Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. IV ZR 59/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6305

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 59/09

Verkündet am:

25. Mai 2011

Bott

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

ZPO §
540 Abs.
1 Nr.
1; [X.] Rechtsschutzversicherung (hier §
5 Abs.
3 lit.
[X.] 2000)

1. Im Berufungsurteil ist neben einer Bezugnahme nach §
540 Abs.
1 Nr.
1 ZPO grundsätzlich die mindestens sinngemäße Wiedergabe der [X.] (Bestätigung von [X.], 99). Sie ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich dem
Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des [X.] noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt.

2. Der Ausschlusstatbestand des §
5 Abs.
3
lit. [X.] 2000 setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer -
ausdrücklich oder konkludent
-
Kostenzugeständnisse in der Weise gemacht hat, dass die Kostenlast zu seinem Nachteil von der ange-sichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht. Das ist vom Versicherer darzulegen und zu beweisen.

[X.], Urteil vom 25. Mai 2011 -
IV ZR 59/09 -
LG [X.] I

AG [X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 30.
März 2011

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der
6.
Zivil-kammer
des [X.]s [X.] I vom 13.
Februar 2009
aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amts-gerichts [X.] vom 14.
Oktober 2008 wird [X.].

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als [X.] in der Rechtsschutzversiche-rung seiner Ehefrau die Beklagte als Schadenabwicklungsunternehmen des Versicherers auf Freistellung von Anwaltskosten in Anspruch. Dem Vertrag liegen Versicherungsbedingungen zugrunde, die zum [X.] eine mit §
5 [X.] gleichlautende Klausel enthalten, die auszugsweise wie folgt lautet:

1
-
3
-

"§ 5 Leistungsumfang

(3) Der Versicherer trägt nicht

b) Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständ-lichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist;

Der Versicherer erteilte dem Kläger unter dem 23.
August 2007 ei-ne Deckungszusage für die außergerichtliche Geltendmachung von Ge-währleistungsansprüchen aus einem Autokauf. Der Kläger, der die Rück-abwicklung des Kaufs mit einem Preis von 15.830

sich schließlich mit dem Verkäufer darauf, dass dieser den verkauften PKW gegen Anrechnung von 12.000

stattdessen einen beliebigen Jahreswagen kauft. Eine ausdrückliche Kostenregelung wurde nicht getroffen. Die Anwälte des [X.] erstellten daraufhin eine Kostennote über 1.776,43

. Der Versicherer zahlte [X.] unter Berufung auf §
5 Abs.
3 lit.
[X.] lediglich 429,90

der Kosten), da der Kläger in Höhe von 75,8% obsiegt habe (12.000

Mit der Klage begehrt der Kläger Freistellung von den Kosten in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das [X.] hat sie abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
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3
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4
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte auf-grund der Risikobegrenzung in §
5 Abs.
3
lit.
[X.] nur verpflichtet sei, den Kläger von dem Teil der Rechtsverfolgungskosten freizustellen, der der Quote entspreche, mit der er bei der außergerichtlichen Einigung dem Verkäufer gegenüber unterlegen sei; diese Quote betrage -
rechnerisch unstreitig
-
24,2%. Die
Risikobegrenzung sei wirksam; die Klausel mache dem Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass er im Falle einer einverständlichen Beilegung des Rechtsschutzfalles einer Belastung mit den bereits angefallenen Rechtsverfolgungskosten nur dann in vollem Umfang entgehe, wenn die Kosten im Verhältnis von [X.] und Unterliegen zwischen ihm und dem Gegner aufgeteilt würden.
Dass bei der Einigung zwischen dem Kläger und dem Verkäufer keine ausdrückliche Vereinbarung über die bereits angefallenen Kosten getrof-fen worden sei, stehe der Anwendung der Klausel nicht entgegen.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Der Senat ist an einer Sachentscheidung nicht bereits wegen Fehlens der nach §
540 Abs.
1 Nr.
1 ZPO erforderlichen Mindestangaben im Berufungsurteil gehindert.

