Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2004, Az. X ZR 136/00

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2723

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der [X.]

- 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22. Juni 2004 durch [X.] Melullis, [X.] und Scharen, die Richterin [X.] und [X.] Meier-Beck

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Mai 2000 [X.] Urteil des 4. [X.]s ([X.]) des [X.] abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des am 29. März 1983 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Voranmeldung vom 8. April 1992 angemelde-ten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 0 091 892 ([X.]). Das Streitpatent wird - 3 - vom [X.] unter Nr. 33 78 349 geführt. Es betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung beim Melken von Kühen und umfaßt zehn Patentansprüche.
Patentanspruch 1 lautet in der [X.]:
"A method of milking cows which are permitted to go loose and to find their way individually to one or more stalls constructed for feed-ing, in [X.], characterized in that the computer (5) is utilized, [X.], to record the points of time at which every cow is milked and, [X.], to active - in [X.] (1) to eat, and provided that a predeter-mined time has passed after the cow in question was last milked - a device (8) for automatic application of milking means (6) to the ud-der of the cow and for starting a milking operation, [X.]."

In [X.] Übersetzung lautet Patentanspruch 1:

"Verfahren beim Melken von Kühen, die frei laufen und sich [X.] zu einer oder mehreren zum Füttern vorgesehenen Boxen be-geben können, in denen sie automatisch mit Hilfe eines an verwen-dete Identifikations-Fütterungsvorrichtungen angeschlossenen Computers identifiziert und gefüttert werden, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Computer (5) einer-seits dazu verwendet wird, die [X.]punkte zu erfassen, an denen [X.] Kuh jeweils gemolken wird und andererseits, um im [X.] - hang mit der Identifizierung einer zu einer [X.] (1) zum Essen kommenden Kuh - falls eine vorgegebene [X.] verstrichen ist, seit-dem die jeweilige Kuh zuletzt gemolken wurde - eine Vorrichtung zum automatischen Anbringen von [X.] (6) am Euter der Kuh zu aktivieren und einen [X.] einzuleiten, wobei die Kuh während des Melkens daran gehindert wird, die Box zu verlassen."
Der auf eine Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach [X.] gerichtete Patentanspruch 5 hat folgenden Wortlaut: "Apparatus for carrying out the method claimed in claim 1, for use when the cows carry identification means adapted to cooperate with sensing means (3) connected to a computer (5), characterized in that at least one stall (1) is provided with a means for identification of a cow, feeding means (9) which is controllable under the influence of the computer (5), retaining means (4, 4', 4") for preventing the cow from leaving the stall and a robot (8) for application of milking means (6) to the teats of the cow and for removing said means after milking, [X.] (5) including means for recording the point of time at which every identified cow was previously milked, [X.], means connected to such comparing means for activating the retaining means (4, 4', 4") and the robot (8) and sub-sequently deactivating same after milking."
In [X.] Übersetzung lautet Patentanspruch 5:
- 5 - "Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1, zur Verwendung bei Kühen, die Identifikationsorgane tragen, die mit ei-nem Abtastorgan (3) zusammenwirken könne, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß wenigstens eine Box (1) mit einem Organ zum Identifizieren einer Kuh, einer unter Einfluß des Computers (5) steuerbaren Futtervorrichtung (9), einem Fest-halteorgan (4, 4', 4"), das die Kuh daran hindert, die Box zu ver[X.]n, sowie mit einem Roboter (8) zum Anbringen von [X.] (6) an den Zitzen des Euters der Kuh und zum Entfernen der ge-nannten [X.] nach dem Melken versehen ist, wobei [X.] (5) Organe zur Übertragung des [X.]punktes, an dem jede iden-tifizierte Kuh zuletzt gemolken wurde, Mittel zum Vergleich der seit dem übertragenen [X.]punkt verstrichenen [X.] mit einer vorgege-benen [X.]spanne, sowie mit diesem Vergleichsorgan verbundene Mittel zum Aktivieren der Festhalteorgane (4, 4', 4"), sowie des Ro-boters (8) und zur anschließenden Deaktivierung derselben nach dem Melken aufweist."
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 bzw. 5 zu-rückbezogenen Patentansprüche 2-4 und 6-10 wird auf die [X.]chrift verwiesen.
Die Klägerin will erreichen, daß das Streitpatent im Umfang der [X.] und 10 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt wird. Sie hat dazu vorgetragen, die Lehre des [X.] sei gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erwei-tert und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Klägerin hat beantragt, - 6 - das [X.] Patent 0 091 892 mit Wirkung für das Hoheits-gebiet der [X.] im Umfang der [X.] und 10 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Das [X.] hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage erstrebt.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der [X.] hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. H. W.

