Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2010, Az. IX ZR 34/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8545

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]ZR 34/09 Verkündet am: 11. März 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja[X.]§ 49 Im Falle der freihändigen Verwertung eines Erbbaurechts erwirbt der [X.]wegen dinglicher [X.]und Grundsteuern kein Absonderungsrecht an dem Erlös, wenn die Belastungen nach der Veräußerung fortbestehen. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - [X.]ZR 34/09 - [X.] - 2 - Der IX. Zivilsenat des [X.]hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2010 durch [X.]Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.]wird unter Zurückweisung der Revision der [X.]das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Braunschweig vom 14. Januar 2009 aufgehoben und das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.]vom 19. Februar 2008 abgeändert: Die Widerklage wird abgewiesen. Die [X.]trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 3. September 2001 über das Vermö-gen der [X.]und Co., [X.](nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insol-venzverfahren. 1 - 3 - Die Schuldnerin war im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung [X.]an dem Grundstück R. straße in W. , das im Eigentum der beklagten [X.]steht. Durch notariellen Vertrag vom 27. Oktober 2003 übertrug der Kläger das Erbbaurecht zum Preis von 125.000 • auf M. und Mu. Z. ; für beide Vertragsseiten handelten jeweils vollmachtlose Vertreter. Mit notariellem Vertrag vom 12. Januar 2004, der ebenfalls unter Einschaltung vollmachtloser Vertreter zustande kam, wurde der [X.]vom 27. Oktober 2003 dahin abgeändert, dass ein Nettokaufpreis von 107.758,62 • zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin ein Bruttokaufpreis von 125.301,72 •, vereinbart wurde. Die Vertragspartner genehmigten die Verträge; die [X.]stimmte als Grundstückseigentümerin der Übertragung des [X.]am 17. Mai 2004 zu. 2 Die [X.]begehrt jetzt noch aus dem Veräußerungserlös die abge-sonderte Befriedigung wegen [X.]und Grundsteuern. Der Kläger hat die Feststellung beantragt, dass die [X.]kein Recht auf abgesonderte Be-friedigung an dem Erbbaurecht hat. Diesen Antrag haben die Parteien überein-stimmend für erledigt erklärt, nachdem die [X.]im Wege der Widerklage Zahlung von 7.670,72 • verlangt hat. Nach uneingeschränkter Stattgabe der Widerklage durch das [X.]hat das Berufungsgericht den Kläger zur Zahlung von 2.039,92 • verurteilt und die Revision zugelassen. Die [X.]erstrebt mit ihrer Revision eine Verurteilung des [X.]zur Zahlung von weite-ren 3.446,87 •, während der Kläger mit seinem Rechtsmittel die Abweisung der Widerklage begehrt. 3 - 4 - Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.]hat Erfolg, während die Revision der [X.]unbegründet ist. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der [X.]stehe wegen der restlichen [X.]für die Jahre 2002 und 2003 ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.039,92 • gegen den Kläger zu. Das auf § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG beruhende Absonderungsrecht der [X.]setze sich ebenso wie bei einer Zwangsversteigerung im hier gegebenen Fall eines freihändigen Verkaufs an dem Veräußerungserlös fort. Zwar sei der [X.]auf der Grundlage von [X.]47, 181, 183 ein Absonderungsrecht zu versagen, weil die Veräußerung des Erbbaurechts nicht zu einem Untergang der dinglichen Rechte der Beklag-ten hinsichtlich der [X.]geführt habe. Dieser Entscheidung sei jedoch nicht zu folgen. Da die Grundstückslasten gemäß § 56 Satz 2 ZVG mit dem Zuschlag auf den Erwerber übergingen, sei dem Gläubiger für die bis dahin entstandenen Lasten im Umkehrschluss ein Befriedigungsrecht an dem [X.]zuzuerkennen. Folge man der Auffassung des Bundesge-richtshofs, müsse der Absonderungsberechtigte, der bei einer Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung vorrangig zu befriedigen sei, alles daran set-zen, dass es anstelle eines regelmäßig günstigeren freihändigen Verkaufs zu einer Zwangsversteigerung komme. Im Übrigen verschlechterten sich die Chancen eines freihändigen Verkaufs, wenn der Erwerber fürchten müsse, dass der Grundstückseigentümer ihn wegen rückständiger