Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2020, Az. StB 28/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11173

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:210920BSTB28.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 28/20

vom
21. September 2020
in dem Strafverfahren
gegen

wegen
eines [X.] gegen Personen durch schwerwiegend [X.] oder erniedrigende Behandlung u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 21.
September 2020 gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz 2 Nr.
1 [X.] beschlossen:
1.
Die
Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl des [X.] vom 29.
Juli 2020 wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte befindet sich
in dieser Sache seit dem 5.
Dezember 2017 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15.
September 2017, so-dann aufgrund des Haftbefehls des [X.] vom 21.
September 2018, ergänzt durch dessen [X.] vom 22.
März 2019 und vom 20.
September 2019, sowie schließlich aufgrund des am 30.
Juli 2020 [X.] Haftbefehls des [X.] vom 29.
Juli 2020 ((1)
3
StE
3/18-4 (3/18)). Zuvor war gegen den Angeklagten in einem anderen Verfahren seit dem 24.
Mai 2017 Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Amts-gerichts [X.] vom selben Tag vollzogen worden.
Gegenstand des gegenwärtig vollstreckten Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich als Jugendlicher mit Verantwortungsreife in der [X.] vom 10.
Juni 2014 bis zum 23. oder 24.
Oktober 2014 in [X.] ([X.]) durch 1
2
-
3
-
zwei selbständige Handlungen als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§
211 [X.]), Totschlag (§
212 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§
8, 9, 10, 11 oder §
12 [X.]) zu begehen, dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Wei-se entwürdigend oder erniedrigend behandelt und zugleich vorsätzlich anderen zu deren vorsätzlich begangener rechtswidrigen Tat Hilfe geleistet, nämlich zur Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in Tatein-heit mit der Tötung eines Menschen aus niedrigen Beweggründen, strafbar ge-mäß §
8 Abs.
1 Nr.
1 und
9 [X.], §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b
Abs.
1 Satz
1 und
2, §
211 Abs.
2, §
27 Abs.
1, §§
52, 53 [X.], §§
1, 3 Satz
1 JGG.
Mit Beschlüssen vom 22.
Februar 2018 (AK
5/18), vom 28.
Juni 2018 (AK
24 u. 25/18) und vom 18.
Oktober 2018 (AK
38 u. 39/18) hat der Senat im besonderen Haftprüfungsverfahren jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Dabei hat er angenommen, dass der für die Bestimmung des Frist-beginns nach §
121 Abs.
1 [X.] maßgebende Tag für den Angeklagten auf den 15.
Juni 2017 gefallen war, weil zu diesem [X.]punkt ausreichende [X.] für den Erlass eines Haftbefehls in dieser Sache vorgelegen hatten.
Der [X.] hat am 9.
August 2018 Anklage gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten [X.]

, seinen Vater, erhoben. Nach Er-
öffnung des Hauptverfahrens dauert die Hauptverhandlung gegen beide Ange-klagte seit dem 22.
November 2018 an. Bis zum Erlass des gegenwärtig voll-streckten Haftbefehls vom 29.
Juli 2020, der auf eine Haftbeschwerde des An-3
4
-
4
-
geklagten mit [X.] seiner beiden Verteidiger vom 15.
Juli 2020 ergangen ist, ist an 110
Tagen verhandelt worden.
Gegen den Haftbefehl wendet sich der Angeklagte mit seiner neuerlichen Beschwerde, die einer seiner Verteidiger mit [X.] vom 30.
Juli 2020 [X.] hat. Er macht -
unter Bezugnahme auf die vorausgegangene [X.] vom 15.
Juli 2020 und eine Stellungnahme dieses Verteidigers vom 29.
Juli 2020
-
insbesondere geltend, es bestehe kein dringender Tatverdacht hinsichtlich der Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch
Tötung und zum Mord sowie hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.], es lägen keine Haftgründe vor und der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig.
Mit ergänzend begründetem Beschluss vom 4.
August 2020 hat das [X.] nach nunmehr 112
Hauptverhandlungstagen der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die nach §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige (§
306 Abs.
1 [X.]) Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.
Der Angeklagte ist der ihm im angefochtenen Haftbefehl angelasteten Taten dringend verdächtig.
a)
Im Sinne eines solchen Verdachts ist von folgendem Sachverhalt aus-zugehen:
5
6
7
8
9
-
5
-
aa)
Spätestens kurz nachdem die außereuropäische
terroristische Verei-nigung "[X.]" ([X.]) am 10.
Juni 2014 -
damals noch als "[X.] im [X.] und in Großsyrien"
-
die Kontrolle über die [X.] Millionenstadt [X.] erlangt hatte, schloss sich der dort lebende -
mindestens 15-jährige
-
Angeklagte dieser Organisation als Mitglied an und unterstellte sich ihrer Be-fehlsgewalt. In der Folgezeit betätigte sich der Angeklagte, der die militärische und religiöse Ausbildung des [X.] durchlief, aktiv an der Förderung von dessen kriminellen Zwecken, unter anderem durch die bewaffnete Bewachung be-schlagnahmter
Fahrzeuge in der Nähe des von ihm und seiner Familie bewohn-ten Hauses.
Am 23.
oder 24.
Oktober 2014 nahm der Angeklagte als Mitglied des [X.] an der öffentlichen Hinrichtung des von der [X.] gefangen gehaltenen

