Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. 4 StR 244/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12067

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:250417B4STR244.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 244/16

vom
25. April
2017

[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

StGB § 201a Abs. 1 Nr. 2

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Hilflosigkeit einer Person auf einer Bildaufnahme zur Schau gestellt wird.

[X.], Beschluss vom 25. April 2017 -
4 StR 244/16 -
LG Essen

in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.:
besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

zu 2.:
Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen

Erpressung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführer am 25.
April
2017
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]

und [X.]

wird das
Urteil des [X.] vom 2.
Februar 2016, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen versuchter beson-
ders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperver-letzung, Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten [X.]

hat es wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

1
-
3
-
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Auf die vom Angeklagten [X.]

erhobene Verfahrensrüge kommt es daher
nicht an.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
1.
Die jüngere Schwester des Angeklagten, E.

[X.]

, unterhielt bis
etwa einen Monat vor dem Tatgeschehen eine geheim gehaltene Liebesbezie-hung zu dem Nebenkläger, in deren Verlauf es auch mindestens einmal zum Geschlechtsverkehr kam, worüber der Nebenkläger in seinem Freundeskreis
berichtete. Davon erfuhr der Angeklagte etwa eine Woche vor der Tat und ver-stand dies so, dass der Nebenkläger damit geprahlt habe.

s

.
Da er dies als Beleidigung nicht nur seiner Schwester, son-dern auch seiner
eigenen
Person verstand und er den Nebenkläger ferner für die schlechte psychische Verfassung seiner Schwester nach der Trennung der beiden verantwortlich machte, trug er sich mit Racheplänen. In Ausführung die-ser Pläne
veranlasste er den Nebenkläger am Abend des [X.], dem 28.
August 2015,
unter einem Vorwand,
in seinen PKW
zu steigen, mit dem er ihn zu einer kleinen, von ihm zuvor ausgewählten Industrieruine auf einer abge-legenen Brachfläche
verbrachte. In seiner Begleitung befanden sich der von ihm
in groben Zügen in sein Vorhaben
eingeweihte Angeklagte [X.]

sowie der
Mitangeklagte Er.

, der zunächst lediglich mit einer Prügelei zum Nachteil des
[X.] rechnete, an der er und [X.]

sich beteiligen müssten.
Nach
Ein-
treffen auf dem Ruinengelände musste sich der Nebenkläger
auf einen Stuhl setzen, den der Angeklagte [X.]

vorher dort hingestellt hatte. Sodann schlu-
gen zunächst [X.]

und nach ihm
der Angeklagte [X.]

mit
Fäusten,
jeweils
2
3
4
-
4
-
unter Todesdrohungen,
auf den Nebenkläger ein; zu diesem Zweck hatten sie sich Handschuhe angezogen. Ferner brach [X.]

dem
Nebenkläger durch
einen Stoß mit dem Knie
das Nasenbein.
Nachdem [X.]

und [X.]

vom Ne-
benkläger abgelassen hatten, gab dieser zu, seinen Freunden von dem [X.] mit der Schwester des [X.]

erzählt zu haben. Dem Mit-
angeklagten Er.

, der bis dahin mäßigend auf die beiden anderen einzuwirken
versucht hatte, erschloss sich erst jetzt der genaue Anlass des Geschehens. Er beteiligte sich nunmehr mit Ohrfeigen an den Misshandlungen, bemühte sich jedoch weiter um Deeskalation. Vorwiegend um den Nebenkläger zu ängstigen, machte der Angeklagte [X.]

sodann Anstalten, am Finger der von [X.]

fest-
gehaltenen Hand des [X.] eine Zange anzusetzen. Der Mitangeklagte Er.

, der sich in der Zwischenzeit entfernt hatte, kehrte wegen der Hilfeschreie
des [X.] zum Ort des Geschehens zurück und nahm [X.]

die Zan-
ge ab. Daraufhin kündigte [X.]

an, dem
Nebenkläger unter Einsatz einer
mitgebrachten Spritze Urin zu injizieren, was diesen, wie vom Angeklagten
vorausgesehen und gebilligt, in Todesangst versetzte. Danach setzte er mit der Ankündigung, nunmehr dessen Kniescheibe zu zerschlagen, mit einem Gum-mihammer zum Schlag an, schlug aber nach entsprechender Intervention des Mitangeklagten Er.

nur mit mäßigem Kraftaufwand gegen die Wade, was bei
dem
Nebenkläger heftige Schmerzen verursachte, aber keine länger wahr-nehmbare Verletzung. Währenddessen
bedrohte und
beschimpfte der [X.] anwesende Angeklagte [X.]

