Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.06.2012, Az. II R 39/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 5718

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Gegenstand

Steuerbefreiung für ausschließlich zur Straßenreinigung verwendete Fahrzeuge - Anspruch auf rechtliches Gehör


Leitsatz

1. NV: Das in § 3 Nr. 4 KraftStG aufgestellte Erfordernis einer ausschließlichen Verwendung des Fahrzeugs zur Reinigung von Straßen verlangt, dass das Fahrzeug tatsächlich nur zu dem begünstigten Zweck verwendet wird und auch keine anderweitige "Mit"benutzung vorliegt. Der insoweit erforderliche Nachweis obliegt dem Halter des Fahrzeugs .  

2. NV: Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Finanzgericht nicht, mit diesen die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der ein Einzelunternehmen im Bereich der Landschafts- und Umweltpflege betreibt, ist Halter von zwei Lastkraftwagen der Marke [X.] mit jeweils geschlossenem Kastenaufbau, zwei Sitzplätzen und einem zulässigen Gesamtgewicht von 5 990 kg. Die weiß lackierten Fahrzeuge sind mit rot-weißer Sicherheitskennzeichnung, dunkelgrünem Schriftzug "Umweltdienst" und "[X.]" sowie einer Sicherheitsbeleuchtung versehen.

2

Aufgrund eines zwischen dem Kläger und der [X.] geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2004 über die Beseitigung von umweltgefährdenden Verunreinigungen übernahm der Kläger für ein näher bezeichnetes Gebiet die Beseitigung von Ölen, Kraftstoffen und anderen verkehrs- und umweltgefährdenden Stoffen nach Unfällen und anderen Ereignissen. Der Kläger war u.a. verpflichtet, spätestens 45 Minuten nach Aufforderung des Auftraggebers oder der Rettungsleitstelle mit angemessener Ausrüstung, Fahrzeugen, Personal und Material am Einsatzort zu sein. Die Fahrzeuge mussten ferner u.a. mit verschiedenen Gerätschaften und Hilfsmitteln zur Ölbindung ausgestattet sein. Das eine Fahrzeug des [X.] wurde im September 2005 für neun Einsätze, das andere Fahrzeug im November 2005 für sieben Einsätze verwendet.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Jahressteuer für die Fahrzeuge durch bestandskräftige Bescheide vom 22. Dezember 2000 und 21. Januar 2002 auf jeweils 214 € fest. Den Antrag des [X.], beide Fahrzeuge im Hinblick auf ihre ausschließliche Verwendung zur Reinigung von Straßen gemäß § 3 Nr. 4 des [X.] (KraftStG) in der hier maßgeblichen Fassung von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien, lehnte das [X.] mit Bescheid vom 10. Juni 2003 ab.

4

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) verneinte eine ausschließliche Verwendung der Fahrzeuge zur Reinigung von Straßen. Die Fahrzeuge seien typische Kastenwagen und nach ihrer Bauart universell zum Transport von Lasten und jedweden Gegenständen nutzbar. Die geringe Anzahl der monatlichen Einsätze dieser Fahrzeuge deute auf eine nicht ausschließliche Nutzung i.S. des § 3 Nr. 4 KraftStG hin. Zudem würden die jeweiligen Fahrzeugführer mit den Fahrzeugen regelmäßig zu ihrer Wohnung und zu ihren übrigen Arbeitsorten fahren.

5

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 4 KraftStG. Das [X.] habe zudem unter Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör eine Überraschungsentscheidung getroffen.

6

Der Kläger beantragt, das [X.] unter Aufhebung der Vorentscheidung und der [X.] vom 10. Juni 2003 in Gestalt der [X.] vom 10. April 2006 zu verpflichten, die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Fahrzeuge mit den Kennzeichen … und … von Anfang an aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 KraftStG nicht erfüllt sind.

9

1. Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (vgl. § 119 Nr. 3 [X.]O) nicht in Form einer Überraschungsentscheidung verletzt.