U.

, eines ranghohen [X.], auf dem Platz

in [X.] teil. Am Tattag geleiteten andere [X.]-Mitglieder, zu denen der [X.] [X.]

gehörte, den Gefangenen zu diesem
Platz, wo er festgehalten
wurde. Der Angeklagte löste sich, wie zuvor abgesprochen, unmittelbar vor der Hinrichtung aus der dort versammelten Menschenmenge, ging mit erhobenem Zeigefinger auf den von bewaffneten [X.]-Kämpfern, darunter dem Mitangeklag-ten [X.]

, umringten

U.

zu und beschimpfte ihn in dem Wissen um die
bevorstehende Erschießung öffentlich mit Äußerungen in [X.], [X.] Und dank des [X.] von ihnen hierher-gebracht worden, und du wirst exekutieren!" Sodann drehte er sich kurz von

U.

weg, wandte sich ihm
wieder zu und schrie: "Ich spucke dich an, du Hund!" Dabei spie er in Richtung des nur wenige Schritte von ihm entfernt festgehaltenen [X.] aus, um seine Verachtung für ihn weiter zu unterstreichen. Daraufhin tötete ein [X.]-Mit-10
11
-
6
-
glied, vermutlich

Al.

, das Opfer mit mehreren Schüssen aus
einer Handfeuerwaffe in den [X.]. Dem Angeklagten war bewusst, dass seine Äußerungen und Handlungen Teilakte der inszenierten Hinrichtung [X.]. Von dem Geschehen wurde, wie ihm bekannt war, eine Videoaufnahme gefertigt. Diese sollte dem [X.] dazu dienen, seine Macht propagandistisch zu demonstrieren und seine Gegner einzuschüchtern.
Der Angeklagte war im Tatzeitraum nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
bb)
Hinsichtlich der Struktur, der Tätigkeiten und der Zielsetzungen
des [X.] wird auf den Senatsbeschluss vom 22.
Februar 2018 (AK
5/18, juris Rn.
12
ff.) sowie den angefochtenen Haftbefehl verwiesen.
b)
Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus dem Inhalt der [X.] und insbesondere den vom [X.] in der Hauptverhandlung gewonne-nen Erkenntnissen.
aa)
Hinsichtlich der dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen ist im angefochtenen Haftbefehl auf rund 18
Seiten und ergänzend im Nichtabhilfe-beschluss dargelegt, wie sich die Ergebnisse der Beweisaufnahme nach der Überzeugung des mit der Sache befassten [X.] im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt dargestellt haben.
(1)
Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im [X.] nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme statt-12
13
14
15
16
-
7
-
findet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder [X.] ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittel-baren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des [X.] auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die von [X.] wegen an die [X.] zu stellen sind (s. etwa [X.], Beschluss vom 17.
Januar 2013 -
2
BvR
2098/12, [X.], 640, 642
f.), aus-reichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das erkennende Gericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffen-den Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung zu unterzie-hen hat. Seine abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist
den Urteilsgründen vorbehalten. Das [X.] führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatver-dachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu In-halt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (s. [X.], [X.] vom 5.
Februar 2015 -
StB
1/15, [X.]R [X.] §
304 Abs.
4 Haftbefehl
3 Rn.
5; vom 29.
September 2016 -
StB
30/16, [X.], 341 Rn.
5, 7; vom 26.
Mai 2020 -
StB
15/20, juris Rn.
10, jeweils mwN).
Für die Darlegung der den dringenden Tatverdacht begründenden Be-weislage in den Gründen einer vom erkennenden Gericht während laufender Hauptverhandlung getroffenen Haftanordnung sowie für den vom Beschwerde-gericht anzulegenden Prüfungsmaßstab bedeutet dies: Um dem [X.]gericht eine
eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es einer -
wenn auch knappen
-
Darstellung, ob und inwieweit sowie durch welche 17
-
8
-
Beweismittel sich der zu Beginn der Beweisaufnahme vorliegende Verdacht bestätigt oder geändert hat und welche Beweisergebnisse gegebenenfalls noch zu erwarten sind. Es genügt, wenn das erkennende Gericht darlegt, auf welche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise es den dringenden Tatverdacht stützt. Deren Bewertung bedarf es regelmäßig nicht (s. [X.], Beschluss vom 29.
September 2016 -
StB
30/16, aaO, Rn.
7). Da eine nähere Analyse der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen nicht erforderlich ist, kann die [X.] mit hiergegen gerichteten Angriffen grundsätzlich nicht durchdringen (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2017 -
StB
2/17, juris Rn.
17). Das [X.]gericht prüft die Ausführungen in der Haftentscheidung zu den Erkenntnissen der Hauptverhandlung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Plausibilität (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2.
September 2003 -
StB
11/03, [X.]R [X.] §
117 Begrün-dung
1; vom 26.
Mai 2020 -
StB
15/20, juris Rn.
12). Es beanstandet die An-nahme des dringenden Tatverdachts, soweit die Würdigung des Erstgerichts offensichtliche Mängel aufweist, welche die Beurteilung der Verdachtslage als unvertretbar erscheinen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Dezember 2003
-
StB
21/03, [X.]R [X.] §
112 Tatverdacht
3; ferner [X.], Beschluss vom 21.
April 2016 -
StB
5/16, juris Rn.
12 [insoweit in [X.], 217 nicht ab-gedruckt]). Der Beschwerde vermag es indes nicht zum Erfolg verhelfen, wenn der Rechtsmittelführer die Ausführungen als lückenhaft betrachtet, weil er die Ergebnisse der Beweisaufnahme abweichend bewertet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21.
April 2016 -
StB
5/16, aaO; vom 26.
Mai 2020 -
StB
15/20, aaO).
(2)
Bei
Anlegung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe hat das [X.] beanstandungsfrei dargelegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse die bisherige Hauptverhandlung aus seiner Sicht ergeben hat, dass sich der dem Angeklagten vorgeworfene Sachverhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie oben geschildert (s.
a)), zutrug.
18
-
9
-
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung bisher nicht zur Sache eingelassen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte er angegeben, selbst vom [X.] gefangen genommen und zur Beleidigung des