den Nebenkläger und hielt diesen dadurch
davon ab,
sich [X.]

zu widersetzen.
Der Angeklagte [X.]

forderte sodann

wie von Anfang an geplant

vom Geschädigten die Zahlung von 2500

Hymens seiner Schwester, was der Angeklagte [X.]

ebenfalls billigte. Der Ne-
benkläger erklärte, er habe 200

.

sofort geben könne, was
5
-
5
-
dieser und die anderen jedoch ablehnten. Vielmehr setzte [X.]

dem Neben-
kläger eine Frist zur Zahlung der gesamten Summe bis Ende des Jahres. Erfol-ge keine Zahlung, werde er ihn nochmals herbringen.
2.
Um den Nebenkläger noch einmal in besonderer Weise zu demütigen und sich ihm gegenüber ein Druckmittel
zu verschaffen, verlangte er von [X.], sich eine leere 0,3
l-Flasche mit langem Hals rektal einzuführen. [X.] werde er erneut den Gummihammer hervorholen.
Nachdem es dem [X.] Er.

nicht gelungen war, [X.]

von diesem Vorhaben abzubrin-
gen, drohte der Angeklagte [X.]

dem Nebenkläger, ihm die Knochen zu bre-
chen, wenn er sich die Flasche nicht einführen würde. Der
Angeklagte [X.]

, der
[X.]

bei der Tatausführung bis dahin unterstützt hatte, und der Mitangeklagte
Er.

verließen daraufhin auf Bitten des [X.] den Schauplatz-
dann führte sich der Nebenkläger den Hals der Flasche, den [X.]

zuvor ein-
gecremt hatte, unter Schmerzen in
seinen
Anus ein. [X.]

filmte dieses
Ge-
schehen mit der Kamerafunktion des
Mobiltelefons
des Mitangeklagten [X.]

,
zeichnete zunächst erkennbar das Gesicht des [X.] auf und nahm sodann gezielt dessen Gesäß in den Fokus. Nach einiger Zeit gestattete er dem
Nebenkläger aufzuhören und erklärte ihm, er werde das Video im [X.] veröf-fentlichen, wenn er die 2500

Polizei gehen würde.
Bevor der Angeklagte [X.]

den Nebenkläger vor dessen elterlicher
Wohnung absetzte, erinnerte er ihn nochmals daran,
das Geld zu zahlen.
Der Nebenkläger erstattete am darauffolgenden
Tag Strafanzeige, wovon der An-geklagte
[X.]

nichts wusste.
Auf Initiative der Familie des [X.] kam
es in der Folgezeit zu einem Treffen von Familienangehörigen des Angeklagten [X.]

und des [X.] in Anwesenheit des Angeklagten [X.]

, bei
6
7
-
6
-
dem u.a. der Vorfall erörtert wurde. Der Nebenkläger leistete auf die vom Ange-klagten [X.]

erhobene Forderung keinerlei Zahlung.
II.
Die Überprüfung des Schuldspruchs hält hinsichtlich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Erwägung des
[X.],
ein
straf-befreiender
Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung
bzw. der Beihilfe dazu sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte [X.]

seine Forderung gegenüber dem Nebenkläger zu keinem Zeitpunkt auf-
gegeben habe, begegnet
in zweifacher Hinsicht
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1.
Es ist insoweit
zu besorgen, dass die [X.] an die nach §
24 Abs.
2 Satz
1 StGB erforderliche Rücktrittshandlung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat.
a)
Bei der im vorliegenden Fall festgestellten Tatbeteiligung mehrerer werden gemäß §
24 Abs.
2 Satz
1 StGB wegen Versuchs diejenigen Beteiligten nicht bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Zwar wirkt der Rücktritt eines Mittäters nicht ohne Weiteres zugunsten der anderen
Beteiligten; es kann hierfür jedoch genügen,
wenn diese
im Falle eines unbeendeten Versuchs ein-vernehmlich nicht mehr weiter handeln, obwohl sie dies könnten (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom
14.
Mai
1996

1
StR
51/96, [X.]St 42, 158, 162; [X.] vom 17.
Januar 2013

2
StR
396/12, [X.], 521; Beschluss vom 22.
April 2015

2
StR
383/14, [X.], 687; vgl. auch [X.]/[X.]/
Schuhr, 3.
Aufl., §
24 Rn.
59). Dies gilt nicht nur bei mittäterschaftlichem Zu-sammenwirken, sondern auch im Verhältnis von Täter und Gehilfe (Senats-8
9
10
-
7
-
beschluss vom 26.
September 2006

