Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. XII ZB 309/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4900

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII [X.] 309/11
Verkündet am:

19. Juni 2013

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
1572, 1578
b
Zur Begrenzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten Anspruchs auf Krankheitsunterhalt.
[X.], Beschluss vom 19. Juni 2013 -
XII [X.] 309/11 -
OLG Koblenz

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
Juni 2013 durch [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Günter und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 11.
Zivilsenats

3.
[X.] für Familiensachen

des [X.]s Koblenz vom 31.
Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Titels über nacheheli-chen Unterhalt.
Der 1958 geborene Antragsteller und die 1960 geborene [X.] sind in der ehemaligen [X.] geboren und aufgewachsen. Dort schlossen sie im März 1981 ihre kinderlos gebliebene Ehe. Im Jahre 1985 [X.] sie in die [X.] über. Die Beteiligten trennten sich 1
2
-
3
-

im November 1999 und
wurden auf einen im März 2001 zugestellten Schei-dungsantrag durch Urteil vom 13.
Juli 2001 geschieden. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich wurde nach Abtrennung aus dem [X.] durch Beschluss vom 7.
Januar 2002 geregelt; dabei wurden
monatliche Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in [X.] Gesamthöhe von 191,91

Februar 2001, von dem [X.] des Antragstellers auf das [X.] der [X.] übertragen.
Der Antragsteller schloss im September 2002 eine neue Ehe. Durch Ur-teil des Amtsgerichts vom 14.
März 2003 wurde er verurteilt, an die [X.] einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 830,63

zahlen. Dabei ging das Amtsgericht auf Seiten des Antragstellers von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von rund 4.300

ei es diese Einkünfte allerdings wegen eines nach der Trennung vollzogenen und als Karri-eresprung gewürdigten [X.] nur teilweise,
nämlich in Höhe von rund 3.100

Seiten der Antragsgegnerin eine
durch den Zuschlag an Entgeltpunkten im [X.] bereits aufgebesserte
Erwerbsunfähigkeitsrente in monatli-cher Höhe von rund 910

Der Antragsteller ist als Angestellter bei einer Bank beschäftigt. Aus s[X.] neuen Ehe sind zwei minderjährige, in den Jahren 2004 und 2006 geborene Kinder hervorgegangen, die von der nicht berufstätigen Ehefrau des [X.] betreut werden. Das derzeitige Nettoeinkommen des Antragstellers beträgt rund 4.600

uen Familie mietfrei in einer

allerdings noch nicht lastenfreien

Immobilie.
Die Antragsgegnerin hat in der früheren

zwischen 1975 und 1978 den Beruf der Schneiderin erlernt. Im [X.] absolvierte sie dort die
Wirt-3
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-
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schaftsoberschule, an der sie im Jahre 1983 das Reifezeugnis erwarb. [X.] und 1985 war sie als Betriebsleiterin in der Konfektionsherstellung beschäftigt. Nach der Übersiedlung in die [X.] im Jahre 1985 führte die Antragsgegnerin den Haushalt der Beteiligten. Zwischen 1987 und 1990 durchlief sie eine Umschulung zur Krankengymnastin; in diesem Beruf war sie bis 1991 teilschichtig berufstätig. Im Jahre 1993 wurde bei der Antragsgegnerin eine Multiple Sklerose diagnostiziert; seit September 1995 steht sie im Bezug einer
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Höhe derzeit 952

Im
vorliegenden
Verfahren hat der Antragsteller beantragt, die Unter-haltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin in
Abänderung des Urteils vom 14.
März 2003 mit Wirkung zum 1.
Juli 2010 entfallen zu lassen. Das Amtsge-richt hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben und das Urteil für den [X.]raum seit dem 1.
Juni 2011 dahin abgeändert, dass der Antragsteller nur noch zur Zahlung eines [X.]en Unterhalts in Höhe von 400

ist. [X.] Beteiligte haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Während das Rechtsmittel der Antragsgegnerin erfolglos geblieben ist, hat das Oberlan-desgericht der
Beschwerde des Antragstellers weitgehend entsprochen und erkannt, dass der Antragsteller für die [X.] vom 1.
Juni 2011 bis zum 31.
Dezember 2011 noch einen auf monatlich 400

t-tenunterhalt
zu zahlen habe und seit dem 1.
Januar 2012 keinen Unterhalt mehr schulde.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der [X.], mit der sie die vollständige Zurückweisung des [X.] des Antragstellers weiterverfolgt.