U.

gezwungen
worden zu sein. Das [X.] hat aufgrund der bisher durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass diese Angaben mit hoher Wahrscheinlichkeit als den Tatsachen nicht entsprechende Schutzbehauptung zu bewerten
sind. Es hat die Beweisergebnisse zum [X.]punkt des Erlasses des angefochtenen Haftbefehls dahin gewürdigt, dass der dringende Tatverdacht gestützt wird insbesondere durch die Inaugenscheinnahme der vom [X.] am 23. oder 24.
Oktober 2014 gefertigten Videoaufnahme sowie durch die -
von ihm jedenfalls im [X.] für glaubhaft befundenen
-
Aussagen der [X.] Ab.

, Al-

, Alk.

, [X.]

, Als.

,

M.

, S.

und [X.].

. Mit Schwächen im [X.] der Zeugen Ab.

und
[X.]

hat es sich näher auseinandergesetzt. Ergänzend hat es die Bekundun-
gen des Zeugen

K.

bei verschiedenen polizeilichen Vernehmungen be-
rücksichtigt, von denen er in der Hauptverhandlung abgerückt ist. Um das [X.] zu beurteilen, hat es die Angaben von zeugenschaftlich ver-nommenen Polizeibeamten sowie des Zeugen Rechtsanwalt Sc.

heran-
gezogen. Das [X.] hat sich an dieser vorläufigen Würdigung nicht durch andere Beweiserhebungen gehindert gesehen; es hat namentlich die ab-weichenden Bekundungen der Zeugen Ad.
,

[X.]

, Sa.

und

Ma.

als
derzeit nicht glaubhaft erachtet. Hinsichtlich aller dieser Zeugen sind in dem Haftbefehl und dem Nichtabhilfebeschluss die Aussageinhalte wiedergegeben, die für die Überzeugungsbildung des [X.] maßgebend gewesen sind.
Im Hinblick auf die eingeschränkte Prüfungsbefugnis des Senats trägt diese hinreichend konkrete Darlegung der wesentlichen Beweisergebnisse die 19
20
-
10
-
Annahme des dringenden
Tatverdachts. Die Ausführungen genügen den an die Nachvollziehbarkeit und Plausibilität zu stellenden Anforderungen. Sie sind nicht in dem Sinne mangelhaft, dass sie die Beurteilung der Verdachtslage als unvertretbar erscheinen ließen. Eine weitergehende Darstellung und Würdigung der Beweislage ist nicht erforderlich gewesen. Insbesondere hat es keiner noch detaillierteren Darlegung der Gründe bedurft, weshalb das [X.] be-stimmten belastenden Zeugenangaben gefolgt ist und anderen entlastenden nicht. Eine nähere Glaubhaftigkeitsanalyse ist einem abschließenden Urteil vor-behalten.
Ohne Erfolg macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen vermeintliche Lücken in der Beweiswürdigung des [X.] geltend und nimmt dabei vielfach eigene Wertungen vor. So beanstandet er beispielsweise:

Entgegen der Beurteilung im angefochtenen Haftbefehl seien eine aus der Videoaufnahme hervorgehende "kraftvolle und selbstsichere Mi-mik und Gestik" sowie ein "energisches und selbstbewusstes" Auftre-ten des Angeklagten ohne Weiteres damit vereinbar, dass er
zum [X.] und Bespucken des

U.

gezwungen worden sei.
Ohne nähere Begründung habe der erkennende Staatsschutzsenat solchen Erkenntnissen aus der Inaugenscheinnahme kein Indiz für die Freiwilligkeit des Tuns entnehmen dürfen.

In den Gründen des Haftbefehls sei die Inkonstanz der Aussagen des Zeugen [X.]

nicht kritisch gewürdigt. Zwar gehe die Haftentschei-
dung auf eine "Ergänzung" der Aussage des Zeugen ein. Soweit das [X.] dessen Angaben dennoch als glaubhaft behandelt ha-be,
gehe aus den Ausführungen jedoch hervor, dass es "das Problem der inkonstanten Angaben nicht erkannt" habe.
21
-
11
-

Der erkennende Staatsschutzsenat habe seine Überzeugung nicht ohne nähere Darlegung auf die Aussage des Zeugen

M.

stützen dürfen,
weil dieser im [X.] nur dazu ausgesagt habe, was der Angeklagte ihm gegenüber erklärt habe.

Das [X.] sei von der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen Ab.

bei der Polizei ausgegangen, ohne dass dies
(ausreichend) begründet werde. Die in Bezug genommene Aussage des Zeugen
S.

-
der ausweislich des Haftbefehls über hierzu
stimmige Bekundungen des Zeugen Ab.

ihm gegenüber be-
richtet hat
-
vermöge diese "[X.]" nicht zu schließen.
In Anbetracht des anzulegenden -
oben dargelegten (s.
(1))
-
Prüfungs-maßstabs kann der Beschwerdeführer mit alledem nicht gehört werden. Wegen der Einzelheiten der Beweislage zu den dem Angeklagten angelasteten [X.] wird daher ebenso wie hinsichtlich seiner Verantwortungsreife auf den angefochtenen Haftbefehl und ergänzend den Nichtabhilfebeschluss ver-wiesen.
bb)
Was die Struktur, die Tätigkeiten und die Zielsetzungen des [X.] be-trifft, hat sich die Verdachtslage seit der [X.]entscheidung
des Senats vom 22.
Februar 2018 (AK
5/18, juris Rn.
18) nicht geändert. Der angefochtene Haftbefehl nimmt insoweit zutreffend Bezug "auf das zu den Akten gelangte Gutachten des (in der Hauptverhandlung noch zu hörenden) Sachverständigen Dr. St.

".
c)
In rechtlicher Hinsicht ist der oben geschilderte (s.
a)) Sachverhalt da-hin zu beurteilen, dass der Angeklagte -
als zur [X.] der Taten strafmündiger (§
19 [X.]) und strafrechtlich verantwortlicher (§§
1, 3 Satz
1 JGG) Jugend-22
23
24
-
12
-
licher
-
der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristi-schen [X.] in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch schwerwiegend entwürdigende oder erniedrigende Behandlung sowie mit Beihilfe zum Kriegsverbrechen gegen Per-sonen durch Tötung und zum Mord, dringend verdächtig ist (§
8 Abs.
1 Nr.
1 und
9 [X.], §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 und
2, §
211 Abs.
2, §
27 Abs.
1, §§
52, 53 [X.]).
aa)
Der Angeklagte machte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Beihilfe zum Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung nach §
8 Abs.
1 Nr.
1, §
2 [X.], §
27 Abs.
1 [X.] strafbar. Unter Zugrundelegung des [X.], auf den sich der dringende Tatverdacht bezieht, gilt Folgendes:
(1)
Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen, die im Jahr 2014 in der Region um die [X.] Stadt [X.] stattfanden, handelte es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt. Die von den [X.]-Mitgliedern
mittäter-schaftlich begangene Tötung des

