Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2017, Az. XI ZR 314/15

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11317

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:090517UXIZR314.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
XI [X.]
Verkündet am:
9.
Mai 2017
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 358 (Fassung bis zum 29. Juli 2010)
Die Parteien können das Zustandekommen verbundener Verträge als Ergebnis einer rechtlichen Bewertung nicht unstreitig stellen.
[X.], Urteil vom 9. Mai 2017 -
XI [X.] -
OLG [X.]

LG Lübeck

-
2
-

Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9.
Mai 2017 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, [X.]
Grüneberg und [X.] sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Derstadt

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird das Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 25.
Juni 2015 mit Ausnahme der Entscheidung über die Erstattung vorgerichtlich [X.]r Anwaltskosten und über die Verzinsung [X.]r Gerichtskosten aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger nimmt die
Beklagte auf Zahlung und Feststellung nach [X.] seiner auf den Abschluss zweier Darlehensverträge gerichteten Willenser-klärungen in Anspruch.
Der Kläger
interessierte sich im [X.] für eine "SICHERHEITS-KOMPAKT-RENTE"
(SKR), die von einer zur "S.

-Gruppe"
gehörenden S.

GmbH
&
Co.
[X.] vermittelt wurde. Er schloss mit der R.

Limited einen Vertrag über eine [X.], mit der W.

Aktien-1
2
-
3
-

gesellschaft einen Vertrag über eine Rentenversicherung und mit der E.

AG einen Vertrag über eine Risikolebensversicherung. Für die Kapitallebensversicherung und die Rentenversicherung fielen Einmal-prämien in Höhe von 341.504

612.177

an, die der Kläger
überwiegend
mittels von der Beklagten zur Verfü-gung gestellter Fremdmittel und in Höhe von 197.265

tteln aufbringen sollte. In Aussicht genommen war, mit dem Ertrag der [X.] die (endfälligen) Fremdmittel abzulösen und mittels der aus der Rentenversicherung erwirtschafteten Renten mit einer vertraglichen Kom-ponente und einer Bonusrente
die laufenden Finanzierungskosten zu bedienen.
Entsprechend schloss der Kläger
zur (Teil-)Finanzierung der für die Le-bensversicherung und die Rentenversicherung erforderlichen Einmalprämien
sowie zur Finanzierung von Vermittlungskosten unter Einrechnung eines Disagios
mit der Beklagten im Dezember 2005 zwei [X.] mit Laufzeiten jeweils bis zum 31.
Dezember
2014 zu [X.] von 85.314

und 392.307

Widerrufsrecht
wie folgt:
3
-
4
-

-
5
-

-
6
-

Der Prozessbevollmächtigte des [X.] widerrief für diesen mit Schrei-ben
vom 4.
August 2011
unter Vorlage einer auf den 21.
Juli 2011 datierten Vollmacht die
auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten [X.] des [X.].
Seine Klage auf Zahlung der Differenz zwischen der von ihm vorgetragen erbrachten Leistungen in Höhe von 311.481,29

n-tenerträge in Höhe von 111.668,97

, auf Erstattung vorgerichtlich [X.]r Anwaltskosten, auf negative Feststellung betreffend etwaige Ansprüche der Beklagten aus den Darlehensverträgen
und auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm Zinsen auf [X.] Gerichtskosten bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht zu zahlen, mit der er "hilfsweise"
die
Verurteilung Zug um Zug "gegen das Angebot des Verzichts auf die Rückabtretung der Ansprüche"
durch die Beklagte aus den näher bezeichneten Versicherungsverträgen beantragt
hat, hat das [X.] abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Berufung hat das Be-rufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision des [X.]
hat in dem aus der Entscheidungsformel er-sichtlichen Umfang Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner
Entscheidung im [X.] ausgeführt:

4
5
6
7
-
7
-

Dem Kläger habe, als er den Widerruf erklärt habe, ein Widerrufsrecht nicht mehr zugestanden, weil die von der Beklagten erteilten Belehrungen die Widerrufsfrist wirksam in Gang gesetzt hätten. Zwar hätten die Widerrufsbeleh-rungen den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen, weil sie mittels der Verwendung des Wortes "frühestens"
nicht hinreichend deutlich über die
Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist unterrichtet hätten. Die Beklagte könne sich aber auf die Gesetzlichkeitsfiktion des damals gültigen Musters für die
Widerrufsbelehrung berufen. Soweit die Beklagte das Muster abgeändert habe, brächten diese Änderungen die Gesetzlichkeitsfiktion nicht in Gefahr.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ausgangspunkt richtig erkannt, dem Kläger sei gemäß §
495 Abs.
1 BGB zunächst das Recht zugekommen, seine auf Abschluss der Darlehensverträge
gerichteten
Willenserklärungen
nach §
355 Abs.
1 und 2 BGB in der hier nach Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §§
32, 38 Abs.
1 Satz
1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1.
August 2002 und dem 10.
Juni 2010 geltenden Fassung zu widerrufen. Dass das Widerrufrecht des [X.] nach §
358 Abs.
2 Satz
2 BGB in der zwischen dem 1.
August 2002 und dem 29.
Juli 2010 geltenden Fassung (künftig: a.[X.]) ausgeschlossen gewesen sei,
hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
2. [X.] ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Widerrufsfrist sei bei Erklärung des Widerrufs am 4.
August 2011 bereits abge-laufen gewesen.
a) Die dem Kläger erteilten
Widerrufsbelehrungen
informierten, was das Berufungsgericht gesehen hat, mittels des Einschubs "frühestens"
unzu-8
9
10
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12
-
8
-

reichend deutlich über den Beginn und

insoweit vom Berufungsgericht fehlein-geschätzt

mittels der eingefügten Fußnote: "Bitte Frist im Einzelfall prüfen"
unklar über die Länge der Widerrufsfrist (vgl. Senatsurteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
564/15, [X.], 1930 Rn. 18
f., zur [X.] bestimmt in [X.]Z).
b) Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage
2 zu §
14 [X.] in der zwischen dem 8.
Dezember 2004 und dem 31.
März 2008 geltenden Fassung kann sich die Beklagte entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht berufen. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils ent-schieden hat, hat die Beklagte
das Muster, was der Senat durch einen [X.] selbst feststellen kann (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 11.
Oktober 2016

XI
ZR
482/15, WM
2016, 2295 Rn.
26, zur [X.] bestimmt in [X.]Z), einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach §
14 Abs.
3 [X.] in der bis zum 10.
Juni 2010 geltenden Fassung für den Er-halt der Gesetzlichkeitsfiktion [X.] hinausgeht.

III.
Das Berufungsurteil stellt sich nur insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als das Berufungsgericht einen Anspruch des [X.]
auf Erstattung
von vorgerichtlich [X.]n
Anwaltskosten versagt und die Feststellung nicht getroffen hat, die Beklagte sei dem Kläger zur Verzinsung [X.]r Gerichtskosten verpflichtet (§
561 ZPO). Im Übrigen hält das Berufungsurteil einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch nicht mit anderer Begründung stand.
1. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein [X.] auf Erstattung vorgerichtlich [X.]r Anwaltskosten zu. Aus Verzug 13
14
15
-
9
-

kann der Kläger selbst dann
Zahlung nicht verlangen, wenn sich die Darlehens-verträge aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewan-delt haben sollten. Da der vorgerichtlich mandatierte Rechtsanwalt als Vertreter des [X.] den Widerruf erklärt hat und nach eigenem Vortrag des [X.] schon am 21.
Juli 2011
mit der Angelegenheit befasst wurde, ist er, was aber Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit wäre, nicht nach Eintritt des [X.] mandatiert worden (Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR
467/15, juris
Rn.
31). Der Kläger kann die Erstattung vorgerichtlich [X.]r [X.] auch nicht mit der Begründung verlangen, die Beklagte schulde ihm Schadensersatz, weil sie ihre Verpflichtung zur Erteilung einer ordnungs-gemäßen Widerrufsbelehrung verletzt habe (Senatsurteil vom 21.
Februar 2017 aaO Rn.
34
f.). Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz daneben
Vortrag da-zu gehalten hat, die Beklagte hafte aus dem Gesichtspunkt einer Falschbera-tung des Vermittlers auf Schadensersatz, hat er damit in zweiter Instanz einen weiteren Streitgegenstand eingeführt (vgl. Senatsurteil vom 5.
Juli 2016