Eine Überraschungsentscheidung kann zwar vorliegen, wenn das [X.] im Widerspruch zu seiner vorherigen eindeutigen Äußerung, der Klage werde stattgegeben, die Klage ohne weiteren Hinweis abweist (vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 11. November 2008 IX R 14/07, [X.], 308, [X.] 2009, 309). Die ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 4. November 2010 vom Vorsitzenden getroffene Aussage, seiner Auffassung nach könne der Innenraum des vom Gericht in Augenschein genommenen klägerischen Fahrzeugs nicht mehr zu anderen gewerblichen Zwecken genutzt werden, scheidet jedoch als Grundlage einer Gehörsverletzung durch das [X.] aus. Diese Aussage des Vorsitzenden war unmissverständlich allein auf die Nutzbarkeit des Innenraums des vorgeführten Fahrzeugs beschränkt und konnte vom Kläger --zumal er in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertreten [X.] unter keinem Gesichtspunkt dahin verstanden werden, das [X.] werde die Befreiungsvoraussetzungen des § 3 Nr. 4 KraftStG als erfüllt ansehen.

Das [X.] war insoweit auch nicht verpflichtet, mit den Beteiligten die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen (z.B. [X.] vom 11. Mai 2011 V B 113/10, [X.], 1523; vom 7. Dezember 2006 IX B 50/06, [X.], 1135, jeweils m.w.[X.]). Auf naheliegende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte braucht das Gericht zumindest dann nicht hinzuweisen, wenn ein Beteiligter --wie hier-- fachkundig vertreten ist (vgl. z.B. [X.] vom 2. April 2002 [X.], [X.] 2002, 947; vom 11. Februar 2003 XI B 4/02, [X.] 2003, 802).

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 KraftStG nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift ist das Halten von Fahrzeugen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange sie ausschließlich zur Reinigung von Straßen verwendet werden. Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diesen Zweck bestimmt erkennbar sind.

Im Streitfall sind die Anforderungen dieser Befreiungsvorschrift schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einer Verwendung der Fahrzeuge des [X.] "ausschließlich" zur Straßenreinigung fehlt. Es kann deshalb offen bleiben, ob die Fahrzeuge des [X.] nach ihrer technischen Beschaffenheit, Ausstattung und Einsatzart den Anforderungen einer Verwendung "zur Reinigung von Straßen" i.S. des § 3 Nr. 4 KraftStG genügen.

a) Das in § 3 Nr. 4 KraftStG aufgestellte Erfordernis einer ausschließlichen Verwendung des Fahrzeugs zur Reinigung von Straßen verlangt, dass das Fahrzeug tatsächlich nur zu dem begünstigten Zweck verwendet wird (BFH-Urteile vom 2. August 1972 II R 43/71, [X.], 565, [X.] 1972, 867; vom 12. Mai 1965 II 59/62 U, [X.], 492, [X.]I 1965, 425) und auch keine anderweitige "[X.] vorliegt (BFH-Urteil vom 23. Mai 1989 VII R 110/86, [X.], 451, [X.] 1989, 907). Der insoweit erforderliche Nachweis obliegt dem Halter des Fahrzeugs.

b) Für den Streitfall ist das [X.] ohne Rechtsverstoß zu der Überzeugung gelangt, dass die Verwendung der Fahrzeuge des [X.] nicht dem Ausschließlichkeitserfordernis des § 3 Nr. 4 KraftStG genügt. Die Fahrzeuge wurden nach den tatsächlichen und nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] von den jeweiligen Fahrzeugführern regelmäßig für Fahrten zu ihrer Wohnung und zu ihren übrigen Arbeitsorten genutzt. Darin liegt unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen Anzahl der mit den Fahrzeugen durchgeführten Reinigungseinsätze eine befreiungsschädliche Mitbenutzung. Aus dem Umstand, dass die Fahrzeuge auch im Rahmen dieser Mitbenutzung für Straßenreinigungseinsätze bereitgehalten werden, ergibt sich keine ausschließliche Verwendung für Zwecke der Straßenreinigung.

Meta

II R 39/11

12.06.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 4. November 2010, Az: IV 368/06, Urteil

§ 119 Nr 3 FGO, § 3 Nr 4 KraftStG, Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.06.2012, Az. II R 39/11 (REWIS RS 2012, 5718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5718

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Wird zitiert von

6 K 130/18

6 K 821/17

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