U.

stand im erforderlichen Zusam-
menhang mit dem Konflikt (s. [X.], Beschluss vom 22.
Februar 2018 -
AK
4/18 u. StB
29/17, juris Rn.
32 mwN). Das [X.] war eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person unabhängig davon, ob er den Streitkräften
oder der Polizei angehörte (§
8 Abs.
6 Nr.
2 und/oder 3 [X.]).
(2)
Der Angeklagte leistete dem die Tötung ausführenden [X.]-Mitglied sowie dessen Mittätern Beihilfe.
(a)
Der Angeklagte erbrachte einen objektiven Gehilfenbeitrag.
(aa)
Als Hilfeleistung im Sinne des §
27 Abs.
1 [X.] ist grundsätzlich [X.] Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des [X.]s durch den 25
26
27
28
29
-
13
-
Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem individuellen Gepräge in irgendeiner Form kausal wird, ist nicht not-wendig. Objektiv gefördert oder erleichtert werden kann die Haupttat unter an-derem in der Form psychischer Beihilfe, wenn der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung -
sei es bereits in sei-nem Tatentschluss
-
bestärkt wird (s. [X.], Beschluss vom 20.
September 2016
-
3
StR
49/16, [X.]St 61, 252 Rn.
17; Urteil vom 20.
Dezember 2018 -
3
StR 236/17, NJW 2019, 1818 Rn.
95). Wenngleich die Beihilfe keinen ursächlichen Beitrag zum [X.] voraussetzt, stellt ein solcher Beitrag stets eine objektiv für §
27 Abs.
1 [X.] ausreichende Hilfeleistung dar. Für die Kausalitätsbeur-teilung kommt es dabei wie für die weitergehende Förderungs-
und Erleich-terungswirkung auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt an (s. [X.], [X.] vom 3.
Mai 1996 -
2
StR
641/95, [X.]R [X.] §
27 Abs.
1 Hilfeleis-ten
17; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 30.
Aufl., Vor
§
13 Rn.
79 mwN).
(bb)
Gemessen daran liegt ein objektiver -
psychisch vermittelter
-
Gehil-fenbeitrag des Angeklagten vor.
In Betracht kommt bereits, dass sein "Auftritt" im Rahmen der öffentlich inszenierten Hinrichtung kausal für den [X.] in seiner konkreten Gestalt war. Die individuelle Art und Weise des Tötungsvorgangs dürfte sich an ihrer propagandistischen Verwertung orientiert haben, für die der "Auftritt" des Ange-klagten wesentliche Bedeutung hatte. Der Angeklagte kündigte dem [X.] im Einvernehmen mit den [X.] die Hinrichtung unmittelbar zuvor an. Das [X.] und Bespucken des [X.] war ein Teilakt der Inszenierung zu Propagandazwecken. Wie auch die frühere Beschwerdeschrift vom 15.
Juli 2020 herausgestellt hat (S.
29
f.), wartete das tatausführende [X.]-Mitglied wegen der Videoaufnahme naheliegenderweise die zuvor abgesprochenen Äußerun-30
31
-
14
-
gen und Handlungen des Angeklagten ab, bis es

U.

erschoss. Denn
der Videomitschnitt war erkennbar darauf angelegt, dass vor der Hinrichtung deren vermeintliche Billigung durch die Bevölkerung zum Ausdruck kommt.
Darauf, dass der [X.] für das von ihm mit Blick auf die Rolle des Angeklagten [X.] zweifellos auch ein anderes seiner jugendlichen Mitglieder hätte einsetzen können, kommt es indes nicht an; derartige "Er-satzursachen" haben außer Betracht zu bleiben (s. [X.], Urteile vom 27.
No-vember 1951 -
1
StR
303/51, [X.]St 2,
20, 24; vom 8.
November 1999 -
5
StR 632/98, [X.]St 45, 270, 294
f.).
Jedenfalls bestärkte der Angeklagte den Todesschützen ebenso wie dessen Mittäter im Willen zur Tatbegehung. Der gemeinsame [X.] der Täter war auf die öffentlich inszenierte Hinrichtung gerichtet. Zu seinem Gelingen trug der im Vorfeld verabredete "Auftritt" des Angeklagten wesentlich bei. Dies stärk-te die Bereitschaft, den [X.] weiterzuverfolgen. Hinzu kommt, dass der [X.] die Billigung des konkreten Tatgeschehens auch nach außen zum Ausdruck brachte.
Entgegen dem Vorbringen in der [X.] vom 29.
Juli 2020 (S.
2
f.) ist es ohne Bedeutung, dass das Beschimpfen und Bespucken des [X.]s für dessen Tötung als solche nicht erforderlich und das tatausführen-de [X.]-Mitglied hierzu aller Wahrscheinlichkeit nach schon vor diesen Äußerun-gen und Handlungen fest entschlossen war (vgl. auch [X.],
Beschluss vom 8.
August 1995 -
1
StR
377/95, [X.], 1). Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es für den objektiven Gehilfenbeitrag nicht nur isoliert auf das Verhalten des Angeklagten unmittelbar vor den tödlichen Schüssen ankommt, sondern auch auf die im Vorfeld hierüber getroffene Absprache.
32
33
-
15
-
(b)
Der Angeklagte handelte mit doppeltem Gehilfenvorsatz. Zum einen wusste er um die bevorstehende vorsätzliche Tötung des

