Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. AK 25/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6983

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[X.]:[X.]:BGH:2018:280618BAK24.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 24 u. 25/18
vom
28. Juni
2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

1.

2.

wegen Verdachts von Kriegsverbrechen u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der
Beschuldig-ten und ihrer
Verteidiger am 28.
Juni 2018
gemäß §§
121, 122 StPO beschlos-sen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem [X.]punkt wird die Haftprüfung dem nach den
all-gemeinen Vorschriften zuständigen Gericht
übertragen.

Gründe:
I.
Die Beschuldigten befinden sich in dieser Sache auf Grund der [X.] des [X.] vom 15.
September 2017 seit dem 5.
Dezember 2017 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Für diese
am 18.
September 2017 verkündeten Haftbefehle war zuvor [X.] notiert.
Gegenstand des gegen den Beschuldigten [X.]

ergangenen Haftbe-
fehls ist der Vorwurf, er habe sich seit Juni 2014 im [X.] und in [X.] als Mitglied an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" ([X.]) beteiligt und als solches im Zusammenhang mit einem [X.] bewaffneten Konflikt gemeinschaftlich handelnd drei nach dem humani-tären Völkerrecht zu schützende Personen getötet, und zwar im Juni 2014 in 1
2
-
3
-
[X.] zwei Nachbarinnen schiitischen Glaubens sowie am 23.
Oktober 2014 in der Nähe von [X.] den
[X.] Offizier

U.

, strafbar als drei
Fälle des [X.] gegen Personen jeweils in Tateinheit mit Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie als weiterer Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §
8 Abs.
1 Nr.
1 [X.], §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1, 2, §
25 Abs.
2, §§
52, 53 StGB.
Gegenstand des gegen den Beschuldigten [X.]

ergangenen Haftbe-
fehls ist der Vorwurf, er habe sich als Jugendlicher ab dem 10.
Juni 2014 im Raum [X.]
mehrfach als Mitglied am [X.]
beteiligt und dabei unter anderem im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person -
den vorbenannten iraki-schen Offizier unmittelbar vor dessen Tötung -
in schwerwiegender Weise ent-würdigend und erniedrigend behandelt, strafbar
als Kriegsverbrechen gegen Personen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie als weiterer Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Verei-nigung im Ausland gemäß §
8 Abs.
1 Nr.
9 [X.], §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1, 2, §§
52, 53 StGB, §
1 [X.].
Bis die
gegenständlichen Haftbefehle vollstreckt worden sind, waren ab
dem 24.
Mai 2017 zwei Haftbefehle des [X.] vom 23.
Mai 2017 ([X.]

) bzw. 24.
Mai 2017 ([X.]

) vollzogen
worden, die auf den Vor-
wurf von Verbrechen nach dem [X.] gestützt waren.
Diese Haftbefehle hat
das [X.] mit Beschluss vom 5.
Dezember 2017 we-gen Verletzung des Beschleunigungsgebots aufgehoben.
3
4
-
4
-
Mit Beschlüssen vom 22.
Februar 2018 ([X.] u.
StB 29/17 bezüglich

[X.]

sowie
AK
5/18
bezüglich
[X.]

) hat der [X.] die Fortdauer der Unter-
suchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet; mit dem den Beschuldig-ten [X.]

betreffenden Beschluss hat der [X.] auf dessen Beschwerde zu-
gleich entschieden, dass dieser Beschuldigte ausschließlich der mitgliedschaft-lichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen -
der mittäterschaftlichen Tötung des [X.] Offiziers -
dringend verdächtig ist. Hinsichtlich der Tötung der beiden schiitischen Nachbarinnen hat der [X.] den nach §
112 Abs.
1 Satz
1 StPO erforderlichen Verdachtsgrad dagegen verneint. Im Rahmen der Haftprüfung ist er
davon ausgegangen, dass der für die Be-stimmung des Fristbeginns nach §
121 Abs.
1 StPO maßgebende
Tag für den Beschuldigten [X.]

auf den 24.
Mai 2017, für den Beschuldigten [X.]

auf
den 14.
Juni 2017 fällt, weil zu
diesen [X.]punkten
für den Erlass
der gegen-ständlichen Haftbefehle ausreichende Erkenntnisse zu den jeweiligen Tatvor-würfen vorlagen.

