Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. EnVR 46/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 6404

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Gegenstand

Energiewirtschaftliche Verwaltungssache: Anerkennungsfähigkeit einer freiwilligen Selbstverpflichtung eines Stromnetzbetreibers zur Beschaffung von Verlustenergie als wirksame Verfahrensregulierung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des [X.] und die der [X.] entstandenen notwendigen Auslagen.

Der Wert des [X.] wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz mit weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden. Sie begehrt von der [X.] den Erlass einer Festlegung, mit der die Kostenanteile für die Beschaffung von [X.] bei einer von ihr entsprechend einer freiwilligen Selbstverpflichtung vorgenommenen Beschaffung als wirksam verfahrensreguliert i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 4 [X.] erklärt werden.

2

Die [X.] leitete im Februar 2008 ein Verfahren zur Festlegung des Ausschreibungsverfahrens für [X.] und zur Bestimmung der [X.] gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 1 StromNZV i.V.m. § 22 Abs. 1, § 29 [X.] ein. Mit Festlegung vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006) schloss sie das Verfahren ab und stellte Rahmenvorgaben für die Beschaffung von [X.] auf.

3

Parallel dazu entwickelten die Netzbetreiber unter Federführung des [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.]) im Mai 2008 eine "Freiwillige Selbstverpflichtung nach § 11 Abs. 2 [X.] der [X.] Verteilungsnetzbetreiber für ein verbindliches Verfahren zur Beschaffung von Energie zur Deckung von Verlusten gemäß § 22 Abs. 1 1. Alternative [X.], § 10 Abs. 1 StromNZV". Mit Schreiben vom 7. August 2008 unterwarf sich die Antragstellerin gegenüber der [X.] dieser freiwilligen Selbstverpflichtung und beantragte, das darin enthaltene Regelungswerk als wirksame [X.] i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] festzulegen. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 lehnte die [X.] den Antrag ab.

4

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie hilfsweise die Verurteilung der [X.] zur Anerkennung der Festlegung vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006) als wirksame [X.] i.S.d. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 [X.] begehrt hat, hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.

5

[X.] Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den angefochtenen Beschluss der [X.] zu Recht zurückgewiesen.

6

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die von der Antragstellerin erhobene Verpflichtungsbeschwerde sei gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 [X.] statthaft. Insbesondere sei die Antragstellerin [X.], weil ihr Vorbringen das Bestehen eines Anspruchs auf die begehrte Festlegung als möglich erscheinen lasse.

8

Die Beschwerde sei aber unbegründet. Die [X.] habe den Antrag auf Festlegung des der freiwilligen Selbstverpflichtung zugrundeliegenden Verfahrens als wirksame [X.] für die Beschaffung von Verlust-energie zu Recht abgelehnt. Aus der Regelungssystematik und dem Sinn und Zweck der § 21a [X.], § 11 [X.] ergebe sich, dass die Regulierungsbehörde Kostenanteile nur dann als dauerhaft nicht beeinflussbar gelten lassen und insoweit ein Festlegungsverfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] einleiten müsse, wenn es sich tatsächlich um objektiv nicht vom Netzbetreiber beeinflussbare Kosten handele. Andernfalls stehe der Regulierungsbehörde ein weites (Aufgreif-, Entschließungs- und Gestaltungs-)Ermessen zu, das nicht den rechtlich geschützten Interessen des Netzbetreibers diene.

9

Nach diesen Maßgaben habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Festlegung. Bei den Kosten für die Beschaffung von [X.] handele es sich nicht um objektiv nicht beeinflussbare Kosten. Vielmehr könne die Antragstellerin auf der Grundlage der von ihr abgegebenen Selbstverpflichtung die Beschaffungskosten durch die Wahl von [X.] und -zeiträumen sowie der Losgröße der Langfristkomponente, durch die Bildung von Ausschreibungsgemeinschaften, die Form der Beschaffung des langfristig prognostizierbaren [X.]bedarfs und die Art und Weise der Prognose des zu beschaffenden Bedarfs sowie durch die fehlenden Vorgaben für die Beschaffung der Kurzfristkomponente beeinflussen.

Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Antrags. Ein solcher Anspruch setze voraus, dass das der Behörde eingeräumte Ermessen auch den rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers diene. Dies sei hier nicht der Fall. Das der Regulierungsbehörde nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] eingeräumte Ermessen solle ihr die Möglichkeit geben, von den Grundzügen des gesetzgeberisch vorgegebenen Modells der Anreizregulierung in Fortführung der vorgegebenen Methode konsequente Abweichungen zu entwickeln. Das Ermessen diene daher nicht einem rechtlich geschützten Interesse des einzelnen Netzbetreibers, sondern vornehmlich der Erreichung der in § 32 Abs. 1 [X.] genannten Ziele und Zweckrichtungen. Der einzelne Netzbetreiber werde durch eine ihn begünstigende Entschließung der Regulierungsbehörde lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen.

Unabhängig davon habe die [X.] den Antrag aber auch in der Sache zu Recht abgelehnt. Das der Selbstverpflichtung zugrunde liegende Verfahren lasse maßgebliche Punkte der Festlegung vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006) außer Betracht, so dass es nicht als wirksame [X.] i.S.d. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 [X.] anzuerkennen sei. Dies gelte insbesondere für die Abweichungen in Bezug auf die Vertragslaufzeit, auf den fehlenden Mindestzeitraum zwischen Angebotszuschlag und Lieferbeginn und die Frist für die Veröffentlichung von Angebotsinformationen vor Beginn der Ausschreibung.

Die Antragstellerin könne zu ihren Gunsten auch nichts aus den gegenüber einzelnen Übertragungsnetzbetreibern ergangenen Festlegungen einer wirksamen [X.] bezüglich eines verbindlichen Anreizsystems für Systemdienstleistungen, wie etwa der von ihr vorgelegten Festlegung vom 27. November 2009 ([X.]-09-005), herleiten. Die Festlegungen richteten sich ausschließlich an Übertragungsnetzbetreiber und berücksichtigten deren Sondersituation.

Schließlich könne die Antragstellerin auch nicht verlangen, dass die [X.] die in der Festlegung vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006) getroffenen Vorgaben als wirksame [X.] festlege. Dem stehe schon entgegen, dass diese Vorgaben nach der erklärten Zielsetzung der Festlegung, aber auch materiell den [X.] noch Spielräume einer Kostenbeeinflussung ließen.

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Zulässigkeit der von der Antragstellerin erhobenen Verpflichtungsbeschwerde bejaht.

Gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist eine Beschwerde auch gegen die Unterlassung einer beantragten Entscheidung der Regulierungsbehörde zulässig, auf deren Erlass der Antragsteller einen Rechtsanspruch geltend macht. Die erforderliche Beschwerdebefugnis fehlt nur dann, wenn ein Recht auf die begehrte Entscheidung offensichtlich nach keiner Betrachtungsweise bestehen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Mai 2011 - [X.] 27/10, [X.], 420 Rn. 15 mwN - Freiwillige Selbstverpflichtung).

Nach diesen Maßgaben ist die Beschwerdebefugnis der Antragstellerin gegeben. Die Antragstellerin hat den Erlass einer Festlegung dahingehend begehrt, dass durch die freiwillige Selbstverpflichtung eine umfassende Regulierung der Beschaffung von [X.] im Sinne der § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] vorliegt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften kann das Bestehen eines subjektiven Rechts der Antragstellerin auf den Erlass einer solchen Festlegung nicht von vornherein verneint werden.

b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Beschwerdegericht den mit der Verpflichtungsbeschwerde verfolgten Hauptantrag der Antragstellerin aber zu Recht zurückgewiesen.

Dabei kann dahinstehen, ob - was das Beschwerdegericht gemeint hat - der Erlass einer solchen Festlegung im Ermessen der Regulierungsbehörde steht. Dies bedarf keiner Entscheidung, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 11 Abs. 2 Satz 4, § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] nicht gegeben sind.

