Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. XII ZR 44/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8226

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 44/10
Verkündet am:

14.
März 2012

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§
307 Bb, [X.], 306 Abs.
2; [X.] §
28 Abs.
2, 3
a)
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Autovermietungsunterneh-mens enthaltene Klausel, wonach die gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung uneingeschränkt entfällt, wenn der Mieter gegen die ebenfalls in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verpflichtung, bei einem Unfall die Polizei hinzuzuziehen, verstößt, ist nach §
307 [X.] unwirksam (im [X.] an Senatsurteile vom 2.
Dezember 2009 -
XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480
ff. und vom 10. Juni 2009
XII
ZR
19/08
-
NJW 2009, 3229
f.).
b)
Die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstehende [X.] kann durch die Heranziehung von §
28 Abs.
2 und 3 [X.] geschlossen werden (im [X.] an [X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524
ff.).
[X.], Urteil vom 14. März 2012 -
XII ZR 44/10 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der X[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. März
2012
durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
Hahne
und
die [X.] Weber-Monecke, Dose,
Dr. Klinkhammer
und
Dr. Günter
für Recht erkannt:
Auf die
Revision des [X.]
wird
das Urteil der
Zivilkammer
31 des [X.]s [X.]
vom 5.
März
2010
aufgehoben.
Der
Rechtsstreit wird zur erneuten
Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von [X.]-Klauseln des
[X.], wonach die bei Anmietung eines Kraftfahrzeugs vereinbarte Haftungsbe-schränkung unter bestimmten Voraussetzungen entfällt.
Der
Kläger, der ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen
betreibt, vermietete mit Vertrag vom 25.
Juni 2008
ein
Fahrzeug
an den [X.]n. Die Parteien vereinbarten gegen Entgelt eine Beschränkung der Haftung des [X.] auf 550

f-tungsbeschränkung:
1
2
-
3
-
"Ich akzeptiere diesen Mietvertrag, die Zustandsbeschreibung des Fahrzeugs sowie die ausliegenden Geschäfts-
und Vertragsbedin-gungen. Jegliche
Haftungsreduzierung
entfällt bei vorsätzlichen, grob fahrlässigen
oder alkoholbedingten
Beschädigungen oder Unfällen,
dem Nichthinzuziehen
der Polizei bei Schadensfällen
oder Grenzüberschreitungen."
In den [X.] des
[X.]
ist u.a. Folgendes bestimmt:
"F.
Schäden am Mietwagen

[X.]
Schäden durch Unfall
1.

Unfallschäden im Sinne dieser Bestimmungen ist jedes Ereig-nis im öffentlichen und privaten Straßenverkehr, das mit des-sen Gefahren im ursächlichen Zusammenhang steht und ei-nen Sachschaden am Mietwagen zur Folge hat, ob an dem Unfall ein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt ist oder nicht.
2.
Bei jedem Unfallschaden hat der Mieter:
a)

sofort die Polizei zu verständigen und an der Unfallstelle zu verbleiben, bis zum Eintreffen der benachrichtigten Polizei

4.

Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter sofort telefonisch, notfalls telegrafisch, von einem Unfall zu verständigen.
...
3
-
4
-
G.
Unbeschränkte Haftung des Mieters
bei Überlassung an nichtberechtigten Lenker

[X.]
Vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung des Mieters und berechtigten Lenkers
Durch den Abschluss einer gesonderten Vereinbarung kann die Selbstbeteiligung
an Schäden durch den Mieter und [X.]en Lenker beschränkt werden.

I[X.]
Unbeschränkte Haftung des Mieters und berechtigten Lenkers trotz vertraglicher Haftungsbeschränkung
bei Unfällen, Dieb-stahl,
Vandalismus etc.
Mieter und Lenker haften ungeachtet der unter G.
I. und [X.] vereinbarten Haftungsbeschränkung dem Vermieter in voller Höhe als Gesamtschuldner auf Schadensersatz:
a)
In allen Fällen, in denen im Rahmen eines [X.] die jeweilige Vollkaskoversicherung ([X.]) gegenüber ihrem Versicherungsnehmer (Mieter) den [X.] gemäß § 61 [X.] entziehen darf
sowie darüber hinaus
b)

c)
bei Verstoß gegen die in F.
I. und [X.] übernommenen [X.] durch den Mieter, insbesondere bei vertragswidrigem -
5
-
Verlassen der Unfallstelle bzw. bei vertragswidrigem [X.] (vgl. F.
[X.]
2.
a), auch wenn andere Per-sonen oder Fahrzeuge an dem Unfall nicht beteiligt waren bzw. kein Fremdschaden, sondern lediglich Schaden am Mietwagen entstanden ist