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7
-
5
-

Entscheidungsgründe:
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, den Un-terhaltsanspruch der Antragsgegnerin zu begrenzen, im Wesentlichen das [X.] ausgeführt:
Die Antragsgegnerin habe keine ehebedingten Nachteile erlitten. Selbst wenn sie ohne die Eheschließung mit dem Antragsteller schon früher in die [X.]
übergesiedelt wäre, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie hier ein Medizinstudium hätte absolvieren können. Das von ihr erwor-bene Reifezeugnis an der [X.] [X.] habe in [X.] lediglich zum Studium an der Fachoberschule berechtigt. Ohne eine weitere [X.] Schulausbildung hätte sie daher in der [X.] nicht Medizin studieren können, wobei es selbst dann äußerst fraglich gewesen wäre, ob sie die Voraussetzungen des Numerus Clausus für medizinische [X.] erfüllt hätte. Selbst wenn man dies unterstellte, hätte die [X.] auch im günstigsten Fall ein Medizinstudium nicht vor dem Jahre 1990 abschließen können. In der kurzen [X.] bis zu ihrer Erkrankung im Jahre 1993 hätte sie daher in keinem
Falle Versorgungsanwartschaften erwerben können, die sie nunmehr zum Bezug einer höheren Erwerbsunfähigkeitsrente als monat-lich 952

[X.] nach ihrer Übersiedlung durchgehend den erlernten Beruf als Schneiderin ausgeübt hätte, weil sie auch diese Tätigkeit im Jahre 1993 wegen ihrer Erkrankung hätte aufgeben müssen.
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6
-

Auch die bei der Antragsgegnerin diagnostizierte Multiple Sklerose und deren Verlauf hätten keine ehebedingten Ursachen. Zwar habe die [X.] unter Vorlage von [X.] vorgetragen, dass auch psychische Belastungen bei dem Verlauf der Krankheit eine Rolle spielen kön-nen. Demgegenüber habe der Antragsteller ein Merkblatt der [X.] zu den Akten gereicht, aus dem sich eine psychische Komponente des Krankheitsverlaufs gerade nicht entnehmen lasse. Der [X.] müsse nicht beweisen, dass eine beim Unterhaltsberechtigten bestehende Krankheit weniger schwerwiegend verlaufen wäre, wenn es nicht zu Streitigkeiten in der Ehe gekommen wäre. Hinzu komme, dass das von der Antragsgegnerin behauptete "lieblose und bewusst provozierende" Verhalten des Antragstellers von diesem bestritten werde und die Vernehmung der von der Antragsgegnerin dafür angebotenen Zeugen auf die Erhebung eines unzu-lässigen Ausforschungsbeweises hinausliefe. Auch ein medizinisches Sachver-ständigengutachten sei für die Beurteilung der von der Antragsgegnerin aufge-worfenen Frage, ob die "ehelichen Lebensverhältnisse ausnahmsweise die Krankheit ausgelöst bzw. verschlimmert hätten", nicht geeignet.
Für die Frage, ob der
Antragsteller weiterhin auch nach einer Unterhalts-zahlung von mehr als acht Jahren noch zu Unterhaltsleistungen an die [X.]
verpflichtet sei, komme es daher allein darauf an, ob dies die [X.]e Solidarität gebiete, wobei in diese Billigkeitsabwägung insbeson-dere die in §
1578
b Abs.
1 Satz
3 BGB genannten Kriterien einzubeziehen [X.]. Es habe sich bei einer Ehedauer von rund zwanzig Jahren um eine lange Ehe gehandelt, aus der Kinder nicht hervorgegangen seien. Der Umfang der Haushaltsführung durch die Antragsgegnerin habe sich in Grenzen gehalten, was dadurch verdeutlicht werde, dass die von den Beteiligten gemeinsam [X.] Zweizimmerwohnung nur 60
qm groß gewesen sei und die Antragsgeg-11
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-
7
-

nerin während der Ehezeit eine dreijährige Ausbildung zur Krankengymnastin absolviert habe.
Es sei aber auch zu berücksichtigen, wie dringend der Unterhaltsberech-tigte neben eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen sei. Wenn auch der Wegfall des Unterhalts durchaus eine einschneidende Veränderung
der Lebensverhältnisse
der Antragsgegnerin darstelle, könne sie mit ihrer Erwerbs-unfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 952

des notwendigen Selbstbehaltes decken. Soweit sie derzeit für Miete und Ne-benkosten monatlich 500

e-re Wohnung umziehen. Bezüglich der von ihr geltend gemachten Aufwendun-gen in
Höhe von monatlich 330