4
StR
347/06, [X.], 91
f.). Im Falle einer versuchten räuberischen Erpressung
ist es daher
ausreichend,
wenn
frei-willig davon abgesehen
wird,
das
Nötigungs-
bzw. [X.] weiter mit den tatbestandlichen [X.]n zu verfolgen. Nicht erforderlich ist
hinge-gen
ein vollständiger Verzicht auf die Herbeiführung des
angestrebten Nöti-gungs-
bzw. [X.], also
ein Verzicht auf
die Handlung, Duldung oder Unterlassung, die zu einem Vermögensnachteil führt ([X.],
Beschluss vom 17.
Januar 2013 aaO).
b)
Gemessen daran
erweist sich die
von der [X.] herangezoge-ne Erwägung für die Verneinung eines strafbefreienden
Rücktritts als nicht trag-fähig. Maßgebend für die Voraussetzungen eines Rücktritts vom Versuch ist
hier nicht, ob die Angeklagten [X.]

und [X.]

auf die Weiterverfolgung der
Forderung als solcher, sondern vielmehr, ob sie auf deren Durchsetzung mit [X.]n verzichteten, was für jeden der Angeklagten gesondert zu prü-fen
war. Dies hat das [X.] übersehen.
2.
Die Erwägungen des [X.] zu einem möglichen Rücktritt vom unbeendeten Versuch sind auch im Übrigen nicht frei von Rechtsfehlern.
a)
Für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausfüh-rungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur [X.], Urteil vom 19.
März 2013

1
StR
647/12, [X.], 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter
Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in [X.] Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Tat-erfolg abzielender
Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§
24 11
12
13
-
8
-
Abs.
1 Satz
1 1.
Variante StGB). [X.] er dagegen den Eintritt des [X.] für möglich, so ist der Versuch beendet. Der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den [X.] freiwillig durch [X.] verhindert (§
24 Abs.
1 Satz
1 2.
Variante StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§
24 Abs.
1 Satz
2 StGB; vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, [X.]St 39, 221, 227 mwN). Da ein
Rücktritt unter den Voraussetzungen des §
24 Abs.
2 StGB auch
schon
dann in Betracht kommt, wenn
es
die Beteiligten einvernehm-lich unterlassen, weiter
zu handeln, hängt die Entscheidung der Frage, ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, wiederum ent-scheidend vom Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorge-nommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus,
noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeifüh-rung des [X.] erforderlich oder zumindest ausreichend
ist, liegt also ein unbeendeter
Versuch vor, so können sie durch bloßes [X.] zu-rücktreten. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter, das auch für die Beurtei-lung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, im maßgeblichen Zeit-punkt den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des [X.] eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Februar 2016

3
StR
5/16 mwN).
b)
So verhält es sich hier. Den Feststellungen lässt sich
auch unter Be-rücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der
Urteilsgründe
nicht entneh-men, welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Erreichen des von ihnen erstrebten [X.] machten, als sie den Nebenkläger
vor der [X.] Eltern absetzten und der Angeklagte [X.]

ihn nochmals an die Geldfor-
derung erinnerte, so dass schon unklar bleibt, ob ein beendeter oder ein [X.]
-
9
-
endeter Versuch vorlag. Hätten die Angeklagten die Vorstellung gehabt, noch nicht alles zur Herbeiführung der Zahlung des geforderten Geldbetrages durch den Nebenkläger getan zu haben, wäre wegen der
durch [X.]

ausgespro-
chenen
Fristsetzung auch das Ergebnis der
nach der Tat
erfolgten
Bespre-chung der beiden beteiligten Familien in den Blick
zu
nehmen gewesen.
Bei dieser Unterredung war der Angeklagte [X.]

nach den Urteilsfeststellungen
anwesend und äußerte sich auch zum Tatgeschehen. Aus dem Inhalt dieser Äußerungen lassen sich gegebenenfalls Rückschlüsse auf die innere Einstel-lung der Angeklagten
ziehen
(vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Januar 2011

1
StR
537/10, [X.], 337, 338).
Auch dazu verhalten sich die Urteils-gründe nicht.
3.
Die Sache bedarf insgesamt schon deshalb hinsichtlich beider [X.] neuer Verhandlung und Entscheidung, weil
von der [X.] auch die jeweils tateinheitlich ausgeurteilten weiteren Straftatbestände erfasst
werden.
4.
Es kommt hinzu, dass auch die tateinheitliche Verurteilung des
Ange-klagten
[X.]

wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs im
Sinne von §
201a
Abs.
1 Nr.
2 StGB durch Bildaufnahmen
der dem Geschädig-ten abverlangten rektalen Einführung der Flasche
von den bisherigen [X.] nicht getragen wird. Mit Blick darauf, dass die genannte Strafvorschrift die Herstellung solcher Bildaufnahmen voraussetzt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen, gilt Folgendes:
a)

201a Abs.
1 Nr.
2 StGB nicht näher erläutert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird darunter ein Zustand verstanden, in dem eine Person sich

objektiv und im
15
16
17
-
10
-
weitesten Sinne

selbst nicht helfen kann und auf Hilfe angewiesen ist, ohne sie zu erhalten (vgl. [X.], [X.], 2002).
Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und dem in ihr zum Aus-druck kommenden gesetzgeberischen Willen
ergeben sich weder
Anhaltspunk-te
noch Kriterien
für eine nähere Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals. Die [X.] des §
201a Abs.
1 Nr.
2 StGB in ihrer jetzigen Fassung ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in die Vorschrift eingefügt [X.], weshalb die Gesetzesmaterialien im Hinblick auf die aufgeworfene Frage wenig aussagekräftig sind. Der entsprechenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/3202) ist aber unter Berücksichtigung des mit der Vorschrift insgesamt beabsichtigten
umfassenden Schutzes
des höchstpersönlichen Lebensbereichs
vor Bildaufnahmen
auch außerhalb von Wohnungen oder sonstigen
besonders geschützten Räumen

der ursprüng-liche Gesetzentwurf erfasste
insoweit
lediglich bloßstellende Aufnahmen (vgl. dazu BT-Drucks. 18/2601, S.
36)

zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen
eher weiten Begriff der Hilflosigkeit vor Augen hatte. Ein Indiz dafür sind auch
die schon im ursprünglichen Gesetzentwurf
beispielhaft erwähnten
Fallkonstel-lationen, etwa die betrunkene Person auf dem Heimweg oder das verletzt am Boden liegende Opfer einer Gewalttat (BT-Drucks. 18/2601 aaO).
Auch die
sys-tematische Auslegung unter Rückgriff auf
das (enger gefasste)
Tatbestands-merkmal der hilflosen Lage in §
221 StGB
(so
Eisele/[X.], [X.], 312, 313) bzw. den
(ebenfalls engeren, weil gewahrsamsbezogenen) Hilflosigkeits-begriff in
§
243 Abs.
1 Satz
2 Nr.
6 StGB ergibt hier
schon wegen des unter-schiedlichen Schutzzwecks der jeweiligen Vorschriften keine Anhaltspunkte für eine nähere Eingrenzung des Merkmals der Hilflosigkeit.
Gleichwohl können nach Auffassung des Senats gegen diese begriffliche
Weite
des [X.] (vgl. dazu auch
[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
201a Rn.
11; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
201a Rn.
10a; [X.], NJW 2015, 977, 978; [X.]/[X.], -
11
-
jurisPR-ITR 17/2015, Anm.
2)
verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Ge-sichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art.
103 Abs.
2 GG) nicht erhoben werden
(insoweit aber krit. [X.] aaO, Rn.
14). Denn in jedem Einzelfall muss eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch den Bildinhalt hinzutreten.
§
201a Abs.
4
StGB
enthält zudem eine die [X.] betref-fende Ausnahmeregelung.
Unbeschadet weiterer denkbarer, am Wortsinn orientierter Sachverhalts-konstellationen, deren Herausbildung der Gesetzgeber damit der fachgericht-lichen Rechtsprechung überantwortet hat (vgl. dazu [X.] 126, 170, 208
f.; [X.], Beschluss vom 1.
November 2012

2
BvR
1235/11, [X.], 365, 367), ist das Tatbestandsmerkmal der Hilflosigkeit nach dem Wortsinn und dem gesetzgeberischen Willen jedenfalls dann gegeben, wenn ein Mensch aktuell Opfer einer mit Gewalt oder unter Drohungen gegen Leib oder Leben ausgeüb-ten Straftat ist und deshalb der Hilfe bedarf oder sich in einer Entführungs-
oder Bemächtigungssituation befindet. Dies liegt nach den getroffenen [X.] hier vor.
b)
Indes bestehen auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen durchgrei-fende Zweifel daran, dass die Hilflosigkeit des [X.] auf der Bildauf-

aa)