einge- holt, das der gerichtli[X.] in der mündlichen Verhandlung er-gänzt und erläutert hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des an-gefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der [X.] ist nicht davon - 7 - überzeugt, daß der Gegenstand der Patentansprüche 1-7 und 10 nicht auf er-finderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) beruht.
Obwohl das Streitpatent inzwischen durch [X.]ablauf erloschen ist, hat die Klägerin weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Verfolgung der Nichtig-keitsklage, denn die Parteien führen einen Verletzungsrechtsstreit, der bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Nichtigkeitsberufungsverfahrens ausgesetzt ist (vgl. [X.], Patentnichtigkeits- und Nichtigkeitsberufungsverfahren Rdn. 77 m.w.[X.]).
[X.] 1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren beim Melken von Kühen, die in Ställen gehalten werden, in denen sie sich frei bewegen können (sog. Laufstäl-len). In solchen Laufställen können die Kühe einzeln ihren Weg zu einem Fut-terstand oder mehreren [X.] finden. Dort werden sie mit Hilfe eines Rechners selbsttätig identifiziert und gefüttert. Die [X.]chrift weist auf ein Beispiel für eine solche selbsttätig arbeitende mechanisierte Anlage zum [X.] hin (Landtechnik, Bd. 37 [1982], [X.]-264; [X.]. 1 Z. 10-12).
Die [X.]chrift beschreibt sodann die Schwierigkeiten, die das Melken von Kühen auch bei modernen Melkanlagen mit sich bringe; es falle Handarbeit an, die schwer und unter ergonomischen Gesichtspunkten proble-matisch sei. Um das Risiko von häufig auftretenden Rückenschädigungen der dort tätigen Personen zu verringern, sei versucht worden, Melkstationen zu ent-wickeln, in denen der Raum für die zu melkende Kuh und derjenige für das [X.], das die Melkeinrichtung ansetze und abnehme, auf unterschiedlicher Hö-he angeordnet seien. Auch habe man versucht, die anfallende Handarbeit teil-weise zu automatisieren, beispielsweise das Anlegen der Zitzenbecher an die Zitzen des Euters der Kuh. Das Streitpatent verweist in diesem Zusammenhang - 8 - auf die [X.] in Landtechnik Band 35 (1980) Seiten 222-224 und die [X.] 4 010 714 (vgl. [X.]. 1 Z. 26-31). Die [X.] umfaßten auch Einrichtungen zum Festhalten der Kuh in einem Stand, zum anschließenden Freilassen sowie zum Waschen des Euters, zum Ansetzen und Abnehmen der Zitzenbecher und zur Massage des Euters zwecks Erleichterung des Melkens.
Schließlich hebt die [X.]chrift hervor, daß üblicherweise jede Kuh zweimal täglich gemolken werde, obwohl die Forschung gezeigt habe, daß sich ohne Schäden für die Kuh die Milchproduktion um 15 bis 25 % steigern [X.], wenn die Kuh drei- oder sogar viermal täglich gemolken werde. Bisher habe es jedoch der höhere Arbeitsaufwand durch zusätzliches Melken unmöglich gemacht, diese Forschungsergebnisse zu nutzen, da die zusätzlichen Einnah-men aus dem höheren Milchaufkommen die zusätzlichen Arbeitskosten nicht ausglichen ([X.]. 1 Z. 39-50).
Das Streitpatent will zugleich das Problem lösen, die Milchproduktion [X.] zu beeinflussen und eine hohe Automatisierung des Melkens unter Verzicht auf den Einsatz von Personal zu erreichen, indem möglichst weitgehend selbst-tätig arbeitende Einrichtungen zum Ansetzen und Abnehmen der Melkeinrich-tung und für die damit zusammenhängenden Maßnahmen eingesetzt werden.
Das Streitpatent schlägt zur Lösung des Problems ein Melkverfahren mit folgenden Merkmalen vor: Verfahren zum Melken von Kühen