"
Der [X.] beschädigte während der Mietzeit das Fahrzeug, weil
er
beim Abbiegen gegen einen Pfosten fuhr.
Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger
unter Anrechnung der be-reits vom [X.]n erbrachten Selbstbeteiligung Ansprüche auf Ersatz von Reparatur-
und Gutachterkosten sowie wegen
Wertminderung in Höhe von [X.] 3.778,43

geltend.
Der [X.] hat Widerklage
erhoben,
mit der er
Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen
und der Widerklage stattge-geben. Die Berufung des
[X.]
ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der
Kläger mit der zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 606 veröffent-licht ist, hat ausgeführt, der [X.] sei zwar grundsätzlich gemäß §§
535, 280 4
5
6
7
8
-
6
-
Abs.
1 [X.] zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Die Parteien hätten jedoch eine Haftungsreduzierung vereinbart. Da der [X.] die vereinbarte Selbstbeteiligung beglichen habe, könne der Kläger weiteren Schadensersatz nicht verlangen. Die Klauseln in seinen [X.] benachteiligten den Mieter [X.] und seien daher gemäß §
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.] unwirksam.
Zwar habe der Kläger als Vermieter grundsätzlich ein berechtigtes Inte-resse an der Einschaltung der Polizei, weshalb die streitgegenständliche Klau-sel nach alter Rechtslage (Geltungsbereich altes [X.]) wirksam gewesen sei. Jedoch erachte die Kammer im vorliegenden Fall, der sich im [X.] und damit im Geltungszeitraum des neuen [X.]es
([X.]) ereignet habe, die streitgegenständliche Klausel für unwirksam.
Die Kammer schließe sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich an, wonach der Vermieter gehalten sei, die Haftungsbefreiung nach dem Leitbild der Kaskoversicherung auszugestalten. Daher sei in der [X.],
dass bei jedem Unfall die Polizei hinzuzuziehen sei,
eine Obliegen-heit des Mieters zu sehen, die sich in das Leitbild der Kaskoversicherung einfü-ge. Allerdings habe sich die [X.] auch hinsichtlich der Rechts-folgen am Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren.
Vor dem Hintergrund der Regelungen des neuen [X.] bestünden jedoch erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit einer uneingeschränkten Versagung der individuell vereinbarten Haftungsbeschränkung. Zwar sei im Rahmen der [X.] der Angemessenheit der Klausel eine Abwägung der beiderseitigen Inte-ressen vorzunehmen. Danach habe der Vermieter grundsätzlich auch bei [X.] ohne Personenschaden ein Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallgeschehens,
und dabei sei er auf die Mithilfe der Polizei angewiesen. [X.] habe nach alter Rechtslage (§
6 [X.] a.F.) eine Vorsatzvermutung be-9
10
11
-
7
-
standen, die der Versicherungsnehmer zu entkräften gehabt habe. Eine Kausa-lität sei
bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung grundsätzlich nicht notwendig
gewesen. Nach der neuen Rechtslage werde dagegen nur noch grobe Fahrläs-sigkeit vermutet. Zudem sehe §
28 [X.] nicht grundsätzlich eine vollständige Leistungsfreiheit vor. Denn auch im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsver-letzung sei der Versicherer gemäß §
28 Abs.
3 [X.] zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststel-lung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich sei. Von den Vorschriften des §
28 Abs.
1
bis
4 [X.] dürfe gemäß §
32 [X.] nicht zum Nachteil des [X.] abgewichen werden.
Zwar werde die Nichthinzuziehung der Polizei in vielen Fällen vorsätzlich geschehen. Es seien allerdings auch Konstellationen denkbar, in denen das Nichthinzuziehen nur grob fahrlässig sei. In diesen Fällen
komme nach dem Leitbild der Kaskoversicherung (§
28 Abs.
2 [X.]) grundsätzlich nicht mehr eine vollständige Leistungsfreiheit in Betracht, vielmehr wäre der Versicherer [X.], seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des [X.] entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Derartige Rechtsfolgen sehe die hier betroffene
Klausel jedoch nicht vor.
Vor dem Hintergrund, dass sich die Rechtsfolgen an dem Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren hätten, müsste unter Berücksichtigung der Regelungen des §
28 [X.] in die Klausel zu viel hinein interpretiert werden; so müsste zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sowie vollständigem Weg-fall der Haftungsbeschränkung und eventuellen Kürzungen des Wegfalls der vereinbarten Haftungsfreistellung unterschieden werden. Diese Vorgehenswei-se widerspräche dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
12
13
-
8
-
[X.]
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Zutreffend geht das
Berufungsgericht
zunächst davon aus, dass die Regelung G.
I[X.]
c)
der [X.] des
[X.] unwirksam
ist, weil nach ihr die ver-traglich vereinbarte Haftungsbeschränkung ohne Rücksicht auf das [X.] des Mieters und die Relevanz der Obliegenheitsverletzung für die Interes-sen des
[X.]
entfällt.
a) Zwar wird nach der Rechtsprechung des Senats der Mieter eines Kraftfahrzeuges nicht unangemessen benachteiligt, wenn
in allgemeinen Ge-schäftsbedingungen die gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung davon abhängig gemacht wird, dass er bei Unfällen die Polizei hinzuzieht. Eine solche Klausel ist vielmehr wirksam. Die Vereinbarung, dass bei jedem Unfall die Polizei hinzugezogen werden muss, begründet -
in Begriffe der Kaskoversicherung umgesetzt
-
eine Obliegenheit des Mieters. Diese fügt sich in das Leitbild der Kaskoversicherung ein. Der Mieter hat es in der Hand, entweder die Obliegenheit zu erfüllen, oder sich über sie hinwegzu-setzen, dann aber seine [X.] einzubüßen. Die Obliegenheit hat auch nicht eine Verpflichtung zum Gegenstand, sich selbst bei der [X.]. Der Mieter hat lediglich bei Unfällen die Polizei hinzuzuziehen, um an Ort und Stelle die erforderlichen Feststellungen treffen zu lassen. Er ist weder verpflichtet, sich selbst zu belasten, noch wird sein Recht, in einem Ermittlungs-verfahren die Aussage zu verweigern, berührt
(Senatsurteile vom 10.
Juni 2009

