Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.01.2021, Az. 4 ABR 1/20

4. Senat | REWIS RS 2021, 9398

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Gegenstand

Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung - Zustimmungsersetzungsverfahren - Stufenaufstieg nach dem TVöD/VKA - einseitige Erledigungserklärung im Beschlussverfahren - Erledigung des Verfahrens


Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

1

A. Die Arbeitgeberin hat in den Vorinstanzen die Ersetzung der Zustimmung des bei ihr gebildeten Betriebsrats zur beabsichtigten Umgruppierung von - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse - zwölf Beschäftigten begehrt. Nunmehr streiten die Beteiligten in erster Linie darüber, ob sich das vorliegende Verfahren erledigt hat.

2

Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb auf dem Gelände des [X.] regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer und bietet Betreuungsdienste für hilfsbedürftige Fluggäste an, die überwiegend von sog. Service Agents geleistet werden. Daneben werden auch sog. Service Professionals eingesetzt.

3

Die Arbeitgeberin, Mitglied im [X.], beantragte - soweit vorliegend noch von Bedeutung - mit Schreiben vom 22. März 2017 und vom 1. September 2017 die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung von zwölf Arbeitnehmern zum 1. April 2017 und zum 1. November 2017 in die Funktion von Service Professionals sowie zur jeweiligen Umgruppierung in die [X.] 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der [X.] geltenden Fassung ([X.]/[X.]) „unter Beibehaltung der jeweiligen Erfahrungsstufe“. Der Betriebsrat stimmte den Versetzungen zu, verweigerte aber fristgemäß die Zustimmung zu den [X.] mit der Begründung, zutreffend sei die [X.] 5, hilfsweise die [X.] 4 [X.]/[X.]. Alle von der Rechtsbeschwerde noch betroffenen Beschäftigten haben zwischenzeitlich nach § 16 Abs. 3 [X.]/[X.] eine höhere Stufe in der von der Arbeitgeberin als zutreffend angesehenen [X.] 3 [X.]/[X.] erreicht.

4

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Service Professionals seien nach [X.] 3 [X.]/[X.] zu vergüten und in den Vorinstanzen - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - sinngemäß beantragt,

        

die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Beschäftigten

        

[X.], M   

        

En, [X.] 

        

Eng (ehem. [X.]), A

        

E, S   

        

G, Be 

        

[X.]e, St

        

[X.], Ma 

        

K, [X.]   

        

Kr, J 

        

P, [X.]a 

        

S, Mi 

        

W, B   

        

in die [X.] 3 TVöD/[X.] unter Beibehaltung der jeweiligen Stufe nach § 16 TVöD/[X.] zu ersetzen.

5

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen.

6

Das Arbeitsgericht hat den [X.]n der Arbeitgeberin hinsichtlich von damals noch insgesamt 89 Beschäftigten stattgegeben, die Anträge auf Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, hingegen rechtskräftig abgewiesen. Das [X.] hat - nach teilweiser Einstellung des Verfahrens - auf die Beschwerde des Betriebsrats die noch anhängigen 42 [X.] abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Arbeitgeberin zunächst die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Für 30 Beschäftigte ist das Verfahren zwischenzeitlich eingestellt worden. [X.]insichtlich der weiteren zwölf Beschäftigten hat die Arbeitgeberin das Verfahren aufgrund der mittlerweile erreichten höheren Entgeltstufe ebenfalls für erledigt erklärt. Der Betriebsrat hat der Erledigung nicht zugestimmt. Er hat die Ansicht vertreten, ein erledigendes Ereignis sei nicht eingetreten. Die richtige Stufe und die Stufenerhöhungen ständen nicht im Streit, sondern nur die zutreffende [X.]. Dies lasse sich auf Grundlage des ursprünglichen Antrags der Arbeitgeberin in der Sache entscheiden. Eine lediglich auf die [X.] bezogene Ersetzung der Zustimmung sei als „Minus“ im gestellten Antrag enthalten.

