Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.04.2023, Az. 1 StR 359/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 3027

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Gegenstand

Aufhebung der Unterbringung in Entziehungsanstalt bei zur Ausreise verpflichtetem Angeklagten


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 16. August 2022 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese entfällt.

2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und [X.] getroffen. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hatte das [X.] nicht geprüft.

2

Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 26. Januar 2022 – 1 [X.] – das Urteil in dem den Angeklagten betreffenden Straf- und im unterbliebenen [X.], jeweils mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben, da nach den Feststellungen für eine Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt infolge seines langjährigen erheblichen Konsums von Cannabisprodukten Anlass bestanden hatte.

3

Nunmehr hat das [X.] den Angeklagten auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Einen [X.] eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung hat das [X.] nicht bestimmt, weil sich der Angeklagte zum Urteilszeitpunkt bereits seit 23 Monaten und sieben Tagen in Untersuchungshaft befand und die voraussichtliche Therapiedauer 18 Monate beträgt.

4

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und vom [X.] vertretenen Revision ausschließlich gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.

5

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

6

1. Das zu Gunsten des Angeklagten wirkende Rechtsmittel ([X.], Urteile vom 6. Juli 2017 – 4 [X.] Rn. 7 mwN und vom 20. September 2011 – 1 [X.] Rn. 20 mwN) ist wirksam auf die [X.] beschränkt. Über die Unterbringung kann hier unabhängig vom Strafausspruch entschieden werden.

7

2. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB nicht. Der Angeklagte ist seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und unterliegt deshalb einem Arbeitsverbot. Die drohende Abschiebung steht dem Erreichen des Therapieziels entgegen. Eine Therapie ist – wie der Sachverständige erläutert hat – nicht nur auf [X.], sondern auch auf eine günstige [X.] Entwicklung angelegt; eine solche umfasst auch eine berufliche Tätigkeit zum [X.] einer Tagesstruktur und zur Eröffnung der Möglichkeit, durch eine legale Tätigkeit den Familienunterhalt zu verdienen.

8

3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB rechtfertigen. Er hebt daher den [X.] in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel entfallen.

9

4. Da die Staatsanwaltschaft mit ihrer zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision erfolgreich war, hat die Staatskasse nicht nur die Kosten des Rechtsmittels, sondern auch die durch die Revision der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. [X.], Beschluss vom 10. November 2015 – 1 [X.] Rn. 24; Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14 Rn. 8; je mwN).

Jäger     

  

Bellay     

  

Fischer

  

Wimmer     

  

Leplow     

  

Meta

1 StR 359/22

19.04.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Traunstein, 16. August 2022, Az: 1 KLs 140 Js 12204/20 (2)

§ 64 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.04.2023, Az. 1 StR 359/22 (REWIS RS 2023, 3027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3027

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Zitiert

1 StR 120/11

5 StR 37/14

1 StR 482/15

4 StR 124/17

1 StR 461/21

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