XI
ZR
254/15, WM
2016, 1831 Rn.
23
ff.). Das Berufungsurteil ist auf einen so begründeten Anspruch
nicht eingegangen, so dass seine
Rechtshängigkeit mit Ablauf der in §§
320, 321 ZPO genannten Fristen
entfallen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Februar 2005

VIII
ZR
133/04, NJW-RR
2005, 790, 791
f.).
2. Weiter steht dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung [X.]r Gerichtskosten neben dem Zinsanspruch aus §
104 Abs.
1 Satz
2 ZPO nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch aus §§
291, 288 Abs.
1 BGB neben dem Anspruch aus §
104 Abs.
1 Satz
2 ZPO überhaupt in Betracht kommen kann. Jedenfalls hat der Kläger die [X.] mit der Erstattung [X.]r Gerichtskosten
weder in Verzug gesetzt noch die Forderung, deren Verzinsung er verlangt, rechtshängig gemacht (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Juli 2014

VI
ZR
357/13, NJW
2014, 3151 Rn.
22).

16
-
10
-

3. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des §
561 ZPO nicht vor. [X.] kann der Senat
nicht von einer §
242 BGB widerstreitenden Aus-übung des Widerrufsrechts
des [X.] ausgehen.

IV.
Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher im Umfang der Aufhe-bung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Das Berufungsgericht
wird sich nach Maßgabe der nach Erlass des [X.] präzisierten Grundsätze mit der Frage
auseinanderzusetzen ha-ben,
ob
der Ausübung des Widerrufsrechts §
242 BGB entgegen gestanden hat (vgl. Senatsurteile vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, WM
2016, 1835 Rn.
39
ff., zur [X.] bestimmt in [X.]Z, und

XI
ZR
564/15, WM
2016, 1930 Rn.
34
ff. sowie vom 11.
Oktober 2016 -
XI
ZR
482/15, WM
2016, 2295 Rn.
30).
Sollte das Berufungsgericht das Ergebnis erzielen, der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen, wird es bei der Ermittlung der aus dem Widerruf resultierenden Rechtsfolgen zu bedenken haben, dass die Parteien das Zustandekommen verbundener Verträge

weil Ergebnis einer rechtlichen Bewertung

nicht un-streitig stellen können (vgl.
Senatsurteil vom 28.
Mai 2013

XI
ZR
6/12, WM
2013, 1314 Rn.
30). Das
Berufungsgericht wird sich mithin nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 15.
Dezember 2009

XI
ZR
45/09, [X.]Z
184, 1 Rn.
13
ff., 16
ff. und vom 5.
Mai 2015

XI
ZR
406/13, [X.]Z
205, 249 Rn.
19
ff.) mit den
Voraussetzungen des §
358 BGB a.[X.] zu befassen haben.
Sollte es dahin gelangen, der Kläger habe die [X.] widerrufen, wird es, sofern es die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Zug-um-Zug-Verurteilung der Beklagten für gegeben erachtet, zu berück-17
18
19
20
21
-
11
-

sichtigen haben, dass eine negative Feststellung "Zug um Zug"
gegen Leistung mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsurteils im eigentlichen Sinne [X.] ins Leere geht (Senatsurteil vom 28.
April 2015

XI
ZR
378/13, [X.]Z
205, 117 Rn.
83 mwN) und ein Anspruch durch Erlassvertrag, nicht durch "Verzicht"
zum Erlöschen gebracht wird.

Ellenberger
Grüneberg
[X.]

Menges
Derstadt
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.12.2014 -
3 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.06.2015 -
5 U 9/15
-

Meta

XI ZR 314/15

09.05.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2017, Az. XI ZR 314/15 (REWIS RS 2017, 11317)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11317

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 314/15

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