Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2021, Az. 4 StR 90/21

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2272

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Gegenstand

Strafverfahren: Wirkung der Einstellung gegen Auflagen oder Weisungen


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. September 2020 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung, Hausfriedensbruch und Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach dem Waffengesetz sowie wegen „vorsätzlicher“ Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]). Der näheren Erörterung bedarf – ergänzend zur Antragsschrift des [X.] – nur das Folgende:

2

1. Der Verurteilung wegen der Tat zu Ziffer [X.] der Urteilsgründe steht ein Verfahrenshindernis nicht entgegen. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die diese Tat betreffende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft [X.] an das [X.] zurückgenommen und die Tat anschließend durch die Staatsanwaltschaft [X.] zum [X.] [X.] angeklagt wurde.

3

Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, stand der Zulässigkeit dieses Vorgehens der Staatsanwaltschaften nicht entgegen, dass das [X.] das Verfahren zunächst – vor Eröffnung des Hauptverfahrens – gemäß § 153a Abs. 2 [X.] vorläufig eingestellt hatte. Durch die Einstellung gegen Auflagen oder Weisungen nach § 153a [X.] entstand zwar ein bedingtes Verfahrenshindernis (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 2011 – [X.], NJW 2011, 3166 Rn. 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 153a Rn. 52; zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft [X.], Beschluss vom 11. April 2007 – 2 Ws 41/07, [X.], 540, 541), das die Fortsetzung des Verfahrens hinderte (vgl. [X.] in BeckOK-[X.], [X.]., § 153a Rn. 54). Ob das bedingte Verfahrenshindernis auch einer Rücknahme der zugrundeliegenden Anklageschrift entgegensteht, welche lediglich bewirkt, dass das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt wird (vgl. [X.] in BeckOK-[X.], [X.]., § 156 Rn. 2), kann offenbleiben. Denn die Rücknahme der Anklage durch die Staatsanwaltschaft [X.] erfolgte nach dem Ende des durch die vorläufige Einstellung bewirkten [X.] und auch nach der Fortführung des Verfahrens durch das [X.]. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war der Staatsanwaltschaft [X.] deshalb der Weg zur Rücknahme der Anklage gemäß § 156 [X.] wieder eröffnet, wovon sie – vor Eröffnung des Hauptverfahrens – Gebrauch gemacht hat.

4

Der Beendigung des [X.] steht nicht entgegen, dass das [X.] in dem Beschluss über die vorläufige Einstellung entgegen § 153a Abs. 1 Satz 3 iVm Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Frist zur Erfüllung der dem Angeklagten unter anderem erteilten Weisung, an einem sechsmonatigen [X.] Trainingskurs teilzunehmen (§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.]), nicht ausdrücklich bestimmt hatte. Denn im Zeitpunkt der [X.] war bereits diejenige Frist verstrichen, die das [X.] dem Angeklagten nach dem Gesetz höchstens hätte setzen können (§ 153a Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 Alt. 2 iVm Abs. 2 Satz 2 [X.]). Es stand darüber hinaus fest, dass der Angeklagte selbst nach einer Verlängerung der Frist gemäß § 153a Abs. 1 Satz 4 iVm Abs. 2 Satz 2 [X.] den sechsmonatigen Trainingskurs nicht mehr würde ableisten können.

5

Auch der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende Vertrauensschutz gebietet hier keine andere Beurteilung. Der Angeklagte hatte sich zwar weisungsgemäß bei dem Anbieter des [X.] gemeldet. [X.] konnte er indes nicht antreten, weil er weitere Straftaten beging und deshalb in Untersuchungshaft genommen wurde. Er war demnach nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Weisung innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist zu erfüllen (vgl. hierzu nur [X.] in Löwe/[X.], [X.], 27. Aufl., § 153a Rn. 103 mwN).

6

2. Dass das [X.] die zur Erfüllung der dem Angeklagten neben der Weisung erteilten [X.] erbrachten Leistungen zwar strafmildernd berücksichtigt, aber nicht erwogen hat, sie auf die Strafe anzurechnen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine der Vorschrift des § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB entsprechende, in das Ermessen des Gerichts gestellte Anrechnung sieht § 153a [X.] nicht vor.

Sost-Scheible     

      

[X.]     

      

Quentin

      

Maatsch     

      

Scheuß     

      

Meta

4 StR 90/21

29.09.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 10. September 2020, Az: 65 KLs 47/19

§ 153a Abs 1 StPO, § 153a Abs 2 StPO, § 156 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2021, Az. 4 StR 90/21 (REWIS RS 2021, 2272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2272

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IX ZR 153/10

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