a) die Kühe laufen frei und können sich individuell zu einer oder mehreren zum Füttern vorgesehenen Boxen begeben. - 9 - b) Die Kühe werden in den Boxen automatisch mit Hilfe eines Computers identifiziert und gefüttert, b1) der Computer ist an Identifikations- und Fütterungsmittel angeschlossen, b1.1) der Computer erfaßt die [X.]punkte, zu denen jede Kuh je-weils gemolken wird, [X.]) der Computer aktiviert a) im Zusammenhang mit der Identifizierung einer zum Fressen zur [X.] kommenden Kuh, b) falls eine vorbestimmte [X.] verstrichen ist, seitdem die jeweilige Kuh zuletzt gemolken wurde, c) eine Vorrichtung zum automatischen Anbringen von [X.] am Euter der Kuh zur Einleitung eines [X.], b1.3) die Kuh wird (computergesteuert) während des Melkens daran gehindert, die Box zu verlassen.
Das Streitpatent schlägt ferner eine Vorrichtung zur Ausführung des [X.] nach Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen vor:
Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1

1. Die Vorrichtung dient zum Einsatz bei Kühen, die Identifikati-onsmittel tragen, die mit [X.] zusammenwirken [X.], 1a) die [X.] sind mit einem Computer verbunden, 2. mindestens eine Box ist versehen mit 2a) Mitteln zum Identifizieren einer Kuh, 2b) unter Einfluß des Computers steuerbaren Fütterungsmitteln, - 10 - 2c) [X.]n, die die Kuh daran hindern, die Box zu ver[X.]n, 2d) sowie einem Roboter zum Anbringen von [X.] an den Zitzen des Euters der Kuh und zum Entfernen der [X.] nach dem Melken, 3. der Computer der Vorrichtung weist auf 3a) Mittel zur Aufzeichnung des [X.]punktes, an dem jede identifi-zierte Kuh zuletzt gemolken wurde, 3b) Mittel zum Vergleich der nach dem aufgezeichneten [X.]punkt verstrichenen [X.] mit einer vorbestimmten [X.]spanne, 3c) mit diesen [X.] verbundene Mittel zum Aktivieren der [X.] sowie des Roboters und zur anschließenden Deaktivierung derselben nach dem Melken.
2. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 hat danach im wesentlichen zum Ziel, den [X.] zur Entlastung von Personal zu automatisieren und die Melkfrequenz zur Erzielung eines höheren Milchaufkommens zu erhöhen. Das Melksystem gemäß Patentanspruch 1 beruht darauf, daß anders als bei konventioneller Melktechnik die Tiere nicht zu geregelten Tageszeiten zwei- oder dreimal täglich unter Aufsicht von Personal gemolken werden, das zudem die Melkeinrichtung bedient, insbesondere anlegt und abnimmt, sondern daß jede Kuh zu jeder [X.] sich "freiwillig" in eine Freß-/Melkbox begeben kann. [X.] werden dabei die auch von der [X.]chrift als bekannt bezeichne-ten Verfahren zum selbsttätigen [X.], bei denen die Kuh, wenn sie eine [X.] erreicht hat, mittels eines sogenannten Responders o-der Transponders, d.h. eines an einem Halsband angeordneten Senders, der ein kodierbares Signal abgibt, durch einen Rechner identifiziert wird und nach vorgegebenem Bedarf eine individuell bestimmte [X.] erhält. Die-ser Rechner wird bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 des [X.] - 11 - zugleich dazu verwendet, die [X.]punkte aufzuzeichnen, zu denen die Kuh ge-molken wird und, wenn eine vorbestimmte [X.]spanne seit dem letzten Melken vergangen ist, eine Vorrichtung zu aktivieren, die das Melkgerät selbsttätig an das Euter der Kuh ansetzt und einen [X.] einleitet sowie die Kuh in der [X.] festhält, solange der [X.] andauert. Damit beschreibt Patentanspruch 1 des [X.] ein Gesamtsystem für die Fütterung und das Melken von Kühen.
I[X.] Dieses Verfahren ist neu. Es war bis zum Prioritätszeitpunkt in keiner [X.] vollständig beschrieben.
1. Die in der [X.]chrift genannte [X.] 4 010 714 be-schreibt ein System für das automatische Melken von Kühen in [X.] in einem Anbindestall. Die Kuh wird dabei in einem Melkstand, während ihr Futter verabreicht wird, fixiert und es werden sodann Zitzenbecher auf dem Boden angeordnet, zwischen den Beinen der Kuh angehoben und an die Zitzen ange-setzt. Die [X.] beschreibt weiter die Vor- und Nacharbeiten zum [X.], das Reinigen des Euters, das Ansetzen des [X.] mittels eines [X.] und die Entfernung der [X.] aus dem Kuheuter nach Beendigung des [X.]s. Nicht beschrieben wird in der [X.] der technische Vorgang zum Betreten einer Melk- oder einer [X.], die rechnergestützte Identifizierung der Kuh, die au-tomatisierte Kraftfuttervorlage und das Freisetzen der Kuh aus der Box sowie die für diese Vorgänge erforderlichen technischen Ausstattungen. Auch be-schreibt die [X.] nicht das rechnergestützte Registrieren von Daten einzelner Kühe zum [X.].