Ansprüche dinglich in Haftung nehme. Im Streitfall hätten [X.]im Zuge der 5 - 5 - Veräußerung eine Löschungsbewilligung erteilt, so dass sich ihr untergegange-nes dingliches Recht an dem Veräußerungserlös fortsetze. Es sei jedoch unan-gemessen, diese Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, während die vorrangig zu befriedigende [X.]leer ausgehe. Bezüglich der [X.]für das [X.]bestehe kein Absonde-rungsrecht, weil die Verbindlichkeit nach Maßgabe des [X.]auf den Erwerber übergegangen sei. Entsprechendes gelte für Ansprüche auf die Grundsteuer [X.]für das Jahr 2004. Die von der [X.]weiterverfolgten Ansprüche wegen Benutzungsgebühren für Abfallentsorgung, Niederschlags-wasser und Straßenreinigung bildeten keine öffentlichen Lasten. 6 I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision des [X.]führt zur Abweisung der Widerklage, weil ein Anspruch der Beklag-ten auf abgesonderte Befriedigung (§ 49 InsO) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schon dem Grunde nach nicht besteht; aus dieser Erwägung erweist sich die auf eine Erhöhung des [X.]gerichtete [X.]der [X.]als unbegründet. 7 1. Ein auf einem beschränkten dinglichen Recht beruhendes Recht auf abgesonderte Befriedigung kann nicht nur im Falle einer Verwertung des [X.]Gegenstands durch Zwangsvollstreckung, sondern auch bei einer [X.]freihändigen Veräußerung geltend gemacht werden. Dann tritt nach der Verwertung aufgrund einer dinglichen Surrogation der Erlös an die Stelle des erloschenen dinglichen Rechts ([X.]47, 181, 183; BGH, Urt. v. 5. [X.]- 6 - vember 1976 - V ZR 5/75, WM 1977, 17, 18; v. 22. Oktober 1980 - VIII ZR 334/79, WM 1980, 1383, 1385; v. 7. Mai 1987 - [X.]ZR 198/85, WM 1987, 853, 856; v. 11. Dezember 1997 - [X.]ZR 278/96, WM 1998, 304, 305; Beschl. v. 16. Oktober 2008 - [X.]ZR 46/08, WM 2008, 2225, 2226 Rn. 6). Ein Absonde-rungsrecht an dem Erlös entsteht freilich nur, wenn die freihändige Veräuße-rung zum Untergang des dinglichen Rechts führt. Es muss also das Absonde-rungsrecht im Zuge der Veräußerung erloschen sein ([X.]47, 181, 183; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. Rn. 99a vor §§ 49-52; Jaeger/Henckel, [X.]Rn. 48 vor §§ 49-52; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 18.70b; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 165 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Becker, [X.]§ 165 Rn. 18). An der Voraussetzung eines Untergangs des [X.]fehlt es im Streitfall: Da das Erbbaurecht veräußert wurde, können die Rechte der [X.]auf Entrichtung von [X.]gegen den Erwerber auf dinglicher Grundlage durch Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG in Verbindung mit §§ 1107, 1147 BG[X.](vgl. Münch-Komm-BGB/von Oefele, 5. Aufl. § 9 ErbbauRG Rn. 7, 18; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 4. Aufl. Rn. 6.242) weiter geltend gemacht wer-den. Auch die nicht im Grundbuch eingetragenen öffentlichen Lasten wirken gegenüber einem Erwerber des Grundstücks fort, weil insoweit ein gutgläubiger [X.]Erwerb ausscheidet (MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl. § 1105 Rn. 72; HmbKomm-InsO/Büchler, 3. Aufl. § 165 Rn. 13). Mithin ist für eine ding-liche Surrogation und damit ein Absonderungsrecht der [X.]an dem sei-tens des [X.]erzielten Veräußerungserlös kein Raum. 2. Diese - soweit ersichtlich - nahezu einhellige (im Sinne des [X.]lediglich [X.]2002, 124, 125) rechtliche Beur-teilung wird durch die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht in Frage ge-stellt. 9 - 7 - a) Bereits dem Ansatz des Berufungsgerichts, aus einer Analogie zu § 56 Satz 2 ZVG sei ein Absonderungsrecht zugunsten der [X.]herzuleiten, kann nicht gefolgt werden. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen ([X.]149, 165, 174; BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 - [X.]Z[X.]219/08, WM 2009, 1896, 1898 Rn. 14). Die Vorschrift des § 56 Satz 2 ZVG befasst sich lediglich mit dem Übergang der Lasten eines versteigerten Grundstücks und nimmt insoweit in Anlehnung an § 103 BGB eine zeitliche Abgrenzung zwischen dem Schuldner und dem Ersteher vor (Stöber, [X.]19. Aufl. § 56 Rn. 3 Anm. 3.4). Die ausschließlich auf das rechtliche [X.]des Schuldners zu dem Ersteher bezogene Regelung trifft keine Aussa-ge dazu, ob einem Pfandrechtsgläubiger oder dem Inhaber eines Anspruchs aus einer öffentlichen Last Rechte an dem Veräußerungserlös zustehen. Mithin kann der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, zumal dieser wegen der Verlagerung der Lasten auf den Ersteher eher gegen einen Zugriff des Gläubigers auf den Verwertungserlös spricht, keine Grundlage für die von dem Berufungsgericht befürwortete Analogie bilden. 