Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2017, Az. 5 StR 471/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 16080

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070217U5STR471.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 471/16

vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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2
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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Febru-ar
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] Prof. Dr. Sander

als Vorsitzender,

[X.]in Dr. [X.],
[X.] [X.],
[X.] Prof. Dr. König,
[X.] Dr. Berger

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt
beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin K.

als Verteidigerin,

Rechtsanwalt M.

als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der
Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren insoweit entstan-denen notwendigen Auslagen, an eine andere Jugendkammer des [X.]s zurückverwiesen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter [X.] im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf
die [X.] der Sicherungsverwahrung beschränkte und auf die [X.] gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s bevorzugt der Angeklagte Sexualität mit Jungen. In den Jahren 1990, 1993 und 2006 war er wegen Taten des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern zu Jugend-
bzw. Freiheits-strafen verurteilt worden, die er

teils nach Widerruf gewährter Strafaussetzun-gen

vollständig
verbüßt hat. Ferner war der Angeklagte von 2007 bis 2014 unter anderem wegen Diebstahls zu weiteren, gleichermaßen in vollem Umfang verbüßten Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Der deswegen unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte [X.] im Zeitraum vom März bis Anfang Mai 2015 ein sechs-
und ein siebenjähri-ges Nachbarskind, indem er insbesondere von einem der Jungen an sich den Oralverkehr vornehmen ließ, selbst an einem Jungen den Oralverkehr ausführte und bei beiden Jungen seinen Penis an den
entblößten Analbereich hielt. [X.] oder seelische Folgen der Taten bei den Geschädigten hat die [X.] nicht festgestellt.
2. Das [X.] hat gegen den Angeklagten unter anderem
[X.] von drei Jahren und neun Monaten, drei Jahren und drei Monaten sowie zweimal zwei Jahren und neun Monaten verhängt. [X.] beraten hat es jedoch die Anordnung der Sicherungsverwahrung abge-lehnt. Es hat ausgeführt, dass zwar die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1a, 2 und
3 StGB gegeben seien und ein Hang zur Begehung gravie-render Straftaten bestehe. Hingegen sei nicht feststellbar, dass der Angeklagte infolge dieses Hanges zu Straftaten neige, durch welche die Opfer seelisch
oder körperlich schwer geschädigt würden, und er deshalb zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich sei. Denn es seien weder schwere 2
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körperliche oder seelische Schäden bei den Opfern der [X.] festzustel-len noch Taten mit einer größeren Intensität zu erwarten.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Revisionsbeschränkung auf den [X.] ist wirksam. Weder aus den Erwägungen zur Strafzumessung noch aus denjenigen zur un-terbliebenen Anordnung der Sicherungsverwahrung ergeben sich [X.] dafür, dass das [X.] zwischen beiden [X.] einen Zusammenhang hergestellt hat, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2015

1 StR 594/14 mwN).
2. Die [X.] der Sicherungsverwahrung hält sachlich-recht-licher Überprüfung nicht stand. Die Verneinung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
Das [X.] ist von einem falschen rechtlichen
Ansatz ausgegan-gen, indem es seinen Blick auf die durch die [X.] verursachten Folgen verengt hat.
Die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraus-setzung benannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges die bestimmte Wahr-scheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. [X.], Beschluss vom 5
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3.
Dezember 2002

4 [X.], [X.], 108). Als wesentlichen An-haltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist bei [X.] des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern typischerweise die Ge-fahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden (vgl. [X.], Urteile vom 24. März 2010

2 StR 10/10, [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 7; vom 23.
April 2013

5 [X.], MüKo-StGB/Ullenbruch/ [X.]/[X.], 3. Aufl.,
§ 66 Rn. 103; BeckOK-StGB[X.], 32. Edition, § 66 Rn. 14). Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass aufgrund der konkreten [X.] solche Schäden (zufällig) nicht eingetreten sind. Andere Umstände, die [X.] sprechen könnten, dass sich die Gefahr bei künftigen entsprechenden Taten des Angeklagten nicht realisieren werde, sind den Urteilsgründen nicht zu ent-nehmen.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB im Urteil die für Vortaten verhängten Einzelstrafen im Einzelnen dargestellt werden müs-sen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. September 2009

5 [X.]/09; MüKo-StGB/Ullenbruch/[X.]/[X.], aaO, § 66 Rn. 65 f.). Gleiches gilt

um eine Prüfung der Wahrung der sogenannten Rückfallverjährungsfrist des 10
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§
66 Abs.
4 Satz 3 und 4 StGB zu ermöglichen

für die Tatzeiten
der Vortaten und die exakte Dauer der Vorverbüßungszeiten (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27.
November 2009

3 StR 468/08, [X.], 104).
Sander [X.] [X.]

König Berger

Meta

5 StR 471/16

07.02.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2017, Az. 5 StR 471/16 (REWIS RS 2017, 16080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16080

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 594/14

2 StR 10/10

5 StR 617/12

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