2. Die Publikation "[X.] - [X.] - Computer" aus dem Jahre 1980 des [X.] für Mechanisierung, Arbeit und Gebäude in [X.]/[X.] - 12 - gibt einen Überblick über den Stand der Technik im Jahre 1980 bezüglich der Identifizierung von einzelnen Kühen einschließlich der automatisierten Kraftfut-terzuteilung sowie weiter der rechnergestützten Datenverarbeitung von [X.] zur Erfassung der Milchmenge und von Techniken zur automati-schen Erfassung der Körpertemperatur der Kühe und zur Gesundheitsüberwa-chung. Nicht enthalten sind in dieser Publikation Angaben zum automatisierten [X.].
3. Der Jahresbericht 1980 der Versuchsstation für Tierhaltung und Tier-züchtung Unterer Lindenhof der [X.] befaßt sich, unbescha-det der zwischen den Parteien streitigen Frage, wann er veröffentlicht worden ist, mit Fragestellungen in Zusammenhang mit der automatisierten Kraftfutter-abgabe und damit einhergehender Melkvorgänge. Ziel der Untersuchung war es, experimentell zu überprüfen, wie sich bei hohen und unregelmäßigen [X.] und Melkfrequenzen die Merkmale der Melkbarkeit und der Milchleistung verändern. Der Darstellung der Untersuchungsergebnisse ist zu entnehmen, daß dabei eine Box mit [X.] zum Einsatz kam, zu der die Kü-he "freiwilligen" Zutritt erhielten und daß die Kühe vier- bis fünfmal täglich unter Einhaltung von [X.] von drei Stunden gemolken wurden. Der Bericht enthält keine Angaben dazu, ob bei dem [X.] ein System für das automatische Melken von Kühen wie in der [X.] beschrieben zum Einsatz kam oder ob das Ansetzen des [X.] am Euter in [X.] Technik erfolgte. Ferner sagt der Bericht nichts darüber aus, ob die anfallenden Daten automatisch gespeichert oder von Hand aufgezeichnet [X.].
II[X.] Der [X.] ist nicht davon überzeugt, daß das Verfahren nach [X.] des [X.] für den [X.] und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. - 13 -
1. Wie der gerichtli[X.] in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, handelt es sich bei dem maßgeblichen [X.] entweder um einen Ingenieur für Automatisierungstechnik mit Fachhochschul- oder universitärer Ausbildung, der in mehrjähriger Berufserfahrung [X.] über Automatisierungs-, Prozeß- und Sensortechnik erworben hat und im Rahmen seiner Praxiserfahrung sich zugleich Spezialwissen aus der Nutztierhaltung angeeignet hat, oder um einen Agrarwissenschaftler, der zu-gleich über Spezialkenntnisse auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik ver-fügt. Dieser Fachmann arbeitet bei der Entwicklung von Lösungen, wie sie die [X.]chrift vorschlägt, jeweils mit Fachleuten auf dem jeweils anderen Gebiet eng zusammen.
Diesem Fachmann waren die Elemente, aus denen sich das in [X.] beschriebene Verfahren zusammensetzt, bekannt. Ihm waren [X.] zur [X.] bekannt, bei denen frei laufende Kühe, die eine [X.] zur Kraftfutteraufnahme aufsuchen, mit Hilfe des Einsatzes eines Rechners identifiziert und registriert werden und eine tierindividuelle Kraftfut-termenge vorgelegt bekommen. Wie der gerichtli[X.] überzeu-gend dargelegt hat, boten mehrere Unternehmen solche Anlagen an. Belegt wird dies auch durch die Publikation 146 des [X.], Ar-beit und Gebäude in [X.]/[X.] "[X.] - [X.] - Computer". Die [X.]chrift selbst nennt als ein solches Beispiel die [X.] in Landtechnik Band 37, 1982, Seiten 261-264 ([X.]. 1 Z. 10-13). [X.] waren dem Fachmann automatische Melksysteme bekannt, wenn diese auch, wie der gerichtli[X.] ausgeführt hat, erst ab 1988/90 in praxistauglicher Form zur Verfügung standen. Bei diesen Systemen wird der Kuh automatisch das Melkzeug angelegt und ein [X.] eingeleitet. [X.] des [X.]s wird das Tier fixiert. Für diese Systeme ist das automa-- 14 - tische Anlegen des [X.] unter Einsatz eines Melkroboters [X.], wie es die im [X.]alte 1 Zeile 31 genannte [X.] 4 010 714 beschreibt. Dabei lag, wie der gerichtli[X.] ausge-führt hat, seinerzeit das Hauptproblem darin, das automatische Ansetzen der Zitzenbecher an die einzelnen Zitzen des Euters unter Zuhilfenahme eines Melkroboters zu bewerkstelligen.
Dem Fachmann war schließlich bekannt, daß eine erhöhte Melkfrequenz positive Auswirkungen auf die Milchleistung hat. Dies hebt die [X.] in Spalte 1 Zeilen 39-50 hervor und führt aus, daß diese Forschungser-gebnisse nur deshalb nicht genutzt worden seien, weil die durch zusätzliche Melkvorgänge anfallenden Kosten durch die höhere Milchleistung nicht ausge-glichen würden. Bekannt war, wie der gerichtli[X.] überzeu-gend dargelegt hat, auch, daß eine Erhöhung der Futterfrequenz mit kleineren Teilgaben positive physiologische Effekte mit sich brachte.