10 b) Der weiteren rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts, das bei einer Zwangsversteigerung an dem Veräußerungserlös bestehende Befriedi-gungsrecht der nach § 10 ZVG bevorrechtigten Gläubiger sei auch bei einem mit dem Fortbestand der dinglichen Rechte verbundenen freihändigen Verkauf zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden. 11 - 8 - aa) Vielmehr muss zwischen einer Zwangsversteigerung, bei der dingli-che Rechte erlöschen, und einer freihändigen, unter Fortgeltung dieser Rechte vorgenommenen Veräußerung unterschieden werden. 12 (1) Bleiben die dinglichen Rechte erhalten, scheidet mangels eines Rechtsverlusts von vornherein eine dingliche Surrogation und mithin eine Betei-ligung des Rechtslastberechtigten an dem Veräußerungserlös aus. Da die [X.]dingliche Belastung kaufpreismindernd wirkt, würde auf der [X.]der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts die dingliche Belastung dop-pelt zum Nachteil des Veräußerers zu Buche schlagen, weil an dem infolge der dinglichen Belastung ohnehin geringeren Erlös zusätzlich der Grundpfand-rechtsgläubiger partizipieren würde. Zugleich würde er unangemessen begüns-tigt, wenn er an dem Veräußerungserlös beteiligt würde und er außerdem aus dem weiter bestehenden dinglichen Recht den Erwerber in Anspruch nehmen könnte. Ferner würde der Erwerber ohne rechtlich anerkennenswerten Grund in den Genuss eines geminderten Kaufpreises gelangen, obwohl er die durch den Preisnachlass abgegoltene dingliche Haftung infolge des Absonderungsrechts an dem Veräußerungserlös regelmäßig nicht mehr zu befürchten hätte. 13 (2) Führt die fortbestehende dingliche Haftung zu einer entsprechenden Kaufpreisreduzierung, werden die [X.]entgegen der Auffas-sung des Berufungsgerichts durch die dingliche Haftung nicht erschwert. [X.]fließen der Fortbestand oder die Beendigung der dinglichen Haftung in die Preisbemessung ein. Ebenso wirken sich Rückstände auf [X.]oder auf öffentliche Lasten im hier gegebenen Fall der Veräußerung eines Erbbaurechts auf den Kaufpreis aus. 14 - 9 - bb) Soweit im Streitfall [X.]auf den Kaufpreis zurückgreifen können, beruht dies darauf, dass sie im Rahmen einer Verwer-tungsvereinbarung eine Löschungsbewilligung erteilen und sich im Gegenzug eine Beteiligung an dem Verwertungserlös haben versprechen lassen. Gerade wegen des im Vergleich zu einer Zwangsversteigerung zu erwartenden höheren Erlöses eines freihändigen Verkaufs sind - wie die Verwertungspraxis belegt - dinglich Berechtigte häufig bereit, eine Löschungsbewilligung zu erteilen, um an dem höheren Verwertungserlös zu partizipieren. Deshalb geht die Würdigung des Berufungsgerichts, dinglichen Gläubigern müsse im Interesse einer Durch-setzung ihres Rechts stets an einer Zwangsversteigerung gelegen sein, bereits im Ansatz fehl. Dass die [X.]in der Insolvenz der Schuldnerin wie ein un-gesicherter Insolvenzgläubiger zu behandeln ist, wird durch die nicht beein-trächtigte dingliche Haftung des Grundstücks aufgewogen. 15 [X.] Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sa-che selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Infolge des [X.]ist kein Raum für eine Beteiligung der [X.]an dem [X.]aus dem Verkauf des Erbbaurechts. Mithin bleibt die Widerklage insgesamt ohne Erfolg. Auf die begründete Revision des [X.]ist das ange- 16 - 10 - fochtene Urteil unter Zurückweisung der Revision der [X.]aufzuheben (§ 562 Abs. 1, § 561 ZPO). [X.] [X.] Gehrlein [X.] Vorinstanzen: LG Braunschweig, Entscheidung vom 19.02.2008 - 6 O 1240/07 - OLG Braunschweig, Entscheidung vom 14.01.2009 - 3 U 25/08 -

Meta

IX ZR 34/09

11.03.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2010, Az. IX ZR 34/09 (REWIS RS 2010, 8545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8545

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