Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 C 29/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 1850

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Gegenstand

Stellenzulage für fliegendes Personal; ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige


Leitsatz

Sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige im Sinne der Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B sind Soldaten oder Beamte, die wie der Luftfahrzeugführer zur Standardbesatzung eines Luftfahrzeugs gehören.

Tatbestand

1

Der Kläger steht als Polizeihauptmeister im Dienst der [X.]. Er ist Angehöriger der [X.] und wird in verschiedenen Hubschraubertypen der [X.] auf dem Dienstposten eines Wärmebild- und Peilsystemoperators eingesetzt.

2

Im Januar 2005 beantragte der Kläger mit der Begründung, er sei sonstiger ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger, die Gewährung der Stellenzulage für fliegendes Personal. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, bewilligte dem Kläger aber zugleich eine Erschwerniszulage als nicht ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger. Der Widerspruch des [X.] blieb erfolglos.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Tätigkeit als Wärmebild- und Peilsystemoperator stelle keine herausgehobene Funktion dar. Sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige seien nur solche Personen, die eine ähnliche oder zumindest vergleichbar aufwändige Ausbildung wie ein Luftfahrzeugführer oder Waffensystemoffizier durchlaufen hätten. Der Kläger habe die Befähigung für seinen Dienstposten in einem nur zwei Wochen dauernden Lehrgang erworben. Auf die besonderen physischen und psychischen Belastungen des Einsatzes in einem Hubschrauber könne nicht abgestellt werden, weil es sich nicht um eine Erschwernis-, sondern um eine Stellenzulage handele. Dem Anspruch des [X.] stehe ferner entgegen, dass seine Tätigkeit im Hubschrauber als Wärmebild- und Peilsystemoperator keine ausschließliche sei, sondern er in geringerem Umfang noch andere Tätigkeiten wahrnehme. Selbst wenn der Kläger wegen seines Einsatzes in Hubschraubern der [X.] als sonstiger ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger anzusehen sein sollte, hätte er keinen Anspruch auf die Stellenzulage, weil diese Tätigkeit seinen Dienstposten nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht präge. Nach seinen eigenen Angaben seien im Jahr 2006 über 20 % seiner Jahresarbeitszeit auf sonstige, nicht zur Zulage berechtigende Tätigkeiten entfallen.

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beantragt,

das Urteil des Bayerischen [X.]hofs vom 6. April 2009 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Bayerischen [X.] München vom 27. Februar 2007 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der Vertreter des [X.] verteidigt das angefochtene Urteil. Die Landesanwaltschaft Bayern hat nicht Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass das [X.]erufungsurteil aufzuheben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das [X.]erufungsurteil verletzt [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ob es sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht beurteilen. Die Sache wird deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückverwiesen.

1. Das [X.]erufungsurteil verletzt [X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]uchst. c der Vorbemerkungen zu den [X.] und [X.] (Anlage I zum [X.]undesbesoldungsgesetz) in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 6. August 2002 ([X.]G[X.]l I [X.]020) - im Folgenden: Vorbemerkungen -. Danach erhalten Soldaten und [X.]eamte der [X.]esoldungsgruppen A 5 bis [X.] als sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige eine Stellenzulage nach [X.], wenn sie entsprechend verwendet werden.

Mit [X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]uchst. c der Vorbemerkungen unvereinbar ist die Auffassung des [X.]erufungsgerichts, sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige seien nur solche Personen, die eine ähnliche oder zumindest vergleichbar aufwändige Ausbildung wie ein Luftfahrzeugführer oder Waffensystemoffizier durchlaufen hätten. Durch die Stellenzulage nach [X.] der Vorbemerkungen sollen vielmehr die hohen Anforderungen, die besonderen physischen und psychischen [X.]elastungen sowie die erhöhten Gefahren abgegolten werden, denen Soldaten oder [X.]eamte als fliegendes Personal bei der Verrichtung ihres Dienstes ausgesetzt sind (Urteil vom 12. Juni 1984 - [X.]VerwG 6 [X.] 94.83 - [X.]uchholz 235 § 42 [X.][X.]esG [X.] S. 17). Nach der Systematik des [X.]esoldungsrechts können solche Dauererschwernisse gleichbleibender Art durch eine Stellenzulage abgegolten werden (Urteile vom 3. Januar 1990 - [X.]VerwG 6 [X.] 11.87 - [X.]uchholz 240 § 47 [X.][X.]esG [X.] S. 8 f., vom 23. April 1998 - [X.]VerwG 2 [X.] 1.97 - [X.]uchholz 240.1 Nr. 20 [X.]2 und vom 8. Juni 2000 - [X.]VerwG 2 [X.] 24.99 - [X.]uchholz 240.1 Nr. 25 S. 7).