Waren dem Fachmann diese Elemente bekannt, so lag es für ihn nahe, daß es das Ziel seiner Überlegungen sein mußte, für das Halten von Milchkü-hen in Laufställen das Fütterungssystem mit automatischer Tieridentifizierung und Kraftfutterversorgung und das automatische Melken mittels eines Melkro-boters miteinander zu verbinden. Dazu mußte der Fachmann den Rechner, der für die [X.] eingesetzt wird, zugleich dafür verwenden, Daten über das Melken zu erfassen und zu speichern. Hierzu fand er insofern ein Vorbild in der [X.] "[X.] - [X.] - Computer", als auch dort [X.] beschrieben werden, bei denen der Computer nicht nur zur Kraftfutterdosie-rung verwendet wird, sondern auch Angaben über die Milchproduktion erfaßt und speichert ([X.], [X.]). Weiter mußte der Fachmann den [X.] zugleich als Melkstand vorsehen. Auch dies wird in der [X.] "[X.] - [X.] - Computer" unter der Überschrift "[X.] - lung" beschrieben. Diese Kombination war für sich naheliegend, weil bei den [X.]ssystemen die Identifizierung der Kuh vor dem Füttern erfolgte. Der Fachmann mußte ferner den Rechner zum Aktivieren des [X.] verwenden. Hierfür fand er im Stand der Technik kein Vorbild, jedoch lag es nahe, den Rechner, der die Daten über [X.] und Melkvorgänge erfaßte und speicherte, auch für diesen Zweck zu nutzen. Der Fachmann muß-te zudem Mindestabstände zwischen dem [X.] einhalten und anderer-seits auch gewährleisten, daß bei jeder Kuh im gewünschten Maße, nämlich häufiger als üblich, ein [X.] durchgeführt werden konnte. Dazu waren Kenntnisse über das Tierverhalten erforderlich, die erst bei Einsatz von [X.], wie sie das Streitpatent vorschlägt, zu gewinnen waren. Dem Fachmann war es mangels solcher Kenntnisse allenfalls möglich, durch Versuche zu klä-ren, ob er dieses Ziel erreichte.
Die genannten Maßnahmen mögen jede für sich naheliegend gewesen sein. Der [X.] ist aber nicht davon überzeugt, daß auch ihre Kombination [X.] hat. Dabei hat der [X.] die Schwierigkeiten berücksichtigt, die der Fachmann zu überwinden hatte, wenn er die vorgenannten Schritte erwog. Ein Gesichtspunkt dabei ist es, daß die Entwicklung zur damaligen [X.] in eine an-dere Richtung ging. Der gerichtli[X.] hat überzeugend darge-stellt, daß die Mehrzahl der Fachleute nicht an der Entwicklung eines [X.] Prozesses für eine rechnergestützte Milchviehhaltung in Laufställen un-ter Implementierung eines automatischen Melkverfahrens gearbeitet hat, [X.] die große Herausforderung darin sah, das Problem des automatischen Anrüstens mit anschließendem automatischen [X.] technisch zu lösen und eine hohe Erfolgsrate beim Anrüstvorgang zu realisieren. Zum anderen hatte sich, wie der gerichtli[X.] zur Überzeugung des [X.]s dargestellt hat, die Kombination des [X.] mit dem [X.] eher als ungeeignet erwiesen. Sie führte einerseits zu einer unerwünscht hohen Ver-- 16 - weildauer in der [X.]/Melkbox, weil die Kuh zur Aufnahme des ihr zuge-teilten [X.] mehr [X.] benötigte, als der [X.] in Anspruch nahm. Andererseits hatte sich die Aufnahme der hohen benötigten [X.]n beim [X.] als ernährungsphysiologisch problematisch erwiesen. Für den Fachmann gab es daher, wie es der gerichtli[X.] ausge-drückt hat, mehrere Gründe, "mit dem Kraftfutter aus dem Melkstand herauszu-gehen". Über die Bewältigung dieser Probleme hinaus mußte der Fachmann, um zur Lösung nach dem Streitpatent zu gelangen, weiter die übliche Vorgabe bestimmter Melkzeiten verlassen und zu der Erkenntnis gelangen, daß er bes-sere Ergebnisse dadurch erzielen konnte, daß er es sozusagen der Kuh über-ließ, Melkzeitpunkt und Melkhäufigkeit zu bestimmen, indem er den [X.] - unter Einhaltung von [X.] - davon abhängig machte, daß die Kuh "freiwillig" die [X.] aufsuchte.