schon in der Ausgangsentscheidung darauf hingewiesen worden, dass z.B. der Kauf von Vitaminpräparaten nicht berücksichtigt werden könne, auch wenn [X.] für das körperliche und psychische Wohlbefinden möglicherweise wün-schenswert seien. Auch die mit der Haltung eines [X.]fahrzeuges verbundenen Kosten könnten auf Seiten der Antragsgegnerin nicht anerkannt werden, da sie deren Notwendigkeit nur pauschal erklärt habe.
Auf der anderen Seite sei zu prüfen, inwieweit der Unterhaltspflichtige durch den Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen oder den ange-messenen Unterhalt belastet werde. Zwar sei davon auszugehen, dass der [X.] selbst
dann noch in der Lage sei, den vom Amtsgericht in erster In-stanz zugesprochenen Unterhalt in Höhe von monatlich 400

auf der Leistungsstufe wieder eine Berechnung nach der Dreiteilungsmethode unter Berücksichtigung seiner zweiten Ehefrau durchgeführt werden würde. Trotz seiner grundsätzlich gegebenen Leistungsfähigkeit könne es dem [X.] nicht zugemutet werden, die Belastung der schicksalhaft und unabhängig von der Ehe eingetretenen Erkrankung der Antragsgegnerin weiter mitzutragen, 13
14
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8
-

nachdem er bereits neun Jahre [X.]en Unterhalt an die [X.] geleistet habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin im Wege des [X.] in Höhe von 191,91

zwei Kindern zu versorgen habe. Um der Antragsgegnerin die Anpassung an die neue finanzielle Situation zu ermöglichen, sei ihr ein Anpassungszeitraum bis Ende 2011 einzuräumen.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punk-ten stand.
1. Allerdings bestehen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde an der Zulässigkeit des [X.] im Sinne des §
238 Abs.
2 FamFG keine durchgreifenden Bedenken. Der Antragsteller kann sich hinsichtlich der Möglichkeit, den der Antragsgegnerin im Jahre 2003 zugesprochenen Krank-heitsunterhalt herabzusetzen und zu befristen, in zulässiger Weise auf eine Än-derung der Rechtslage durch das [X.] vom 21.
Dezember 2007 berufen.
Richtig ist zwar, dass schon vor dem Inkrafttreten der Unterhaltsreform gemäß §
1578 Abs.
1 Satz
2 BGB a.F. bei allen Tatbeständen des nacheheli-chen Unterhalts

mithin auch beim Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB

die grundsätzliche Möglichkeit bestand, im Rahmen einer Billigkeitsabwägung die Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen zeitlich zu begrenzen und danach auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. Allerdings wurde, anknüpfend an die frühere [X.]srechtsprechung zur Bedeu-15
16
17
-
9
-

tung der Ehedauer im Rahmen von [X.] nach §§
1578 Abs.
1 Satz
2, 1573 Abs.
5 BGB a.F. (vgl. insbesondere [X.]surteil vom 10.
Oktober 1990

XII
ZR
99/89

FamRZ 1991, 307, 310), die durch §
1578 Abs.
1 Satz
2 BGB a.F. eröffnete Möglichkeit einer zeitlich abgestuften [X.] beim Krankheitsunterhalt regelmäßig nur bei einer nicht ([X.]) langen Ehedauer in Erwägung gezogen (vgl. [X.] FamRZ 2003, 1110
f.; [X.] FamRZ 1998, 295, 296). Einen vollständigen Weg-fall des

auch herabgesetzten

Unterhalts erlaubte §
1578 Abs.
1 Satz
2 BGB a.F. ohnehin nicht ([X.]surteil vom 27.
Januar 1999

XII
ZR
89/97

FamRZ
1999, 710, 712).
2. Ein Anspruch auf [X.]en Unterhalt ist nach §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB in der seit dem 1.
März 2013 geltenden Fassung auf den ange-messenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen [X.] orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wah-rung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrau-ten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Gemäß §
1578
b Abs.
2 Satz
1 BGB ist ein Anspruch auf [X.]en Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die
Billigkeitsabwägung sind aus §
1578
b
Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und
aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe erge-ben. Ein [X.] Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der [X.] Ehegatte [X.] nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde.
18
-
10
-

a) Zutreffend ist zunächst die Beurteilung des [X.], dass der Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile entstanden sind.
[X.]) Mit
Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass das Krankheitsbild der Antragsgegnerin nicht im Zusammenhang mit der Rollenver-teilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen steht. Soweit dies den Ausbruch der erstmals im Jahre
1993 diagnostizierten [X.] betrifft, wird diese Beurteilung von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Doch auch für die