7

B. Das Verfahren ist auf die einseitige Erledigungserklärung der Arbeitgeberin in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen. [X.]insichtlich der von der zulässigen Rechtsbeschwerde noch erfassten [X.] zur Umgruppierung von zwölf Beschäftigten ist aufgrund erfolgter Stufenerhöhungen nach § 16 Abs. 3 [X.]/[X.] eine Erledigung des Verfahrens eingetreten.

8

I. Nach § 95 Satz 4, § 83a Abs. 2 ArbGG ist ein Beschlussverfahren in der [X.] einzustellen, wenn die Beteiligten es für erledigt erklärt haben. [X.]at der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und widersprechen andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung, hat das Gericht zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ist das der Fall, ist das Verfahren einzustellen. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Anders als im [X.] kommt es nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war (st. Rspr., zuletzt zB [X.] 29. Juli 2020 - 7 [X.] - Rn. 24 mwN; zum Verfahren nach § 99 [X.] zB [X.] 26. September 2018 - 7 [X.] - Rn. 16 mwN).

9

II. Ein solcher Fall der Erledigung ist eingetreten. Die Beteiligten stritten im Rahmen des [X.] nach § 99 Abs. 4 [X.] über die Umgruppierung von Beschäftigten im Zusammenhang mit deren Versetzung in die Funktion von Service Professionals. Das Rechtsschutzbedürfnis für die ursprünglich begehrte Zustimmungsersetzung zur Umgruppierung in die [X.] 3 [X.]/[X.] nebst einer konkreten Stufe der [X.] ist entfallen, da die Arbeitgeberin diese Maßnahmen aufgrund der Stufenerhöhungen aller betroffenen Beschäftigten nicht mehr beabsichtigt.

1. Das Rechtsschutzbedürfnis verlangt als Sachentscheidungsvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Bei Leistungs- und Gestaltungsklagen kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher [X.]ilfe zur Erreichung seines Ziels nicht (mehr) bedarf. Der Antrag eines Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 4 [X.] gerichtlich zu ersetzen, setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber die Durchführung dieser Maßnahme noch beabsichtigt. Dies ist bei einem auf eine Ein- oder Umgruppierung bezogenen Zustimmungsersetzungsverfahren nur so lange der Fall, wie der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb mit unveränderter Eingruppierung beschäftigt ist ([X.] 29. Januar 2020 - 4 [X.] - Rn. 14; 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 16, [X.]E 131, 197).

2. Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ein- und Umgruppierung beschränkt sich nicht auf die bloße Einreihung der Tätigkeit des entsprechenden Arbeitnehmers in eine bestimmte Vergütungsgruppe. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 [X.] ist ein einheitliches Verfahren, das die Ein- oder Umgruppierung in allen ihren Teilen erfasst. Beinhaltet die Eingruppierungsentscheidung mehrere Fragestellungen, kann der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren nicht auf einzelne Teile beschränken. Eine Eingruppierung, hinsichtlich derer die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden könnte, liegt nur dann vor, wenn alle [X.] zutreffend beurteilt worden sind. Eine „Teileingruppierung“ steht einer unrichtigen, unzutreffenden Eingruppierung gleich. Dementsprechend umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats alle Faktoren, die im Zusammenhang mit einer Eingruppierung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können (st. Rspr., zB [X.] 29. Januar 2020 - 4 [X.] - Rn. 19 [auch zu den prozessualen Möglichkeiten der Fortführung eines anhängigen [X.] Rn. 20]; 19. Oktober 2011 - 4 [X.] - Rn. 20). Das gilt beispielsweise für die Zuordnung der Anzahl der Berufsjahre zu einer bestimmten Vergütungsgruppe (vgl. dazu [X.] 26. April 2017 - 4 [X.] - Rn. 10) oder die zutreffende Beschäftigungszeit in einer bestimmten Vergütungsgruppe, wenn sich daraus ein unterschiedliches Entgelt ergibt ([X.] 13. November 2013 - 4 [X.] - Rn. 13). Gleiches gilt bei einer Änderung der Stufen einer [X.], wie sie zB § 16 Abs. 3 [X.]/[X.] vorsieht, weil sich daraus ein unterschiedliches Entgelt im Vergleich zur niedrigeren Stufe ergibt. Dies gilt selbst dann, wenn eine [X.]öherstufung allein durch Zeitablauf erfolgt ([X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 137, 260). In all diesen Fällen gibt die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag nach § 99 Abs. 1 [X.] eine rechtliche Einschätzung über die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung nach der betrieblichen [X.] ab, hinsichtlich derer dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht zusteht. Erst wenn der Betriebsrat dieses Recht ausgeübt hat, ist geklärt, ob zwischen den Betriebsparteien Streit über die zutreffende, je nach [X.] ggf. aus mehreren Elementen bestehende Eingruppierung besteht.