U.

. Zum an-
deren hatte er Kenntnis, dass sein "Auftritt" Teil der inszenierten Hinrichtung mit dem Ziel deren propagandistischer
Verwertung war und den Täter bestärkte. Dass seine vorher abgesprochenen Äußerungen und Handlungen Einfluss auf den [X.]punkt sowie die Art und Weise der Tötung hatten, war ihm ebenfalls bewusst.
(3)
Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts ergibt sich aus §
1 Satz
1 [X.].
bb)
Der Angeklagte ist der Beihilfe zum Mord gemäß §
211 Abs.
2, §
27 Abs.
1 [X.] dringend verdächtig.
(1)
Auf der Grundlage des oben geschilderten (s.
a)) Sachverhalts stellt sich die vorsätzliche Tötung
des

U.

, zu welcher der Angeklagte Beihilfe
leistete, außerdem als Mord dar, weil das tatausführende [X.]-Mitglied und [X.] Mittäter aus niedrigen Beweggründen handelten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass politische Motive zur Tötung eines Menschen -
jenseits der Aus-übung des Widerstandsrechts aus Art.
20 Abs.
4 GG
-
per se den niedrigen Beweggründen unterfallen (s. [X.], Beschluss vom 2.
Mai 2018 -
3
StR
355/17, NStZ-RR 2018, 245). Auf eine etwaige Anwendung des §
28 Abs.
1 [X.] im Rahmen einer Parallelwertung für die Bemessung der Jugendstrafe kommt es hier nicht an.
(2)
Da dieselbe Handlung im Sinne des §
52 Abs.
1 [X.] die Strafbar-
keit wegen Beihilfe zum Mord und zum Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung begründet (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Dezember 2018 -
AK 48-50/18, juris Rn.
27), folgt die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts jedenfalls 34
35
36
37
38
-
16
-
aus einer Annexkompetenz zu §
1 Satz
1 [X.]. Zwar sind verschiedene De-likte trotz idealkonkurrierender Tatbestandsverwirklichung an sich gesondert zu beurteilen (s. etwa [X.]/[X.]/Eser/Weißer, [X.], 30.
Aufl., §
6 Rn.
1b mwN). Hier rechtfertigt sich die Annahme, das in §
1 Satz
1 [X.] verankerte Weltrechtsprinzip erfasse tateinheitlich mit dem Kriegsverbrechen gegen Per-sonen durch Tötung begangene Verbrechen nach §§
211, 212 [X.], jedoch daraus, dass -
wegen der weitgehenden Identität der Tatbestandsmerkmale
-
der Sachverhalt, der für eine Verurteilung wegen des [X.] er-mittelt und festgestellt werden muss, auch eine Verurteilung wegen dieser
Tötungsdelikte trägt (s. -
für §
1 Satz
1 [X.] im Verhältnis von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter gemäß §
7 Abs.
1 Nr.
5 [X.] zu §§
223
ff. [X.]
-
[X.], Beschlüsse vom 6.
Juni 2019 -
StB
14/19, NJW 2019, 2627 Rn.
71; vom 5.
September 2019 -
AK
47/19, juris Rn.
53; ferner -
für §
6 Nr.
1 [X.]
aF im Verhältnis von Völkermord gemäß §
220a Abs.
1 Nr.
1 [X.]
aF zu §§
211, 212 [X.]
-
[X.], Urteil vom 30.
April 1999 -
3
StR
215/98, [X.]St 45, 64, 69
f.).
cc)
Hinsichtlich einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen mitgliedschaft-licher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] und eines [X.] gegen Personen durch schwerwiegend entwürdigende oder erniedrigende Behandlung verweist der Senat auf seine
[X.]entschei-dung vom 22.
Februar 2018 (AK
5/18,
juris Rn.
25
ff.).
dd)
Für die Konkurrenzen gilt: Indem sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch als Mitglied für den [X.] betätigte, dass er nach vor-heriger Absprache den in der Gewalt der Organisation befindlichen