XII
ZR
19/08
-
NJW 2009, 3229 Rn.
18 und
vom 2.
Dezember 2009

XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480
Rn.
12
f.).

14
15
16
-
9
-
b)
Der Mieter wird jedoch dadurch unangemessen benachteiligt, dass die Klausel G.
I[X.]
c)
bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung, bei einem Unfall die Polizei zu verständigen,
uneingeschränkt einen völligen Wegfall der
[X.] vorsieht.
aa) Nach §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des [X.] entgegen den Geboten von [X.] und Glauben
unangemessen benachteili-gen. Eine Klausel ist unangemessen im Sinne von §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.], wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzu-gestehen (Senatsurteil vom 19.
Dezember 2007 -
XII
ZR
61/05
-
NJW-RR 2008, 818 Rn.
17).
Im Zweifel ist eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Re-gelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist (§
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.]).
bb) Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen [X.] gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, so darf dieser -
gleichsam als Quasi-Versicherungsnehmer
-
darauf vertrauen, dass die Reichweite des miet-vertraglich vereinbarten
Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeuges und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schut-zes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger 17
18
19
-
10
-
Vertragspartner
angemessen zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 19.
Januar 2005 -
XII
ZR
107/01
-
NJW 2005, 1183; [X.] Urteile
vom 11.
Oktober 2011

VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
11; vom 17.
Dezember 1980

VIII
ZR
316/79
-
NJW 1981, 1211; vom 16.
Dezember 1981

VIII
ZR
1/81
-
NJW 1982, 987
f. und
vom 19.
Juni 1985

VIII
ZR
250/84
-
NJW-RR 1986, 51).
cc) Diesen Anforderungen wird die Klausel G.
I[X.]
c) der Allgemeinen Ge-schäfts-
und Vertragsbedingungen des [X.] nicht gerecht.
Auch hinsichtlich der Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung hat sich die [X.] am Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren. Für diese war jedoch bereits vor der Reform des
Gesetzes über den Versiche-rungsvertrag ([X.]
-
[X.]) vom 23.
November 2007 ([X.]
I S.
2631)
anerkannt, dass die Leistungsfreiheit bei nachträglichen
Obliegenheitsverletzungen
sowohl von der Intensität des Verschuldens des Versicherungsnehmers als auch von der Relevanz für die Gefährdung der [X.] abhängt (Senatsurteile vom 10.
Juni 2009

XII
ZR
19/08
-
NJW 2009, 3229 Rn.
19 und vom 2.
Dezember 2009

XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480 Rn.
13; [X.] Urteil vom 11.
November 1981 -
VIII
ZR
271/80
-
NJW 1982, 167).
An diese von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen
von dem in §
6 [X.] a.F. enthaltenen Alles-oder-Nichts-Prinzip lehnt sich die
Neufassung
des §
28 Abs.
2 und
3 [X.] an
(vgl. BT-Drucks. 16/3945, S.
69; [X.] Urteil vom 11.
Januar 2012