-Schau-S

201a Abs.
1 Nr.
2 StGB teilt
der Senat die Auffassung im Schrifttum, wonach
der
Wortlaut der Regelung
hier eine besondere Hervor-hebung der Hilflosigkeit als Bildinhalt voraussetzt, so dass diese für einen [X.] allein aus der Bildaufnahme erkennbar wird
(ebenso [X.] aaO, Rn.
12; [X.] aaO, Rn.
10b).
In Fällen der bloßen Abbildung der Vornahme 18
19
20
-
12
-
einer Handlung durch eine Person
(als Tatopfer) bedarf dies in der Regel nähe-rer Darlegung, wenn die abgebildete Handlung nicht schon ohne Weiteres die Hilflosigkeit der sie vornehmenden Person impliziert.
Gibt erst der [X.] der Bildaufnahme

etwa bei ambivalenten Handlungen

zu erkennen, dass die abgebildete Person sie im Zustand der Hilflosigkeit vornimmt, bei-spielsweise
in einer Bemächtigungssituation, bedarf es dazu eingehender tat-richterlicher Feststellungen.
bb)
Gemessen an diesem Verständnis des Tatbestandsmerkmals des Zur-Schau-Stellens
ermöglichen
die bisher getroffenen Feststellungen dem [X.] nicht die Prüfung der Frage, ob
der Bildinhalt die Hilflosigkeit
des Tatopfers im dargelegten Sinne zu erkennen gibt.
Dem angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte das betreffende Geschehen, hier die rektale Einführung der Flasche, mit der Kamerafunktion des Mobiltelefons des Mitangeklagten [X.]

aufzeichnete. Ob diese Bildaufzeichnung auch die Be-
drohungssituation widerspiegelt, ergeben die Urteilsfeststellungen nicht. Der
Umstand, dass sich der Geschädigte die Flasche rektal einführte, sagt aber für sich genommen noch nichts über den Kontext aus, in dem die Handlung ausge-führt wurde.
III.
Für den Fall, dass der neue Tatrichter zum Tathergang
der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung Feststellungen treffen sollte, die denen des angefochtenen Urteils entsprechen, wird ferner Folgendes zu [X.] sein:

21
22
-
13
-
1.
Wegen der dem Geschädigten vom Angeklagten [X.]

gesetzten

wird der Tatrichter genauer als bisher geschehen
die Anforde-rungen an den [X.] sowie das Tatbestandsmerkmal der Ge-genwärtigkeit
der
Drohung mit Lebens-
bzw. Leibesgefahr
im Sinne des §
255 StGB in den Blick zu nehmen haben.
Zwischen dem [X.] der Gewalt und der beabsichtigten Vermögensverfügung dürfte es nach den bisherigen Feststellungen
am erforderlichen [X.] fehlen, da die Forderung nach Zahlung der 2500

ä-ge) erhoben wurde und der Nebenkläger die Summe auch nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewaltanwendung
zahlen sollte. Soweit das [X.] zur Begründung der Finalität auf das [X.] der Drohung abgestellt hat, versteht sich unter Berücksichtigung der dem Geschädigten
gesetzten

bis Jahresende die Gegenwärtigkeit der Gefahr nicht von selbst. Nach ständiger Rechtsprechung liegt diese regelmäßig nur bei feh-lender Fristsetzung oder einer solchen von einigen Tagen vor, wobei es indes maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, die zu beurteilen in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist (vgl. [X.], Urteile vom 28.
August 1996

3
StR
180/96, NJW 1997, 265, 266, und vom 27.
August 1998

4
StR 332/98, [X.], 266, 267).
2.
Im
Zusammenhang mit dem rektalen Einführen der Flasche wird ge-gebenenfalls zu erwägen sein, ob die Feststellungen eine Verurteilung wegen Geiselnahme (§
239b StGB) rechtfertigen
können (vgl. dazu jüngst [X.], [X.] vom 27.
Januar 2017

1
StR
532/16,
Tz.
10
f.).
3.
Zur Frage, ob der Schlag mit dem Gummihammer gegen die Wade
des Geschädigten rechtlich als gefährliche
Körperverletzung im Sinne des §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB zu würdigen sein kann, verweist der Senat auf seinen
23
24
25
-
14
-
Beschluss
vom 12.
März 2015

4
StR
538/14, [X.]R StPO §
224 Abs.
1 Nr.
2 Werkzeug
10).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 244/16

25.04.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. 4 StR 244/16 (REWIS RS 2017, 12067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12067

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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