22

5 StR 283/22

2 StR 434/14

5 StR 7/10

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