IV
ZR
251/10
-
EBE/[X.] 2012, 58 Rn.
10; MünchKomm[X.]/[X.] 1.
Aufl. §
28 Rn.
14; [X.] in [X.] [X.] 2.
Aufl. Vorbemerkung A. Rn.
25). Nach §
28 Abs.
2 [X.] wird der Versicherer bei Verletzung einer vom Versiche-rungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nur dann von
der Leis-tung frei, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich
gehandelt hat. Bei einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit, für deren Nichtvorliegen der 20
21
-
11
-
Versicherungsnehmer die Beweislast trägt, ist der Versicherer lediglich berech-tigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des [X.] entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Gemäß §
28 Abs.
3 Satz
1 [X.] bleibt
der Versicherer jedoch auch in diesen Fällen zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt noch für die Feststellung des Versicherungsfalles oder
für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Eine Vertragsbe-stimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versicherers, nach
der eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers grundsätzlich zur Leistungsfreiheit des Versicherers
führt, verstieße gegen das Leitbild des §
28 Abs.
2 Satz
2 [X.] und wäre
deshalb gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1
i.[X.]. Abs.
2 Nr.
1 [X.] unwirksam
(vgl. [X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
13; [X.] in [X.]/[X.] [X.] 28.
Aufl. §
28 Rn.
164; Pohlmann in [X.] [X.] 2.
Aufl. Vor-bemerkung B. Rn.
59). Gleiches gilt für eine vorformulierte Vertragsbestim-mung, die bei einer Obliegenheitsverletzung, durch die die Interessen des [X.] nicht beeinträchtigt werden, zu einem vollständigen Wegfall der [X.] führen würde.
Diese nunmehr gesetzlich vorgesehene Abkehr von dem nach früherem Recht maßgeblichen "Alles-oder-Nichts-Prinzip"
(vgl. auch §
6 Abs.
1, 3 Satz
1 [X.] a.F.)
in
der Fahrzeugvollversicherung ist auch bei der Ausgestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines gewerblichen Mietwagenunterneh-mens zu berücksichtigen. Da sich die Ausgestaltung einer vertraglich vereinbar-ten Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren hat, kann durch eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines gewerblichen Kfz-Mietvertrages
nicht zu
dem nach früherem Recht geltenden "Alles-oder-Nichts-Prinzip"
zurückgekehrt werden
(vgl. [X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
13).
Die
vollständige 22
-
12
-
Leistungsfreiheit des Vermieters
bei einer lediglich grob fahrlässigen
Obliegen-heitsverletzung oder einer Obliegenheitsverletzung, durch die seine
Interessen
nicht beeinträchtigt werden,
ist
mit wesentlichen Grundgedanken des §
28 Abs.
2 und 3
[X.]
nicht zu vereinbaren.
Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen (§
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.]) und ist daher gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist insoweit unerheblich, dass die vom Kläger verwendeten Allgemeinen Geschäfts-
und Vertragsbedingungen möglicherweise bereits vor dem Inkrafttreten des reformierten Versicherungs-vertragsgesetzes zum 1.
Januar 2008
erstellt worden sind. Maßgeblich für
die Prüfung, ob eine Regelung der Allgemeinen Geschäfts-
und
Vertragsbedingun-gen des [X.] der Inhaltskontrolle nach §
307 Abs.
1 [X.] stand hält, ist nicht der Zeitpunkt, zu dem die vorformulierten Vertragsbedingungen erstellt worden sind, sondern allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. hierzu auch [X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
14; [X.]/[X.], 290, 293).
2.
Nicht gefolgt werden kann dagegen dem
Berufungsgericht, soweit es die Auffassung vertritt,
dass
wegen der
Unwirksamkeit der Klausel dem [X.] die Haftungsfreistellung uneingeschränkt erhalten bleibt.
a) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertrags-bestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die [X.] als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. §
306 Abs.
2 [X.]). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob der ersatzlose
Wegfall einer unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lö-sung darstellt. [X.] beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden wer-23
24
25
-
13
-
den kann (vgl. [X.] Urteile
vom 11.
Oktober 2011
-
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
17 und vom 12.
Oktober 2005 -
IV
ZR
162/03
-
NJW 2005, 3559, 3564).
Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des [X.] ([X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
15; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
306
Rn.
21). Das gilt entspre-chend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermie-tung, die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. Se-natsurteile
vom 10.
Juni 2009 -
XII
ZR
19/08
-
VersR 2010, 260 Rn.
18
f.
und
vom 2.
Dezember 2009 -
XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480 Rn.
14).
b) Im vorliegenden Fall kann die durch die Unwirksamkeit der Klausel G.
I[X.]
c) entstandene Lücke durch einen Rückgriff auf §
28 Abs.
2 und
3 [X.] geschlossen werden. Zwar findet diese Vorschrift auf das Vertragsverhältnis zwischen einem gewerblichen Kfz-Vermieter und seinem Kunden keine unmit-telbare Anwendung. Da eine vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung in ei-nem Kfz-Mietvertrag jedoch nach den Grundsätzen der Kaskoversicherung auszugestalten ist, ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Daher ist es sachgerecht, auf die Vorschriften des [X.]es
zurückzugreifen, um
die Lücke
zu schlie-ßen, die durch die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel entstan-den ist.
Die in den Allgemeinen Vertrags-
und Geschäftsbedingungen des [X.] enthaltene Vereinbarung, dass bei jedem Unfall die Polizei hinzugezogen werden muss, begründet -
in die Begriffe der Kaskoversicherung umgesetzt
-
eine Obliegenheit des Mieters
(Senatsurteil vom 2.
Dezember 2009 26
27
28
-
14
-

XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480 Rn.
13). §
28 [X.] bestimmt die Rechts-folgen einer Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls
und bietet einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters an einer vollständigen Aufklärung des Unfallgeschehens und den Folgen, die sich für den Mieter ergeben, wenn er diese vertragliche Verpflichtung nicht er-füllt.
c) Ein Rückgriff auf
§
28
Abs.
2
und 3
[X.], um die durch die [X.] der streitgegenständlichen Vertragsbestimmung entstandene Lücke zu schließen, führt
entgegen der
Ansicht des [X.] nicht zu
einer
un-zulässigen
geltungserhaltenden
Reduktion
(vgl. auch [X.] r+s 2010, 1, 4
f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf §
28 [X.] für unwirksame Klauseln über Oblie-genheitsverletzungen).
Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verbietet
bei einer
vor-formulierten Vertragsbestimmung, durch die der Kunde des Verwenders [X.] benachteiligt wird, eine Auslegung, die der Klausel gerade noch zur Wirksamkeit verhilft. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Klauselverwen-der risikolos seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Inte-resse ausgestalten und dabei
davon ausgehen kann, dass eine
Klausel, die der Inhaltskontrolle nach den §§
307
ff. [X.] nicht stand hält,
zumindest teilweise erhalten bleibt
([X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
20). Dies würde dem Zweck des Rechts der [X.], den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht wer-denden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, zuwiderlaufen
([X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
20;
[X.]Z 84, 109, 114
ff.; 96, 18, 25
f.).
29
30
-
15
-
Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktionen
wird erst relevant, wenn die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstandene [X.] nicht -
wie im vorliegenden Fall
-
gemäß §
306 Abs.
2 [X.] durch den Rückgriff auf gesetzliche Regelungen geschlossen werden kann, sondern
es
einer
([X.]) Vertragsauslegung bedarf (vgl. [X.] Urteil vom 11.
Oktober 2011

VI
ZR
46/10
-
VersR 2011, 1524 Rn.
20; [X.]Z 96, 18, 26).
3. Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das [X.] hat -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
keine Feststellun-gen dazu getroffen, ob der [X.] grob fahrlässig oder vorsätzlich gegen die Pflicht, die Polizei bei einem Unfall beizuziehen, verstoßen und der Pflichten-verstoß sich auf die Interessen des [X.] ausgewirkt hat. So würde die [X.] etwa dann entfallen, wenn -
was der Mieter gegebenenfalls zu beweisen hat
-
die Polizei auch bei Benachrichtigung nicht erschienen wäre (Senatsurteil vom 2.
Dezember 2009 -
XII
ZR
117/08
-
NJW-RR 2010, 480 Rn.
21) oder die Feststellung des Schadensumfangs bzw. die Verantwortlichkeit des Mieters für den entstandenen Schaden zwischen den Parteien unstreitig ist.
31
32
-
16
-
4. Das angefochtene Urteil ist
daher aufzuheben

562 Abs.
1 ZPO).
Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil es noch wei-terer
tatrichterlicher
Feststellungen bedarf

563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Die Sa-che ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hahne

Weber-Monecke

Dose

Klinkhammer

Günter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.03.2009 -
409 C 378/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.03.2010 -
331 S 57/09 -

33

Meta

XII ZR 44/10

14.03.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. XII ZR 44/10 (REWIS RS 2012, 8226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8226

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XII ZR 44/10

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