in Korrelation zur organischen Erkrankung

aufgetretenen Angstzustände und Belastungsstörungen der Antragstellerin [X.] sich keine ehebedingten Ursachen finden. Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine psychische Erkrankung selbst dann, wenn sie durch eine Ehekrise ausgelöst worden ist, für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von §
1578
b Abs.
1 Satz
2 BGB begründen kann. Bereits aus der Formulierung des Gesetzes geht hervor, dass ehebedingte Nachteile "durch" die Ehe verursacht sein müssen und hierfür die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit bedeutsam sind (§
1578
b Abs.
1 Satz
3 BGB). Daraus er-schließt sich, dass unter ehebedingten Nachteilen vornehmlich solche Einbu-ßen zu verstehen sind, die sich aus der ehelichen Rollenverteilung (§
1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die insbe-sondere mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen (vgl. [X.]surteile vom 30.
Juni 2010

XII
ZR
9/09
FamRZ 2010, 1414 Rn.
18 und vom 7.
Juli 2010

XII
ZR
157/08
FamRZ 2011, 188 Rn.
20). Die Erkrankung
des Unterhaltsbe-rechtigten wird daher in aller Regel nicht ehebedingt sein. Auch wenn im vorlie-genden Fall

was der Antragsteller allerdings bestreitet

die organische Krank-heit der Antragsgegnerin durch die im Zusammenhang mit der Ehekrise aufge-tretenen psychischen Belastungen einen ungünstigeren Verlauf genommen ha-ben sollte, wäre die Ursache dafür immer noch nicht in der Ehe als solcher oder 19
20
-
11
-

der mit ihr verbundenen Rollenverteilung zu suchen, sondern in den persönli-chen Umständen der Beteiligten und ihrer schicksalhaften Entwicklung beim Scheitern der Partnerschaft.
Dadurch ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unter-haltsberechtigten (mit-)verantwortlich sein und dies als Billigkeitsgesichtspunkt im Rahmen der nach §
1578
b Abs.
1 BGB gebotenen Abwägung berücksichtigt werden kann (vgl. [X.]surteile vom 30.
Juni 2010

XII
ZR
9/09
RZ 2010, 1414 Rn.
20 und vom 7.
Juli 2010

XII
ZR
157/08
FamRZ 2011,
188 Rn.
22). Auch bei dieser Würdigung wird indessen Zurückhaltung geboten sein. Da im Rahmen
der Billigkeitsabwägung nach §
1578
b Abs.
1 BGB generell keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens nach Kriterien subjektiver Vorwerfbarkeit stattfinden soll,
wird ein zur Ehekrise oder zur Trennung führendes Verhalten des Unterhaltspflichtigen in den meisten Fällen kein zusätzliches Maß an nach-ehelicher Solidarität gegenüber einem im Zusammenhang mit dem Scheitern der Ehe psychisch belasteten Ehegatten begründen können.
[X.]) Wenn beim Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB

wie regelmäßig

die Krankheit selbst keine ehebedingten Ursachen hat, ist ein [X.] Nachteil denkbar, soweit ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der [X.] in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Er-werbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsminderungsrente infolge-dessen geringer ist, als sie es gewesen wäre, wenn er seine Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt des [X.] fortgesetzt hätte.
Der Ausgleich unter-schiedlicher [X.] ist allerdings vornehmlich Aufgabe des [X.], durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten

von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen

ausreichend gewahrt wer-den. Ehebedingte Nachteile im Sinne von §
1578
b Abs.
1 Satz
2 BGB können 21
22
-
12
-

daher regelmäßig nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese [X.] ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nach-teile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehe-gatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (grundlegend [X.]surteil vom 16.
April 2008

XII
ZR
107/06
FamRZ 2008, 1325 Rn.
43; vgl. zuletzt [X.]surteil vom 20.
März 2013

XII
ZR
72/11
FamRZ 2013, 853 Rn.
37). Im Übrigen ist
das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die [X.] ohne die Ehe -
unter keinem denkbaren Verlauf ihrer beruflichen Karriere und unabhängig vom [X.]punkt ihrer Übersiedlung in die [X.] -
durch eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit keine höheren [X.] hätte erwerben können,
als ihr nach der Ehe und nach der [X.] des Versorgungsausgleiches tatsächlich zur Verfügung standen. Auch gegen diese Beurteilung erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
b) §
1578
b BGB beschränkt sich nach dem Willen des [X.] nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksich-tigt auch eine darüber hinausgehende [X.]e Solidarität. Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch dann, wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, eine Herabsetzung oder Befristung des nacheheli-chen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet ist. Bei der insoweit gebo-tenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der [X.]en Solidarität festzulegen.
Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der
Dauer der Ehe
insbesondere
die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung (vgl. [X.]surteil vom 23.
November 2011