Der Erlass einer Festlegung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 [X.], § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] setzt voraus, dass der betreffende Bereich durch vollziehbare Entscheidungen der Regulierungsbehörden oder, was hier allein in Betracht kommt, durch freiwillige Selbstverpflichtungen der Netzbetreiber umfassend reguliert ist. Die der Regulierung zugrunde liegende freiwillige Selbstverpflichtung muss einerseits mit den für den betreffenden Bereich geltenden Rechtsnormen in Einklang stehen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24. Mai 2011 - [X.] 27/10, [X.], 420 Rn. 20 ff. - Freiwillige Selbstverpflichtung). Zum anderen muss das darin enthaltene Regelwerk in dem Sinne umfassend sein, dass den Netzbetreibern dadurch keine oder nur geringfügige Möglichkeiten einer eigenständigen Kostenbeeinflussung gelassen werden (vgl. [X.]. 417/07, [X.]). Daran fehlt es hier.

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Antragstellerin stellt keine umfassende Regulierung des Bereichs für die Beschaffung von [X.] dar. Diese regelt - wie auch die inhaltlich weitergehende Festlegung der [X.] vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006), die ebenfalls keine umfassende Regulierung ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24. Mai 2011 - [X.] 27/10, [X.], 420 Rn. 28 - Freiwillige Selbstverpflichtung) - zwar nähere Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens. Es fehlen aber etwa - anders als in der Festlegung - Vorschriften in Bezug auf die Kurzfristkomponente. Ferner enthält die Selbstverpflichtung der Antragstellerin - anders als Nummer 6 der Festlegung - keine Bestimmung über einen Mindestzeitraum zwischen Angebotszuschlag und Lieferbeginn. Schließlich enthält die Selbstverpflichtung - anders als Nummer 4 der Festlegung - keine verbindliche Vorgabe für die maximale Vertragslaufzeit.

Diese Regelungslücken lassen der Antragstellerin nicht nur geringfügige Möglichkeiten einer eigenständigen Kostenbeeinflussung. In Bezug auf die Kurzfristkomponente ergibt sich dies bereits daraus, dass dieser Bereich zur Gänze ungeregelt bleiben soll. Dies gilt aber auch für die fehlende Festlegung einer maximalen Vertragslaufzeit. Eine solche hat zum Ziel, auch kleineren Anbietern die Möglichkeit der Ausschreibungsteilnahme zu geben und somit auf dem Bereich für [X.] durch häufig wiederkehrende Ausschreibungen einen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb zu etablieren (vgl. Nummer [X.] 4.2.1 der Gründe der Festlegung vom 21. Oktober 2008).

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Antragstellerin auch nicht deshalb einen Anspruch auf Erlass einer Festlegung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 [X.], weil es sich bei den Kosten für die Beschaffung von [X.] naturgemäß um dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten handele. Dies ist nicht der Fall (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2011 - [X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 77 - EnBW Regional AG).

d) Das Beschwerdegericht hat auch den mit der Verpflichtungsbeschwerde verfolgten Hilfsantrag der Antragstellerin, die [X.] zu verpflichten, die Festlegung vom 21. Oktober 2008 ([X.]-08-006) als wirksame [X.] i.S.v. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 [X.] festzulegen, zu Recht zurückgewiesen. Wie der Senat mit Beschluss vom 24. Mai 2011 ([X.] 27/10, [X.], 420 Rn. 28 - Freiwillige Selbstverpflichtung) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stellt diese Festlegung keine umfassende Regulierung der Beschaffung von [X.] dar.

I[X.] [X.] beruht auf § 90 [X.].

Tolksdorf                                             Raum                                            Strohn

                             Kirchhoff                                      Grüneberg

Meta

EnVR 46/10

15.05.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 17. März 2010, Az: VI-3 Kart 47/09 (V), Beschluss

§ 11 Abs 2 S 2 ARegV, § 11 Abs 2 S 4 ARegV, § 32 Abs 1 Nr 4 ARegV, § 75 Abs 3 S 1 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. EnVR 46/10 (REWIS RS 2012, 6404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6404

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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