Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2020, Az. IX ZA 16/20

9. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 2083

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Gegenstand

Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters: Einsichtsrecht des Insolvenzgläubigers in die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen


Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm die Erklärung des [X.] über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu überlassen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin zahlte seit Februar 2012 einen monatlichen Betrag von 693,77 € an den [X.]n. Der Kläger verlangt vom [X.]n Rückzahlung der in den Jahren von 2012 bis 2015 erhaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 28.755,57 € unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung und der ungerechtfertigten Bereicherung.

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] den [X.]n zur Zahlung von 1.387,54 € verurteilt und die weitergehende Berufung des [X.] zurückgewiesen. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde. Der [X.] hat darum gebeten, ihm vor seiner Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch des [X.] die Erklärung des [X.] zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu überlassen. Der Kläger ist diesem Gesuch entgegengetreten.

II.

3

Das Gesuch des [X.]n ist unbegründet.

4

1. Über das Gesuch des [X.]n ist durch Beschluss des Senats zu entscheiden. Es handelt sich um ein während des laufenden Verfahrens gestelltes Einsichtsgesuch. In diesem Fall ergibt sich die Entscheidungsbefugnis als Annexzuständigkeit aus der Zuständigkeit für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfebegehren [X.], [X.], 1112).

5

2. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO darf die Erklärung der [X.] über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gegner nur zugänglich gemacht werden, wenn die [X.] zustimmt oder der Gegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Der Kläger hat dem Gesuch des [X.]n nicht zugestimmt. Auch im Übrigen besteht kein Einsichtsrecht des [X.]n.

6

Dem [X.]n steht kein Auskunftsanspruch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin über Einkünfte und Vermögen zu. Einen solchen Anspruch zeigt der [X.] auch nicht auf. Soweit der [X.] geltend macht, er habe als Insolvenzgläubiger Einsichtsrechte, steht ein Recht eines Insolvenzgläubigers auf Einsicht in die Insolvenzakten gemäß § 4 [X.], § 299 ZPO (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 7. Mai 2020 - [X.], [X.], 1138) dem von § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO verlangten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch nicht gleich. Das Gesetz stellt maßgeblich darauf ab, ob dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen zusteht (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 325; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. April 2015 - [X.], NJW 2015, 1827 Rn. 20). Im Übrigen bezweckt § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht, die subjektive Rechtsstellung des Antragsgegners zu verbessern; die Vorschrift dient nicht der Befriedigung von privatrechtlichen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 29. April 2015, aaO Rn. 21 f).

7

Entgegen der Auffassung des [X.]n gilt § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen und [X.]en kraft Amtes (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 116 Rn. 28). Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Schutz der Privatsphäre dient. Der Prozessgegner hat im Prozesskostenhilfeverfahren kein Anhörungsrecht hinsichtlich der Frage, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen ([X.], Beschluss vom 15. November 1983 - [X.], [X.]Z 89, 65, 67 ff; vom 29. April 2015, aaO Rn. 18; [X.], NJW 1991, 2078).

Grupp     

        

Gehrlein     

        

Lohmann

        

Schoppmeyer     

        

Röhl     

        

Meta

IX ZA 16/20

17.12.2020

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend OLG Bamberg, 30. Juli 2020, Az: 1 U 119/19

§ 117 Abs 2 S 2 ZPO, § 299 ZPO, § 4 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2020, Az. IX ZA 16/20 (REWIS RS 2020, 2083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2083

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Referenzen
Wird zitiert von

101 VA 239/23

Zitiert

IX ZB 56/19

XII ZB 214/14

Zitieren mit Quelle:
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