XII
ZR
47/10
FamRZ 2012, 197 23
24
-
13
-

Rn.
31); dies gilt auch
beim Krankheitsunterhalt (vgl. [X.]surteil
vom 27.
Mai 2009

XII
ZR
111/08
FamRZ 2009, 1207 Rn.
39). Bei der Beurteilung der Un-billigkeit einer
fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Ab-wägung einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben sei-nen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige

auch unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflich-ten

durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird ([X.]surteile vom 2.
März 2011

XII
ZR
44/09
FamRZ 2011, 713 Rn.
24 und vom 20.
März 2013

XII
ZR
72/11

FamRZ 2013, 853 Rn.
42).
In diesem Zusammenhang kann auch die lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein ([X.] vom 30.
März 2011

XII
ZR
63/09
FamRZ 2011, 875 Rn.
22). Be-reits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach §
1578
b BGB ist außerdem zu be-rücksichtigen, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist, denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauens-schutz zu, was

wie das Gesetz in §
36 Nr.
1 EGZPO klarstellt

bei [X.] oder Unterhaltsvereinbarungen nach der bis zum 31.
Dezember 2007 be-stehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße gilt.
Die Abwägung aller für die
Billigkeitsentscheidung nach §
1578
b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.]surteile vom 2.
März 2011

XII
ZR
44/09
FamRZ 2011, 713 25
-
14
-

Rn.
14 und vom 17.
Februar 2010

XII
ZR
140/08
FamRZ 2010, 629 Rn.
37). Die Entscheidung des [X.] erscheint auch nach diesem
einge-schränkten Prüfungsmaßstab
rechtlich nicht völlig bedenkenfrei.
[X.]) Im Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings die Ansicht des [X.], dass es unter den obwaltenden Umständen die lange
Ehe-dauer von rund zwanzig
Jahren nicht allein rechtfertigt, aus Billigkeitsgründen von einer Begrenzung des Unterhalts abzusehen. Der [X.] hat bereits mehr-fach ausgesprochen, dass in solchen Fällen, in denen die fortwirkende nach-eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, die Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht gewinnt, welche insbesondere durch den Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder wegen der Haushaltsführung eingetreten ist; diese Grundsätze haben durch die am 1.
März 2013 in [X.] getretene Neu-fassung des §
1578
b Abs.
1 BGB keine grundlegenden Änderungen erfahren ([X.]surteil vom 20.
März 2013

XII
ZR
72/11

FamRZ 2013, 853 Rn.
34
f.;
vgl. auch [X.]surteil vom 20.
März 2013

XII
ZR
120/11

FamRZ
2013, 864 Rn.
35).
Soweit in der Ehezeit eine wirtschaftliche Abhängigkeit der [X.] von dem beruflich erfolgreichen Antragsteller eingetreten ist, beruhte
dies entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gerade nicht in einem besonderen
Maße auf der Rollenverteilung in der kinderlosen Ehe der Beteiligten. Vor der Ausreise aus der ehemaligen [X.]
im Jahre 1985 stand die [X.] durchgehend in der beruflichen Ausbildung und im Erwerbsleben. Nach der Übersiedlung hatte die Antragsgegnerin in [X.] zwischen 1987 und 1990 eine mehrjährige berufliche Fortbildung zur Krankengymnastin durchlaufen. Sie war anschließend im [X.]