Angesichts der Komplexität dieser Anforderungen vermag der [X.] nicht festzustellen, daß die patentgemäße Kombination der einzelnen [X.] zu einem Gesamtverfahren für das automatische Melken, Identifizieren und Füttern von Kühnen nahegelegen hätte.
Dies ergibt sich auch nicht, wenn man unterstellt, daß der Jahresbericht 1980 der Versuchsstation für Tierhaltung und Tierzüchtung Unterer Lindenhof der [X.] vor dem Prioritätszeitpunkt veröffentlicht worden ist. Zwar wird in der Schrift davon berichtet, daß eine höhere Milchleistung erzielt werden konnte, indem die Versuchstiere unter Einhaltung einer [X.] bei jedem Besuch des Transponderautomaten, der gleichzeitig als Melkstand diente und zu dem die Kühe "freiwilligen Zutritt" hatten, gemolken wurden. Dem Bericht ist jedoch nicht zu entnehmen, daß die Melkeinrichtung beim "freiwilligen" Zutritt der Kuh zum Transponder mittels eines Melkroboters automatisch angelegt wurde. Allenfalls konnte der Fachmann, wie der gerichtli-- 17 - [X.] ausgeführt hat, dem Bericht entnehmen, daß der Melk-vorgang mechanisch und nicht von Hand durchgeführt wurde. Ob dabei kon-ventionelle Melktechnik mit Ansetzen des [X.] am Euter zum Einsatz kam oder ob das Ansetzen des [X.] automatisch erfolgte, läßt sich dem Bericht ebensowenig entnehmen, wie, ob die anfallenden Daten automatisch registriert wurden oder von Hand aufgezeichnet wurden. Der [X.] ist daher nicht davon überzeugt, daß der Fachmann, dem schon seit langem bekannt war, daß häufigeres Melken sich vorteilhaft auf die Milchleistung auswirkt, der ihm durch den Bericht zusätzlich vermittelten Erkenntnis, daß die [X.] auch unregelmäßig sein können, eine Anregung für das erfindungs-gemäße automatisierte [X.] und Melkverfahren entnahm.
Patentanspruch 1 hat daher ebenso Bestand wie Patentanspruch 5, der eine Vorrichtung zur Durchführung des in Patentanspruch 1 beschriebenen [X.] angibt, und die weiter angegriffenen [X.], die vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens und der Vorrichtung beschreiben. - 18 - [X.] Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit §§ 91 Abs. 1 ZPO.

[X.]Scharen

[X.] Meier-Beck

Meta

X ZR 136/00

22.06.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2004, Az. X ZR 136/00 (REWIS RS 2004, 2723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Patentnichtigkeitssache: Unzulässige Erweiterung des Gegenstandes des Patentanspruchs


7 Ni 22/19 (EP) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung.


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