U.

beschimpfte und bespuckte, ist er der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] in Tateinheit (§
52 [X.]) mit einem 39
40
-
17
-
Kriegsverbrechen gegen Personen durch schwerwiegend entwürdigende oder erniedrigende Behandlung sowie mit Beihilfe zum Kriegsverbrechen gegen Per-sonen durch Tötung und zum Mord dringend verdächtig. Soweit sich der Ange-klagte hochwahrscheinlich über sein Verhalten bei der Hinrichtung hinaus am [X.] beteiligte, namentlich durch die bewaffnete Bewachung beschlagnahmter [X.] in der Nähe des von seiner Familie bewohnten Hauses, treten diese Be-teiligungshandlungen in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§
53 [X.]) zu dem auch gegen andere Strafgesetze verstoßenden mit-gliedschaftlichen Betätigungsakt hinzu (vgl. [X.],
Beschlüsse vom 9.
Juli 2015
-
3
StR
537/14, [X.]St 60, 308
Rn.
23, 37
ff.; vom 20.
Dezember 2016 -
3
StR 355/16, [X.]R [X.] §
129a Konkurrenzen
6
Rn.
5).
2.
Es bestehen die
Haftgründe der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]), der Verdunkelungsgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
3 [X.]) und der [X.] (§
112 Abs.
3 [X.]).
a)
Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist gegeben, weil es die Würdigung sämtlicher Umstände wahrscheinlicher macht, dass sich der Angeklagte dem Verfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde.
Wenngleich der von der Straferwartung ausgehende Fluchtanreiz mit zu-nehmender -
in dieser Sache mehr als zweieinhalb Jahre anhaltender
-
Dauer des Untersuchungshaftvollzugs geringer wird (zur sog. Nettostraferwartung
s. [X.], Beschluss vom 2.
November 2016 -
StB
35/16, juris Rn.
9 mwN), ist die im angefochtenen Haftbefehl näher dargelegte tatrichterliche Prognose nicht zu beanstanden, dass der Angeklagte für den Fall seiner Verurteilung gleichwohl eine noch zu vollstreckende Jugendstrafe zu erwarten hat, die ihn empfindlich trifft. Hierzu verhält sich die neuerliche Beschwerde nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund des im angefochtenen Haftbefehl dargelegten fortbestehen-41
42
43
-
18
-
den erheblichen Erziehungsbedarfs vermag der Senat der vorausgegangenen Beschwerdeschrift vom 15.
Juli 2020 (S.
69) nicht darin zu folgen, dass der [X.] im Fall der Verurteilung mit einer frühzeitigen Aussetzung der Rest-jugendstrafe zur Bewährung nach §
88 JGG rechnen könnte.
Dem weiterhin gegebenen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. Vielmehr hat der -
nunmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens 21½-jährige
-
Angeklagte im Inland über die Mitglieder seiner Familie hinaus keine gefestigten [X.] Bindungen; er reiste erst 2015 nach [X.] ein. Hinzu kommt, dass ihm möglicherweise -
[X.]nfalls aus seiner Sicht
-
die Abschiebung droht. Mit Beschluss vom 8.
Juli 2020 hat
das Verwaltungsgericht [X.] (25
L
120/20
A, juris) zwar entschieden, dass eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, aufgrund derer das für den Angeklagten vormals festgestellte Abschiebungsverbot ge-mäß §
73c Abs.
2 [X.] zu widerrufen
wäre, weiterhin nicht vorliegt. Nach den Gründen der Entscheidung scheint es jedoch möglich, dass es künftig zu einem solchen Widerruf kommt. Dort ist dargelegt: Nach den mittlerweile vorliegenden Erkenntnissen sei im [X.] nicht mehr von der Gefahr der Verhängung und Voll-streckung der Todesstrafe auszugehen. Die Gefahren der Folter und der un-menschlichen oder erniedrigenden Behandlung seien hingegen durch die Ver-balnote der Botschaft der Republik [X.] vom 8.
Juni 2020 nicht ausgeräumt, weil die diesbezügliche Bestätigung zu vage sei und keine hinreichenden Sicherun-gen in Form von Kontrollmechanismen enthalte. Danach ist eine künftige Präzi-sierung diplomatischer Zusicherungen indes nicht ausgeschlossen. Ungeachtet dessen ist den [X.] zu entnehmen, dass der Angeklagte das Risiko einer Abschiebung als real empfindet und sich ihr in jedem Fall entziehen will (zum notwendigen Beweismaß für die die Fluchtgefahr begründenden tatsächlichen 44
-
19
-
Umstände s. [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 2018 -
StB
43 u. 44/18, juris Rn.
37).
b)
Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr
