Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. IX ZR 204/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10064

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617U[X.]204.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 204/15

Verkündet am:

1. Juni 2017

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 563 Abs. 2
a)
Das Berufungsgericht ist nur an diejenige rechtliche Beurteilung des [X.] gebunden, die der Aufhebung unmittelbar zugrunde liegt.
b)
Stellt das Berufungsgericht im zweiten Berufungsverfahren andere Tatsachen fest als diejenigen, die Grundlage der Aufhebung waren, entfällt eine Bindung an die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts.
[X.], Urteil vom 1. Juni 2017 -
IX ZR 204/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni
2017
durch den
[X.] Grupp
als Vorsitzenden, den [X.] Prof.
Dr. Gehrlein,
die [X.]in [X.], den
[X.] Prof. Dr. Pape
und die [X.]in Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten
wird das Urteil
des 2. Zivilsenats des [X.] vom 30. September
2015
im Kos-tenpunkt sowie insoweit
aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist seit dem 6.
Juli 2011 Verwalter in dem bereits am 1.
Januar 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der K.

GmbH (Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten, seinen Vorgänger im Amt des Insolvenzverwalters, auf Schadensersatz in Anspruch. Zunächst
hat er
Zahlung von etwa 2.500.000

verlangt und dazu behauptet, der Beklagte habe bei der Verwaltung der Woh-nungen der Schuldnerin zu hohe Kosten verursacht, masseschädigende [X.]
-
3
-
einbarungen mit Grundpfandgläubigern getroffen und ungerechtfertigte Zahlun-gen an Insolvenzgläubiger geleistet.
Das [X.] hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 5.919,45

verurteilt. Die Berufung des [X.] gegen dieses Urteil ist zunächst erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom 26.
März 2015 (IX
ZR 297/13) hat der Senat die Revision des [X.] hinsichtlich dreier Einzelforderungen von 18.703,38

66.297,46

(erste) Berufungsurteil inso-weit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat die Klage nach der Zurückverweisung
wegen der [X.] von 66.297,46

Es hat den Beklagten unter Einbeziehung der rechtskräftig ausgeurteilten 5.919,45

urückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 74.773,37

Revision will der
Beklagte
die vollständige Zurückweisung der Berufung des [X.] erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision
führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, so-weit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist,
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

2
3
-
4
-

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte habe seine Pflichten als
Insolvenzverwalter verletzt, indem er am 24.
Februar 2000 an die
D.

einen Betrag von 66.297,46

sich auf Annuitäten bezogen, die bereits vor der Eröffnung des [X.] fällig geworden seien, also nur Insolvenzforderungen dargestellt hätten. Der Beklagte habe
nicht, wie er nach der Zurückverweisung vorgetragen habe, die der Bank zustehenden Mietzinsen ausgekehrt.
Eine weitere Pflichtverlet-zung liege darin, dass der Beklagte am 16.
März 2000 eine Zahlung an die
R.

von 2.556,46

Rechtsgrund für diese Zahlung habe der Beklagte auch nach der [X.] nicht dargelegt. Der zu ersetzende Schaden bestehe in dem gezahlten Betrag. Einer näheren Prüfung bedürfe es wegen der Bindungswirkung des [X.] des [X.]
vom 26.
März
2015
nicht.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Der Senatsbeschluss vom 26.
März 2015 enthielt keine Ausführungen zum Schaden, an welche das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung gemäß §
563 Abs.
2 ZPO gebunden gewesen wäre.