a)
Zwar reicht nach dieser Bestimmung zur Darstellung des erstin-stanzlichen Sach-
und Streitstands die Bezugnahme auf die tatsächli-5
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-
5
-

chen Feststellungen des angefochtenen Urteils aus. Diese kann sich [X.] nicht auf die erst in zweiter Instanz gestellten Berufungsanträge er-strecken, deren mindestens sinngemäße Wiedergabe deshalb [X.] ist ([X.], Urteil vom 26.
Februar 2003 -
V[X.] ZR 262/02, [X.], 99, 101; [X.]/[X.], ZPO 28.
Aufl. §
540 Rn.
8 m.w.N.). Ohne diese
Wiedergabe leidet das Berufungsurteil regelmäßig an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muss ([X.] aaO).

b) Diese
ist
im vorliegenden Fall ausnahmsweise entbehrlich, ob-wohl eine auch nur sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge in Abschnitt
I der Gründe des Berufungsurteils fehlt. Jedoch lässt
sich dem Einleitungssatz in Abschnitt
II der Gründe noch mit hinreichender Deut-lichkeit entnehmen, dass die Beklagte mit ihrer Berufung die Abänderung des angefochtenen Urteils (nicht Aufhebung, vgl. §
528 Satz
2 ZPO) und Klageabweisung erstrebt hat.

2. Der Versicherer, der sich auf den Ausschlusstatbestand des §
5 Abs.
3
lit.
[X.] 2000 beruft, hat die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Eingreifen dieser Klausel darzulegen und gegebenenfalls
zu bewei-sen. Daran
fehlt es im vorliegenden Fall.

a) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 25.
Januar 2006 ([X.], [X.], 404) zur inhaltlich entsprechenden Vorgängerklau-sel des §
2 Abs.
3
lit.
a [X.] 75 ausgeführt hat, werden auch [X.] Vergleiche vom Anwendungsbereich der Klausel erfasst (aaO unter [X.] 2 a), und zwar auch dann, wenn der Vergleich keine [X.] Regelung über die außergerichtlichen Kosten der Parteien enthält, eine Kostenregelung aber
konkludent getroffen worden ist (aaO unter [X.] 10
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-
6
-

2 b).
Dies ergibt sich aus dem Zweck der Klausel, der darin besteht zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Einigung "unnötige" Zugeständnisse im Kostenpunkt zu Lasten des Rechtsschutzversicherers macht, um vom Gegner weitere [X.] in der Hauptsache zu erhalten (Senat, aaO und Senatsurteil vom 16.
Juni 1977 -
[X.]/76, [X.], 809 unter I 1).

b) Ob dies auch dann gilt, wenn die außergerichtliche Einigung keine Kostenregelung enthält und ihr eine solche auch nicht konkludent entnommen werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. So wird aus dem Senatsurteil vom 25.
Januar 2006 teilweise gefolgert, dass die Klausel bei fehlender Kostenvereinbarung nicht anwendbar sein soll, weil es ei-nes Rückgriffs auf die allgemeine Ausgleichsklausel dann nicht bedurft hätte (so [X.]/[X.], [X.], 2743, 2745; eine mindestens kon-kludente Kostenregelung verlangen auch [X.], 1404; LG [X.] I r+s 2008,
512 und [X.], 254; Armbrüster
in Prölss/[X.], VVG 28.
Aufl. §
5 [X.] 2008/II
Rn.
50 und 58; a.[X.], [X.], 1496, 1499).

Allerdings wird weithin von einer stillschweigenden Kostenregelung des Inhalts, dass jede Partei ihre eigenen Kosten
selbst trägt, [X.], wenn der Vergleich zum Kostenpunkt schweigt (Armbrüster, aaO Rn.
50; [X.]/[X.], Rechtsschutzversicherung
7.
Aufl. §
2 [X.] 75 Rn.
168a). Noch weitergehend hält
[X.]
die Klausel für anwendbar, wenn die Kostenregelung in einem außergerichtlichen Vergleich [X.] offen gelassen
worden ist (aaO 8.
Aufl. §
5 [X.] 2000 Rn.
199). Nach anderer Auffassung ist die Klausel jedenfalls dann nicht
anwend-bar, wenn die Parteien keine Kostenregelung getroffen haben und auch kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch
bestand
(LG Bre-13
14
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7
-

men
aaO; weitere Nachweise zur uneinheitlichen Rechtsprechung
der Instanzgerichte s. bei [X.]/[X.], aaO 7.
Aufl. Rn.
168a und 8.
Aufl. Rn.
198
f.).

c) Das braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden.

aa) Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtspre-chung des Senats so auszulegen wie
ein durchschnittlicher Versiche-rungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. Senatsurteil vom 23.
Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 83 unter [X.] 1 b).