Dieser Zweck der Stellenzulage [X.] Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen ergibt sich auch aus ihrer Entstehungsgeschichte. Vorläufer der jetzigen [X.] war die durch das [X.] zur Änderung des [X.]undesbesoldungsgesetzes vom 26. August 1966 ([X.]G[X.]l I S. 526) eingefügte Nr. 4 der Vorbemerkungen. Danach erhielten Soldaten und [X.]eamte als Flugzeugführer mit der Erlaubnis zum Führen von [X.] und bei entsprechender Verwendung eine Stellenzulage. [X.]eweggrund für die Einführung dieser Zulage war die Einschätzung, dass die von den Führern von [X.] auch im Vergleich zu Führern von Propellerflugzeugen geforderten besonderen physischen und psychischen Leistungen die aller übrigen Soldaten gleicher Dienstgrade und die entsprechenden [X.]eamten wesentlich überstiegen und durch die [X.]esoldung nicht ausreichend berücksichtigt seien (Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Änderung des [X.]undesbesoldungsgesetzes, [X.]TDrucks V/688, [X.], sowie Schriftlicher [X.]ericht des [X.], [X.]TDrucks V/765, S. 1 f.).

Durch das Erste [X.]esoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz vom 18. März 1971 ([X.]G[X.]l I S. 208) wurde die Stellenzulage auf Führer von sonstigen Luftfahrzeugen sowie auf ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige erstreckt. Hintergrund war der Vorschlag Nr. 116 im "Weißbuch 1970 zur Lage der [X.]undeswehr", im Hinblick auf die mit der Verwendung verbundenen physischen und psychischen [X.]elastungen den Kreis der [X.]ezugsberechtigten der Fliegerzulage zu erweitern und eine ruhegehaltfähige Stellenzulage für Hubschrauberpiloten, entsprechend belastete sonstige Flugzeugführer und [X.]esatzungsangehörige zu schaffen (Schriftlicher [X.]ericht des [X.] über den von der [X.]undesregierung eingebrachten Entwurf eines [X.] des [X.]esoldungsrechts in [X.]und und Ländern, zu [X.]TDrucks VI/1885, [X.]). Durch das Gesetz zur Änderung des [X.]undesbesoldungsgesetzes vom 22. Dezember 1977 ([X.]G[X.]l I [X.]103) wurde die Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter von ein- und zweisitzigen strahlgetriebenen Kampf- und Schulflugzeugen erhöht. Dies wurde ebenfalls damit begründet, dass die technische Entwicklung und das Fliegen solcher Flugzeuge sowie der Kampfauftrag im Laufe der letzten Jahre zu höheren Leistungsanforderungen und damit zu [X.] bei den Kampfbesatzungen geführt hätten (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des [X.]undesbesoldungsgesetzes, [X.]TDrucks 8/1027, S. 4).

[X.]undesrecht verletzt das [X.]erufungsurteil ferner durch die Annahme, dem Kläger stehe die Zulage [X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]uchst. c der Vorbemerkungen selbst dann nicht zu, wenn er dem Grunde nach als sonstiger ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger anzusehen sein sollte. Die Tätigkeit des [X.] als Wärmebild- und Peilsystemoperator präge nicht seinen Dienstposten, weil mehr als 20 % seiner Jahresarbeitszeit auf nichtzulageberechtigende Tätigkeiten entfielen.

Diese Vorgehensweise ist mit der [X.]estimmung der zulageberechtigenden Funktionen durch den Gesetzgeber in der Anlage I zum [X.]undesbesoldungsgesetz unvereinbar. Die Zulage für Soldaten und [X.]eamte als fliegendes Personal ist eine Stellenzulage, deren Zahlung gemäß § 42 [X.][X.]esG auf herausgehobene Funktionen (Absatz 1) und auf die Dauer ihrer Wahrnehmung beschränkt ist (Absatz 3 Satz 1). [X.] im Sinne dieser Vorschrift sind diese Funktionen wegen der für ihre Wahrnehmung zusätzlich zu erfüllenden Anforderungen, die von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfasst werden (Urteil 27. November 2003 - [X.]VerwG 2 [X.] 55.02 - [X.]uchholz 240.1 [X.][X.]esO Nr. 28). Welche Funktionen im Sinne des § 42 Abs. 1 [X.][X.]esG herausgehoben sind, hat der Gesetzgeber in den einzelnen [X.] normativ entschieden (Urteil vom 26. März 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 1.08 - [X.]uchholz 240.1 [X.][X.]esO Nr. 32 Rn. 11).