1. Im Falle der Aufhebung eines Urteils durch das Revisionsgericht hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde lag, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§
563 Abs.
2 ZPO). Die end-4
5
6
-
5
-
gültige Entscheidung soll nicht dadurch verzögert werden können, dass die Sa-che zwischen Berufungs-
und Revisionsgericht hin-
und hergeschoben wird, weil keines der beiden Gerichte seine Rechtsauffassung ändert. Es handelt sich um eine gesetzlich angeordnete und daher zulässige Ausnahme von dem Grundsatz, dass der [X.] bei der Gesetzesanwendung nur an das Gesetz und an sein Gewissen gebunden ist (Gemeinsamer Senat der obersten Ge-richtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6.
Februar 1973 -
GmS-OGB 1/72, [X.]Z 60, 392, 396 f;
[X.], Urteil
vom 21.
November 2006 -
XI
ZR 347/05, [X.], 200 Rn. 20; BAG
NZA 2016, 642 Rn. 19; BAG
NZA-RR 2017, 94 Rn. 15).
Damit bei einer der Aufhebung zugrunde liegenden höchstrichterlichen Rechts-fortbildung für das Berufungsgericht jeder Anreiz entfällt, seine gegenteiligen Erwägungen in demselben Verfahren unter Verstoß gegen §
563 Abs.
2 ZPO gleichwohl zur höchstrichterlichen Nachprüfung zu stellen, korrespondiert mit der Bindungswirkung für die Berufungsgerichte eine Selbstbindung
des [X.]
(Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Be-schluss
vom 6.
Februar 1973, aaO S. 397;
[X.], Urteil vom 18.
Januar 1996 -
IX
ZR 69/95,
[X.]Z 132, 6, 10;
vom 21.
November 2006, aaO).

2. Gebunden ist das Berufungsgericht aber nur an diejenige rechtliche Beurteilung, auf welcher die Aufhebung
unmittelbar
beruht ([X.], Urteil vom
6.
November 1951 -
I
ZR 61/51, [X.]Z 3, 321, 325 f; vom
18.
Januar 1996, aaO; vom 12.
Oktober 2000 -
III
ZR 242/98, [X.]Z 145, 316, 319;
vom
16.
Juni 2005 -
IX
ZR 27/04, [X.]Z 163, 223, 233;
Beschluss vom 19.
Februar 2015 -
V
ZR 97/14, BeckRS 2015, 05008 Rn. 3;
Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
563 Rn. 8;
Hk-ZPO/[X.], 7.
Aufl., §
563 Rn. 9; Musielak/Voit/
Ball, ZPO, 14.
Aufl., §
563 Rn.
11)
und
die sich aus der revisionsgerichtlichen Entscheidung
ergibt ([X.]/[X.], 5.
Aufl., §
563 Rn.
9).
Eine Be-schränkung der Bindungswirkung auf die unmittelbaren Aufhebungsgründe ist 7
-
6
-
notwendig, um eine klare Grenzziehung zu gewinnen und Unsicherheit darüber zu vermeiden, ob ein vom Revisionsgericht mit beurteilter,
für die Endentschei-dung wesentlicher, aber für die Aufhebung unmaßgeblicher Gesichtspunkt oder eine logisch vorausgehende und billigend entschiedene oder unerwähnt gelas-sene Frage bindend entschieden ist oder nicht ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 1956 -
II
ZR 274/55, [X.]Z 22, 370, 374).
Das Berufungsgericht soll den Fehler, der zur Aufhebung seines Urteils
geführt hat, nicht wiederholen; es soll im Übri-gen aber in seiner Entscheidung frei bleiben und bei der Findung eines gerech-ten Urteils nicht eingeengt sein ([X.], Urteil vom 6.
November 1951 -
I
ZR 61/51, [X.]Z 3, 321, 326).

a) Das erste Berufungsurteil ist nicht deshalb aufgehoben worden, weil der Senat
anders als das erste Berufungsurteil
einen durch die Pflichtverletzun-gen entstandenen Schaden bejaht hätte. Vielmehr hatte das Berufungsgericht Vortrag des [X.] zu den behaupteten Pflichtverletzungen übergangen. Hin-sichtlich
der Zahlung vom 24.
Februar 2000 in Höhe von 66.297,46

ging es um eine Tilgungsbestimmung, die mit den Schlussfolgerungen des Berufungs-gerichts nicht in Einklang zu bringen war. Hinsichtlich der Zahlung vom 16.
März 2000 in Höhe von 2.556,46

dass die vom Beklagten behauptete und vom [X.] festgestellte Verein-barung
erst nach der Zahlung
getroffen worden war, dieser also nicht zugrunde gelegen haben konnte.