3. So liegt der Fall hier. Die Arbeitgeberin hatte jeweils die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung in die [X.] 3 [X.]/[X.] unter Beibehaltung der jeweiligen Stufe iSv. § 16 [X.]/[X.] begehrt. Damit hat sie zutreffend die gesamte Eingruppierung, bestehend aus [X.] und Stufe der [X.], zum Gegenstand des Verfahrens nach § 99 [X.] gemacht. Die zwölf von der Rechtsbeschwerde noch erfassten Beschäftigten haben - teilweise bereits vor, teilweise nach der Entscheidung des [X.]s - jeweils nach § 16 Abs. 3 iVm. § 17 [X.]/[X.] eine höhere Stufe erreicht, die zu [X.] führte. Diese Stufenänderungen lösten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus und stellten ihrerseits [X.] iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] dar. Ab dem Zeitpunkt der Stufenerhöhung war die zuvor von der Arbeitgeberin beabsichtigte Maßnahme - die Umgruppierung unter Einstufung in eine niedrigere Stufe der [X.] - nicht mehr beabsichtigt. Die Beschäftigten wurden nicht mehr mit einer unveränderten Eingruppierung iSd. § 99 [X.] beschäftigt. Das Festhalten an den ursprünglich beabsichtigten Maßnahmen durch die Arbeitgeberin wäre im Übrigen auch tarifwidrig gewesen. Damit ist eine Erledigung des Verfahrens eingetreten.

4. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ändert der Umstand, dass über die Erhöhung der Stufen der [X.] zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, hieran nichts (vgl. hierzu schon [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 137, 260). Maßgeblich für eine Erledigung ist alleine, ob es sich noch um die ursprünglich vom Arbeitgeber beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme handelt. Dies ist nicht der Fall. Auch scheidet im Verfahren nach § 99 Abs. 4 [X.] - wie dargelegt - eine Entscheidung über eine „Teileingruppierung“, hier also nur über die zutreffende [X.], aus. Es würde sich um eine unzutreffende Eingruppierung iSd. § 99 [X.] handeln. Schließlich ergibt sich aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats „unter Beibehaltung der jeweiligen Erfahrungsstufe“ beantragt hat, nichts Anderes. Die Formulierung bezog sich auf die ursprünglichen Zustimmungsanträge. Diese hat die Auffassung der Arbeitgeberin zu den damals für zutreffend erachteten Stufen innerhalb der [X.] 3 [X.]/[X.] zum Ausdruck gebracht. Spätere Stufenerhöhungen werden davon nicht erfasst.

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Plautz    

        

    Kopp    

                 

Meta

4 ABR 1/20

20.01.2021

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 8. März 2018, Az: 21 BV 380/17, Beschluss

§ 95 S 4 ArbGG, § 83a ArbGG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 16 Abs 3 TVöD, § 17 TVöD

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.01.2021, Az. 4 ABR 1/20 (REWIS RS 2021, 9398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9398

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