Durch die Stellenzulage [X.] Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen werden die hohen Anforderungen, die besonderen physischen und psychischen [X.]elastungen sowie die erhöhten Gefahren abgegolten, denen Soldaten oder [X.]eamte als fliegendes Personal bei der Verrichtung ihres Dienstes ausgesetzt sind. Dieser Zweck ist auch für die [X.]estimmung des [X.]egriffs "sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige" maßgeblich. Es muss sich um ein sonstiges Mitglied der [X.]esatzung eines Luftfahrzeugs handeln, das infolge seiner Verwendung den mit einem Einsatz in einem Luftfahrzeug verbundenen [X.] gleichbleibender Art grundsätzlich in demselben Maß ausgesetzt ist wie es für die in [X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]uchst. a und b genannten Funktionen typisch ist. Der [X.]etreffende muss wie der Pilot des Luftfahrzeugs, der Waffensystemoffizier eines zweisitzigen stahlgetriebenen Kampf- oder Schulflugzeugs oder der in einem Hubschrauber eingesetzte Luftfahrzeugoperationsoffizier zur Standardbesatzung eines Luftfahrzeugtyps gehören und deshalb regelmäßig im Luftfahrzeug zum Einsatz kommen. Es reicht nicht aus, wenn der Soldat oder [X.]eamte lediglich von Fall zu Fall bei bestimmten Einsatzkonstellationen herangezogen wird. Erfüllt der [X.]eamte die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Regelung, so steht ihm die Zulage zu.

Auf die mit der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es nicht an. Sie beziehen sich auf die Feststellungen im [X.]erufungsurteil zur konkreten Verteilung der Jahresarbeitszeit des [X.], die aus Gründen des materiellen Rechts nicht entscheidungserheblich ist.

2. Das [X.]erufungsgericht, das aufgrund seiner Rechtsansicht dieser Frage nicht nachgehen musste, wird nunmehr aufklären müssen, ob der Kläger auf seinem Dienstposten zur Standardbesatzung eines Hubschraubers gehört. Insoweit trifft die [X.]eklagte zumindest eine Darlegungslast, weil es sich bei der generellen Festlegung der [X.]esatzung der Hubschrauber um Umstände handelt, die ausschließlich in ihrem Verantwortungs- und Verfügungsbereich liegen (vgl. Urteile vom 29. Juni 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 36.98 - [X.]uchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 20 und vom 20. Januar 2000 - [X.]VerwG 2 [X.] 13.99 - [X.]uchholz 237.7 § 15 NWL[X.]G Nr. 4 [X.] m.w.N.).

Das [X.]erufungsgericht hat danach zu klären, welche [X.]esatzungen die [X.]eklagte für die verschiedenen bei den [X.] der [X.]undespolizei eingesetzten Hubschraubertypen vorgesehen hat. Es ist davon auszugehen, dass die [X.]eklagte die Regel- oder Standardbesatzung der Hubschrauber je nach Einsatzbereich (Fahndungs- und Überwachungseinsätze, Notfall- oder Katastropheneinsätze oder Schulungsflüge) in Anweisungen oder Erlassen generell geregelt hat. [X.] ist ferner, ob die [X.]eklagte die Vorgaben für die [X.]esatzung der Hubschrauber infolge der Neufassung der "Stellen-/ Funktionsausschreibung 14/2008" durch das [X.]undespolizeipräsidium im Juli 2008, die nach der Darstellung des [X.] zur Ausweitung seiner Funktionen während des [X.] geführt hat, geändert hat. Sollte es keine generellen Vorgaben durch behördliche Erlasse geben, so ist zu klären, wie oft der auf einem der Fliegerstaffel zugeordneten Dienstposten verwendete Kläger tatsächlich an Hubschraubereinsätzen teilgenommen hat. Das [X.]erufungsgericht wird im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch aufzuklären haben, unter welchen Voraussetzungen die [X.]eklagte die Zulage [X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]uchst. c der Vorbemerkungen im [X.]ereich der [X.]undeswehr z.[X.]. sonstigen [X.]esatzungsangehörigen von Rettungshubschraubern der [X.] und der Marineflieger gewährt.

Meta

2 C 29/09

28.10.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 6. April 2009, Az: 14 BV 07.1263, Urteil

§ 42 Abs 1 S 1 BBesG, Vorbem 6 BBesO A/B

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 C 29/09 (REWIS RS 2010, 1850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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