Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.08.2018, Az. 1 StR 263/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 4318

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Gegenstand

Steuerhinterziehung: Wertermittlung bei der Einbringung von Gesellschaftsanteilen; tatrichterliche Beweiswürdigung bei Anschluss an ein Sachverständigengutachten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung sachlichen [X.]chts gestützte [X.]vision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

2

1. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Der Angeklagte war nach den Feststellungen im Jahre 1992 einer von zwei Gründern und Anteilseignern des [X.] Unternehmens [X.] (im Folgenden: [X.]  ). Nach außen wurde die Beteiligung des Angeklagten an der [X.]   nicht offen gelegt, seine Geschäftsanteile wurden treuhänderisch von dem Mitgesellschafter [X.].  verwaltet ([X.]). [X.] wurden ihm seine Geschäftsanteile von [X.].  zum Nominalwert von umgerechnet rund 1.550,- [X.]verkauft‘, im [X.] veräußerte der Angeklagte sie für [X.] an die [X.] ([X.] – im folgenden O.   ), deren Gesellschaftsanteile zu je 50 Prozent von ihm und seiner Ehefrau gehalten wurden ([X.]). In der am 12. Oktober 2007 beim Finanzamt eingegangenen Einkommenssteuererklärung des Angeklagten für den Veranlagungszeitraum 2006 erklärte er die Einbringung der [X.]  Geschäftsanteile in die O.    nicht ([X.], 20). Nach den Feststellungen soll der Wert der [X.]   zum Stichtag 14. September 2006 11,5 Millionen Euro betragen haben ([X.]).

Zutreffend geht die Kammer davon aus ([X.], dass die Steuerpflicht des Angeklagten hinsichtlich der Anteile an der [X.]   sich aus § 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 1 EStG ([X.]. des Senats: § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG) ergab. Danach steht die verdeckte Einlage (vgl. dazu [X.] in [X.] EStG 36. Aufl. § 17 Rn. 101 m.w.N.) von Anteilen einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft dem Gewinn aus einer Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gleich, es liegen damit Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG bemisst sich der Gewinn nach dem gemeinen Wert der Einlage abzüglich von deren Anschaffungskosten.

Maßgeblich für den gemeinen Wert der Einlage war hier der Verkehrswert der [X.]  . Zu dessen Ermittlung gibt die Kammer im Wesentlichen an, der Sachverständige           [X.]‚dem neben den Ermittlungsakten u.a. die Bilanzen der [X.]   für die Jahre 2005 bis 2008 sowie die Geschäftsberichte der [X.]   für die [X.] 2004 bis 2009 vorlagen,‘ habe ausgeführt, ‚dass bei Nichtannahme der vom Angeklagten dargestellten Krisen angesichts der bis zum Bewertungszeitpunkt fortwährend hohen Profitabilität des Unternehmens von einem Mindestwert der [X.]   von knapp 11,7 Millionen Euro auszugehen sei.‘ ([X.]). Alternativ habe der Sachverständige [X.]das für den Angeklagten vom Wirtschaftsprüfer [X.].    erstellte Gutachten herangezogen und ausgeführt, ‚dass er ausgehend von dem vom Wirtschaftsprüfer [X.].    verwendeten methodischen Ansatz nach [X.] (2008) bei [X.] der Krisen zu einem Mindestwert der [X.]   von knapp 11,59 Mio. Euro komme‘ ([X.]). Die Kammer hat sodann angegeben, sie halte ‚die Wertermittlung durch den Sachverständigen [X.]für völlig schlüssig‘. Insbesondere habe der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, ‚dass sich auch unter Heranziehung der Methodik des Sachverständigen [X.].    letztlich ein vergleichbarer Wert ergäbe‘ ([X.]). Die Kammer habe ‚den niedrigsten gefundenen Wert (11,59 Mio. Euro) auf 11,50 Mio. Euro abgerundet und der Steuerberechnung zugrunde gelegt.‘ ([X.]).

Damit ist die Wertermittlung rechtlich nicht ausreichend begründet. Stützt das Tatgericht sich auf das Gutachten eines Sachverständigen, hat es dessen Ausführungen eigenverantwortlich zu prüfen. Andernfalls besteht die Besorgnis es habe eine Frage, zu deren Beantwortung es eines besonderen Sachverständigenwissens bedurfte, ohne diese Sachkunde entschieden oder das Gutachten nicht nachvollzogen (stRspr., vgl. die Nachweise bei [X.] in [X.]. § 261 Rdnr. 32). Schließt der Tatrichter sich ohne eigene Erwägungen an, hat er die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, an die die Schlussfolgerungen anknüpfen und die Art der Folgerungen wenigstens soweit im Urteil mitzuteilen, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist ([X.] aaO Rdnr. 32 f. m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend. Weder hat die Kammer die Methodik offengelegt, die der eigenen Berechnung des Sachverständigen [X.]zugrunde lag, noch hat sie die von diesem für sein Gutachten und für die Alternativberechnung nach der Methodik [X.] zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen dargetan. Indem die Kammer den niedrigsten genannten Wert zugrunde legt und diesen ohne Angaben von Gründen nochmals nach unten korrigiert ([X.]), lässt sie die Besorgnis aufkommen, es liege keine eigenständige Würdigung vor, mangels Angabe der Anknüpfungstatsachen ist das von der Kammer angenommene Ergebnis revisionsrechtlich nicht überprüfbar.“

3

Der Senat hebt – in Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.]s – auch die Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

4

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat daraufhin, dass gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG als „Veräußerungspreis“ für die eingelegte Beteiligung der sogenannte gemeine Wert anzusetzen und dieser nach §§ 9 und 11 Bewertungsgesetz ([X.]) zu bestimmen ist (vgl. [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], EStG/[X.], Stand 6/2018, § 17 Rn. 230; [X.]/[X.] in: Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 17 Rn. 80; Oellerich in: [X.]/[X.], EStG, Stand 8/2018, § 17 Rn. 206, 369; [X.]/[X.], EStG, 37. Aufl., § 17 Rn. 110; BFH, Urteil vom 14. Juli 2009 – [X.], [X.], 397).

5

Auch wird die neue [X.] zu überprüfen haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Anschaffungskosten bereits vor dem „Kauf“ der Anteile im Jahr 2005 angefallen waren. Denn nach den bisherigen Feststellungen diente die Zahlung des Angeklagten [X.]. rund 1.550 Euro an den Mitgesellschafter [X.].  tatsächlich nur der Verdeckung des Umstandes, dass die Anteile dem Angeklagten bereits vorher gehörten.

Jäger     

      

Bellay     

      

Cirener

      

Fischer     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 263/18

29.08.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 30. Januar 2018, Az: 509 Js 12653/13 - 10 KLs

§ 9 BewG, § 11 BewG, § 261 StPO, § 17 Abs 2 S 1 EStG, § 17 Abs 2 S 2 EStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.08.2018, Az. 1 StR 263/18 (REWIS RS 2018, 4318)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4318

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2 StR 373/22

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