b) Das Berufungsgericht meint allerdings, die Klagabweisung im ersten Berufungsurteil sei auf zwei selbständige Begründungen
gestützt worden.
Nicht nur die Pflichtverletzungen, sondern auch auf diesen beruhende Schäden seien verneint worden. Ob dies zutrifft, bedarf keiner Entscheidung.
Mit der Frage, in welcher Höhe ein
Schaden durch die genannten Zahlungen entstanden ist, be-8
9
-
7
-
fasst sich der Senatsbeschluss vom 26.
März 2015
nicht.
Damit fehlt eine Grundlage für eine auf den Schaden bezogene Bindungswirkung dieses [X.]. Das gilt sogar dann, wenn man mit der Rechtsprechung anderer
oberster Bundesgerichte annehmen wollte, dass sich die Bindungswirkung auch auf die den unmittelbaren Aufhebungsgründen logisch vorausgehenden
Gründe erstreckt (vgl. [X.]/NV
2007, 2138 Rn. 3; [X.]/NV
2014, 1073 Rn. 32; [X.]/[X.],
FGO, 8.
Aufl., §
126 Rn.
23; [X.], 94 Rn.
15; [X.], Beschluss vom 3.
November 2011 -
2
B 1/11, [X.], Rn. 7). Mit
der Auf-hebung eines Urteils in einer Haftpflichtsache
wegen gehörswidrig getroffener Feststellungen zum Fehlen einer Pflichtverletzung
wird nicht notwendig über die Schlüssigkeit des Klägervortrags zur Schadenshöhe entschieden.

3. Überdies entfällt
die Bindungswirkung
des §
563 Abs.
2 ZPO
bei einer Änderung des maßgeblichen Sachverhalts.

a) Stellt das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung andere Tatsa-chen fest als diejenigen, welche der ersten Revisionsentscheidung zugrunde lagen, kommt eine Bindung nach § 563 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht ([X.], Ur-teil vom 3.
April 1985 -
IVb
ZR 18/84, NJW 1985, 2029, 2030; vom 12.
Oktober 2000 -
III
ZR 242/98, [X.]Z 145, 316, 319; [X.], 224, 226; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
563 Rn. 13; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
563 Rn. 8; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 14.
Aufl., §
563 Rn. 13). Der Prüfung des Revisionsgerichts, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer Verlet-zung des Gesetzes beruhe, kann nur derjenige Sachverhalt zugrunde gelegt werden, der ihm vom Berufungsgericht unterbreitet wird. [X.] sich die tatsächliche Grundlage des Urteils in der neuen Verhandlung vor dem [X.],
so ist aus dem Inhalt und dem Zweck der gesetzlichen Bestim-mung nichts zu entnehmen, was dazu führen könnte, die frühere rechtliche Be-10
11
-
8
-
urteilung einem Sachverhalt aufzuzwingen, für den sie nicht gegeben war und nicht gegeben werden konnte ([X.], 224, 226).

b)
Jedenfalls hinsichtlich der Zahlung vom 24.
Februar 2000 in Höhe von 66.297,46

l-ten, nämlich die Vereinbarung einer "kalten"
Zwangsverwaltung bereits
wäh-rend der vorläufigen Insolvenzverwaltung behauptet.
Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zugelassen
und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Zu-lassung wird in der Revisionsinstanz nicht überprüft ([X.], Beschluss vom 22.
Januar 2004 -
V
ZR 187/03, NJW 2004, 1458, 1459). Von diesem neuen Vortrag ist danach auszugehen. Da auch die Zahlung auf Verbindlichkeiten aus der Zeit des Eröffnungsverfahrens geleistet worden sein soll, kann die Erheb-lichkeit
dieses Vortrags auf die Fragen der Schadensentstehung und [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

III.

Das
angefochtene Urteil kann deshalb
keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des

12
13
-
9
-
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen

563 Abs.
1 Satz 1 ZPO). Zu weiteren Hinweisen sieht der Senat derzeit keinen Anlass.

Grupp
Gehrlein
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.12.2012 -
3 O 92/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.09.2015 -
2 U 2/13 -

Meta

IX ZR 204/15

01.06.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. IX ZR 204/15 (REWIS RS 2017, 10064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10064

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 204/15

2 U 2/13

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