Risikoausschlussklauseln sind dabei eng und nicht weiter auszule-gen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsbeschluss vom 24.
Juni 2009 -
IV ZR 110/07, [X.], 1617 Rn.
10 m.w.N.).

Danach ist für ein
Eingreifen des Ausschlusstatbestands
aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers
jedenfalls erforderlich, dass er zu Lasten des Versicherers -
ausdrücklich oder konkludent
-
Kostenzugeständnisse gemacht hat.
Davon ist auszugehen, wenn die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht. Anderenfalls würde das in §
1 [X.] gegebene Leistungsversprechen der Beklagten als
Versicherer, dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer seine 15
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-
8
-

rechtlichen Interessen wahrnehmen kann und die für die [X.] erforderlichen Kosten
zu tragen,
ausgehöhlt, zumal sie dem
Kläger bereits Deckungsschutz für die Geltendmachung seiner [X.] erteilt hatte.

bb) Ein solches Kostenzugeständnis hat die Beklagte hier nicht dargelegt. Das gilt selbst dann, wenn eine konkludent vereinbarte Kos-tenaufhebung unterstellt wird.

Denn der Kläger hat mit dem Ergebnis der von ihm erzielten Eini-gung nicht
überwiegend obsiegt.
Die Obsiegensquote, die in den [X.] lediglich
"rechnerisch unstreitig"
war, kann nicht allein nach dem bei Durchführung des Vergleichs zurückzuzahlenden Kaufpreis be-stimmt werden, sondern hat den gesamten [X.] zu [X.]. Dabei ist einerseits zu bedenken, dass der Kläger nur einen Teil seines Kaufpreises zurückerhält, gleichwohl aber das erworbene Fahrzeug zurückzugeben hat, ohne dass klar ist, in welchem Umfang hierbei Gegenansprüche des Verkäufers (z.B. auf Nutzungsentschädi-gung) berücksichtigt sind. Vor allem aber liegt ein erheblicher
zusätzli-cher
Nachteil
für den Kläger
gegenüber der an sich erstrebten [X.] nach den §§
437 Nr.
2, 440, 323 BGB darin, dass die vereinbarte Rückabwicklung an den Erwerb eines anderen Fahrzeugs beim Verkäufer geknüpft worden ist. Anders als bei einem vollen Erfolg seines ursprünglichen Begehrens kann der Kläger damit nicht frei über den zurückerhaltenen Betrag verfügen. Wie dieser beträchtliche Nachteil der Verknüpfung mit einem Neugeschäft
zu bewerten ist, kann er aus seiner Warte nicht ohne weiteres
beurteilen.

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-
9
-

Wie der Senat schon mit Urteil vom 16.
Juni 1977 ([X.]/76,
[X.], 809 unter [X.]) ausgeführt hat, ist der Versicherer bei er-heblichen Schwierigkeiten, die im Einzelfall bei der Ermittlung
des Er-folgsverhältnisses bestehen, jedenfalls nach [X.] und Glauben gehalten, eine der gesetzlichen Ersatzregelung des §
98 ZPO entsprechende Kos-tenaufhebung zu akzeptieren, sofern sie nach den Ergebnissen in der Hauptsache noch vertretbar erscheint. Hieran ist festzuhalten. Eine Kos-tenaufhebung beinhaltet in solchen Fällen kein unzulässiges
Kostenzu-geständnis
und berührt den Zweck des §
5 [X.] nicht.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom
14.10.2008 -
281 [X.] -

LG [X.] I, Entscheidung vom 13.02.2009 -
6 S 18521/08 -

21

Meta

IV ZR 59/09

25.05.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. IV ZR 59/09 (REWIS RS 2011, 6305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6305

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 59/09

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