Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2024, Az. IV ZR 227/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 976

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 17. Mai 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von weiteren mehr als 277,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juli 2021 verurteilt und die Berufung der Beklagten gegen die Feststellung, dass über den 30. November 2020 hinaus die Erhöhungen des [X.] in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung zum 1. April 2013 im Tarif A   und im Tarif … unwirksam waren und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen [X.] verpflichtet war, zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 21. April 2021 dahingehend abgeändert, dass die Klage auch abgewiesen wird, soweit der Kläger beantragt hat festzustellen, dass über den 30. November 2020 hinaus die Erhöhungen des [X.] in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer [X.]              zum 1. April 2013 im Tarif A   in Höhe von 37,31 € und im Tarif … in Höhe von 18,05 € unwirksam sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen [X.] verpflichtet ist.

Die erweiterte Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte zur Zahlung von weiteren mehr als 277,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juli 2021 verurteilt worden ist.

Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 72 % und die Beklagte zu 28 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 442,88 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung.

2

Der Kläger hält eine Krankenversicherung bei der [X.]. Dem Versicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des [X.] (im Folgenden: MB/KK) und die Tarifbedingungen der [X.] zugrunde. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:

3

"§ 8b Beitragsanpassung

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vom-Hundert-Satz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]

1.1. […] Ist die Abweichung bei den Versicherungsleistungen in einer Beobachtungseinheit größer als 5 %, aber nicht größer als 10 %, können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. Beträgt die Abweichung mehr als 10 %, muss der Versicherer eine Beitragsüberprüfung für die Beobachtungseinheit durchführen und, falls erforderlich, eine Anpassung der betroffenen Beiträge mit Zustimmung des Treuhänders vornehmen. […]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

3. […]"

4

Die Beklagte teilte dem Kläger unter anderem [X.] zum 1. April 2013 im Tarif A  um 37,31 € und im Tarif … um 18,05 € mit

5

Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten sowie weitere Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 23.036,34 € nebst Zinsen begehrt. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen [X.] verpflichtet ist. Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 8.657,40 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass unter anderem die [X.] zum 1. April 2013 im Tarif A   und im Tarif … unwirksam sind und der Kläger ab dem 1. Januar 2017 nicht zur Tragung des jeweiligen [X.] verpflichtet ist. Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit der Berufung seine Klage um die Zahlung weiterer 13.189,22 € nebst Zinsen erweitert. Das [X.] hat auf die mit der Berufung des [X.] erfolgte [X.] die Beklagte zur Zahlung von weiteren 720,63 € nebst Zinsen seit dem 30. Juli 2021 verurteilt und im Übrigen die Berufung des [X.] sowie die Berufung der [X.] zurückgewiesen.

6

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, soweit sie über einen Betrag von 8.935,15 € hinaus zur Zahlung verurteilt und festgestellt worden ist, dass die Neufestsetzungen des Beitrags zum 1. April 2013 im Tarif A und im Tarif … über den 30. November 2020 hinaus unwirksam waren und der Kläger über den 30. November 2020 hinaus nicht zur Zahlung der damit verbundenen [X.] verpflichtet gewesen ist.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass das [X.] zu der Beitragserhöhung in den Tarifen … und A  zum Stichtag 1. April 2013 den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht Genüge getan hat. Diese Prämienanpassungen seien auch materiell unwirksam gewesen mit der Folge, dass durch die Mitteilung des auslösenden Faktors in der Klageerwiderung vom 2. Oktober 2020 keine Heilung eingetreten sei. Da die Veränderung bei den Versicherungsleistungen unter dem gesetzlichen Schwellenwert von 10 %, aber über 5 % gelegen habe, sei deren Grundlage § 8b Abs. 1.1, 2 MB/KK gewesen. Die Klausel sei aber unwirksam, da abweichend von den gesetzlichen Vorschriften dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt werde, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dem Kläger stehe daher auch ein weitergehender Rückzahlungsanspruch zu, der sich aus weiteren nach dem 1. Juli 2020 auf diese Anpassungen gezahlten Erhöhungsbeiträgen zusammensetze.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Prämienerhöhungen mit der Begründung materiell für unwirksam gehalten, dass es für diese an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 ([X.], VersR 2022, 1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK 2009 zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 unwirksam, aber dies lässt die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 ff.). Der Senat hat ferner mit Urteil vom 12. Juli 2023 ([X.], [X.], 1222) entschieden, dass eine Prämienanpassungsklausel in der privaten Krankenversicherung, nach welcher der Versicherer die Beiträge bei einer Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als fünf Prozent überprüfen und anpassen kann, aber nicht muss, nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 4 [X.] in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 [X.] abweicht und den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2023 aaO Rn. 16 ff.).

2. Die Prämienanpassungen, die nach der von der Revision zu Recht nicht angegriffenen Beurteilung des Berufungsgerichts formell unwirksam waren, sind durch die in der am 13. Oktober 2020 zugestellten Klageerwiderung nachgeholte Begründung geheilt worden und zum 1. Dezember 2020 wirksam geworden. Ihre Unwirksamkeit und die fehlende Zahlungspflicht des [X.] waren daher nur bis zum 30. November 2020 festzustellen. Der auf die Klageerweiterung zuzusprechende Rückzahlungsbetrag beträgt somit 277,75 € für die vom 1. Juli bis 30. November 2020 erfolgten Zahlungen auf die genannten Prämienanpassungen sowie eine weitere, von der Revision nicht umfasste Beitragserhöhung von 0,19 € ([37,31 € + 18,05 € + 0,19 €] x 5 Monate).

Prof. Dr. Karczewski                                  [X.]                                  Dr. Brockmöller

                                       Dr. Bußmann                                             Dr. Bommel

Meta

IV ZR 227/22

21.02.2024

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 17. Mai 2022, Az: 9 U 86/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2024, Az. IV ZR 227/22 (REWIS RS 2024, 976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 976

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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