wenn auch nur kurz-fristig und teilschichtig

berufstätig, so dass jedenfalls
nicht davon ausgegan-26
27
-
15
-

gen werden kann, dass die Antragsgegnerin wegen der gemeinsamen Über-siedlung
der Eheleute in die [X.] oder wegen des zeitweiligen Ver-zichts auf eigene Berufstätigkeit in den Jahren zwischen 1985 und 1987 sowie zwischen 1991 und 1993 bereits vor dem Ausbruch ihrer Erkrankung den [X.] an den ([X.]n) Arbeitsmarkt verloren hätte. Die wirtschaftliche [X.] der Beteiligten beruhte daher im Wesentlichen darauf, dass die [X.] bereits sehr früh, nämlich im Alter von 33
Jahren,
erwerbsunfähig erkrankte, mithin auf einer schicksalhaften Entwicklung, die ein unterhaltspflich-tiger Ehegatte auch bei langer Ehedauer nicht ohne weiteres unbegrenzt mitzu-tragen hat.
[X.]) Eine umfassende Würdigung aller für die Billigkeitsentscheidung maßgebenden Gesichtspunkte hat allerdings auch in den Blick zu nehmen, in-wieweit der unterhaltspflichtige
Ehegatte
seinen beruflichen Aufstieg und sein heute erzieltes Einkommen in einem besonderen Maße der geschiedenen Ehe mit dem Unterhaltsberechtigten zu verdanken hat (vgl. auch [X.]surteil vom 21.
September 2011

XII
ZR
121/09
FamRZ 2011, 1851 Rn.
24). Insoweit hat das Beschwerdegericht einen möglicherweise erheblichen Verfahrensstoff nicht in seine Abwägung einfließen lassen. Die Antragsgegnerin hat [X.] vorgetragen, dass der Antragsteller nur aufgrund seiner Ehe mit ihr
im Jahre 1985 und damit lange vor den politischen Veränderungen in Osteuropa aus der ehemaligen [X.] in das Gebiet der alten [X.] auswandern und dadurch die Grundlagen seiner erfolgreichen beruflichen Lauf-bahn in [X.] legen konnte. Zudem
ist es nicht streitig gewesen, dass sich der Antragsgegnerin bereits im Jahre 1982 die Möglichkeit geboten hätte, mit ihren Eltern in die [X.] überzusiedeln, sie von dieser Möglichkeit aber deshalb Abstand genommen hatte, weil der Antragsteller in
der damaligen noch seinen Wehrdienst ableisten und sein Studium beenden musste. Stellen sich,
was gegebenenfalls näherer Sachaufklärung bedarf, die heutigen 28
-
16
-

Einkommensverhältnisse des Antragstellers indessen als Fortwirkung von [X.] dar, die sich ihm

gleichsam als [X.] Vorteil

nur durch die Übersiedlung nach [X.] eröffnen
konnten, vermag dies grundsätz-lich
ein höheres Maß an [X.]er Solidarität gegenüber dem geschiede-nen Ehegatten zu begründen.
Mit Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Erwägungen des [X.] zum Lebensbedarf der Antragsgegnerin. Diese
hat geltend gemacht, monatlich 180

des [X.], dass die von der Antragsgegnerin behaupteten [X.] keine notwendigen, sondern lediglich nützliche Medikamente wie beispielsweise Vitaminpräparate beträfen, findet im Vortrag der Beteiligten und im sonstigen Akteninhalt keine Stütze. Träfe
es aber zu, dass die [X.] krankheitsbedingte Aufwendungen in einer solchen Größenordnung zu bestreiten hat, würde
dadurch der über dem Existenzminimum liegende Teil der Erwerbsunfähigkeitsrente der Antragsgegnerin weitgehend aufgezehrt; in [X.]m Falle würden
ihr aus den
laufenden Renteneinkünften
die Mittel für die Hal-tung eines [X.]fahrzeuges und für die Aufrechterhaltung ihrer bisherigen, nach sozialhilferechtlichen Maßstäben möglicherweise unangemessenen, aber [X.] übertrieben luxuriösen Wohnverhältnisse tatsächlich nicht mehr ver-bleiben.
[X.]) Es erscheint daher möglich, dass das Beschwerdegericht, welches selbst davon ausgeht, dass der Antragsteller aufgrund seiner überdurchschnitt-lich günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch
in Ansehung der Unterhalts-pflicht für seine zweite Ehefrau und die beiden aus dieser Ehe [X.] Kinder durch
Unterhaltszahlungen an die Antragsgegnerin "nicht übermä-ßig"
belastet werden würde, bei vollständiger Berücksichtigung der [X.] Aspekte zu dem Ergebnis gelangt, der Antragsgegnerin einen

gegebe-29
30
-
17
-

nenfalls deutlich herabgesetzten

Krankheitsunterhalt für einen längeren [X.]-raum zu belassen.
Dose

Klinkhammer

Schilling

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.11.2010 -
6 F 39/10 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 31.05.2011 -
11 UF 806/10 -

Meta

XII ZB 309/11

19.06.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. XII ZB 309/11 (REWIS RS 2013, 4900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4900

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XII ZB 309/11

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