liegt ebenfalls vor. In dem an-gefochtenen Haftbefehl sind die Umstände, welche Verdunkelungshandlungen des Angeklagten konkret besorgen lassen, im Einzelnen beanstandungsfrei dargelegt. Diese ergeben sich insbesondere aus in der Hauptverhandlung ge-wonnenen Erkenntnissen. Mit diesen Darlegungen setzt sich die neuerliche Be-schwerde ebenfalls nicht auseinander. Soweit -
hiermit teilweise übereinstim-mend
-
die Verdunkelungsgefahr bereits in den [X.]n vom 22.
März 2019 und vom 20.
September 2019 begründet worden war, erschöp-fen sich die Angriffe in der vorausgegangenen Beschwerdeschrift vom 15.
Juli 2020 (S.
53
ff.) weitgehend in einer abweichenden Bewertung der Äußerungen des Angeklagten sowie der Aussagen und des Verhaltens von Zeugen. Damit kann die Beschwerde auch hinsichtlich des Haftgrundes der [X.] nicht gehört werden.
c)
Die Fortdauer der Untersuchungshaft kann überdies auf den -
subsi-diären
-
Haftgrund der [X.], auch bei der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung des §
112 Abs.
3 [X.] (vgl. [X.]/
[X.], [X.], 63.
Aufl., §
112 Rn.
37 mwN), gestützt werden. Die aufgeführten Umstände begründen die Gefahr, dass die Aufklärung und Ahndung der Taten ohne die weitere Inhaftierung des Angeklagten vereitelt werden könnte. Denn dafür genügt eine zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falls gleichwohl nicht auszuschließende Flucht-
oder Ver-dunkelungsgefahr.
d)
Eine -
auch bei verfassungskonformer Auslegung im Rahmen des §
112 Abs.
3 [X.] mögliche
-
Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§
116 45
46
47
-
20
-
[X.]) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.
3.
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu [X.] Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Der Senat berücksichtigt dabei die in der früheren Beschwerdeschrift vom 15.
Juli 2020 vorgebrachten Um-stände (S.
71
ff.). Das gilt zum einen für die nachteiligen Wirkungen des
-
insgesamt bereits rund drei Jahre und vier Monate dauernden
-
Unter-suchungshaftvollzugs für die persönliche Entwicklung des Angeklagten und zum anderen für dessen Suizidalität. Was die Suizidgefährdung betrifft, ist [X.] nicht außer [X.] zu lassen, dass diese nach der Stellungnahme des Leiters der Jugendstrafanstalt vom 30.
Juni 2020 eine wesentliche Ursache in der "Auslieferungsproblematik" hat und im Fall der Haftentlassung fortbestünde.
Das Verfahren ist nach der letzten [X.]entscheidung des Senats vom 18.
Oktober 2018 (AK
38 u. 39/18, Rn.
8
f. [unveröffentlicht]) mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden. Seit dem 22.
November 2018 hat die Hauptverhandlung grundsätzlich an zwei Sitzungstagen pro Woche stattgefunden. Bis zum Erlass des [X.] ist an 112
Tagen verhandelt worden. Bisher sind 35
Zeugen vernommen und das in der [X.] umrissene Beweisprogramm weitgehend abgearbeitet worden. Viele der Zeugen sind mehrtägig vernommen worden, so der Zeuge Ab.

an sie-
ben Tagen, die Zeugen [X.]

und

M.

jeweils an zehn Tagen, der
Zeuge Als.

an elf Tagen sowie der Zeuge Alk.

an -
bislang
-
16
Tagen.
Nach den Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss und der Antragsschrift des [X.]s vom 22.
Juli 2020 (S.
18) ist die Dauer
der Vernehmun-48
49
-
21
-
gen vornehmlich in der intensiven Befragung der Zeugen durch die Verteidiger beider Angeklagten begründet. Danach beruht der bisherige konkrete Verlauf der Hauptverhandlung zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Verteidi-ger des Angeklagten. Dies hat bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der [X.] Berücksichtigung zu finden, ohne dass dies von einer Bewertung des Verhaltens als nicht sachdienlich abhängig wäre (s. [X.], Beschlüsse vom 22.
September 2016 -
StB
29/16, [X.], 18, 19; vom 3.
Mai 2019 -
AK 15/19 u. StB 9/19, NJW 2019, 2249 Rn.
36, 38, jeweils mwN).
Spaniol
Berg
Anstötz

Meta

StB 28/20

21.09.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2020, Az. StB 28/20 (REWIS RS 2020, 11173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11173

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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