II.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft auch über -
seit den
letzten Haftprüfungen
vergangene -
drei weitere
Monate hinaus liegen für beide Be-schuldigte vor.
1. Hinsichtlich der Einzelheiten der
für die Entscheidung maßgeblichen Tatvorwürfe, der den jeweiligen dringenden Tatverdacht begründenden Um-stände,
der
Haftgründe
der Fluchtgefahr und der [X.] sowie der Versagung einer Haftverschonung nimmt
der [X.] Bezug auf die Gründe sei-5
6
7
-
5
-
ner Haftfortdauerentscheidungen
vom 22.
Februar 2018, die fortgelten.
Insoweit ist ergänzend auszuführen:
a) Es beseitigt den dringenden Tatverdacht nicht, dass das [X.] die zwei Beschuldigten
in dem Verfahren, in dem das Amtsgericht Tier-garten gegen sie Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts von [X.] nach dem [X.] erlassen hatte, mittlerweile freigespro-chen
hat. Zwar stützte sich der Tatverdacht im dortigen Verfahren ebenfalls auf Bekundungen der Zeugen [X.]l.

, [X.].

,

M.

und T.

, deren
Angaben auch im hiesigen Verfahren eine erhebliche Bedeutung zukommt. Die Tatvorwürfe in beiden Verfahren weisen jedoch keine Verflechtungen miteinan-der auf.
Soweit die Verteidigung mitteilt, der Vorsitzende des [X.] habe in Übereinstimmung mit den [X.] zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass die Angaben (auch) der
vier benannten Zeugen "sich bei Nachfragen zum größten Teil als Spekulationen und Mutmaßungen sowie Erkenntnisse vom [X.]" her-ausgestellt hätten, vermag dies eine abweichende Bewertung schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil im hiesigen Verfahren
gerade Erkenntnisse dieser Zeugen vom [X.] bedeutsam sind. Das gilt sowohl für
die dem [X.] [X.]

angelastete Mittäterschaft an der Tötung des [X.] Offi-
ziers

U.

als auch für
das mutmaßliche Nichtvorhandensein einer vom
Beschuldigten [X.]

behaupteten Zwangslage während des ihm vorgeworfe-
nen schwerwiegenden Beschimpfens
und Bespuckens
unmittelbar zuvor, des-gleichen für die Mitgliedschaft beider
Beschuldigter
im [X.].
Nach den [X.] haben die Zeugen vor allem über ihnen gegenüber getä-tigte
Erklärungen der Beschuldigten berichtet
(s. hierzu [X.] unter II.
2.
b)
bb)
(2) sowie [X.] unter II.
1.
a)
bb)
(3)), was den dringenden Verdacht be-8
9
-
6
-
legt, nicht über eigene
Wahrnehmungen zu den diesen
zur Last liegenden Kriegsverbrechen oder zu von solchen Erklärungen unabhängigen
mitglied-schaftlichen
Betätigungsakten.
Darüber hinaus haben
zwischenzeitlich weitere Zeugen die Tatvorwürfe bekräftigende Angaben gemacht. Hierbei handelt es sich um die Zeugen
[X.]k.

, [X.]h.

und O.

sowie den gesperrten Zeugen "S.

" bei des-
sen zweiter Einvernahme am 7.
März 2018.
Soweit die Verteidigung die Aussage des Zeugen [X.]k.

als evident un-
glaubhaft behandelt, weil er angegeben habe, er sei bei der Hinrichtung des [X.] Offiziers anwesend gewesen, obwohl er
zugleich
bekundet habe, schon Monate zuvor aus [X.] geflohen zu sein, vermag der [X.] ihr darin nicht zu folgen. Ausweislich des Vernehmungsprotokolls betrifft
die Videose-quenz
über
die Tötung in [X.], bei der der
Zeuge eigenen Angaben zufolge zugegen
war, diejenige eines anderen Menschen, nicht das mutmaßliche Kriegsverbrechen an dem Offizier. Die eigene
Anwesenheit am Ort
dessen Hin-richtung hat der Zeuge [X.]k.

nicht behauptet.
Der [X.] teilt daher nicht die
Ansicht der Verteidigung, an der [X.] dieses Zeugen [X.] sich beispielhaft ein unsachgemäßes Vorgehen der Ermittlungsbehörden erläutern.
Soweit die Zeugen [X.]h.

und O.

, die Cousine des Beschuldigten
[X.]

und ihr Ehemann,
zu dem Filmmitschnitt über

U.

s Hinrichtung
sowie zu Erklärungen dieses Beschuldigten
ihnen gegenüber Angaben ge-macht
haben, weist die Verteidigung zutreffend darauf hin, dass auf der Grund-lage
der Vernehmungsprotokolle die
Bekundungen in bedeutsamen
Punkten nicht miteinander in Einklang stehen. Dies nimmt den Angaben jedoch nicht jegliche Aussagekraft. Vielmehr sind sie mit einem entsprechend erheblich ge-10
11
12
-
7
-
minderten
Beweiswert in die Würdigung der in den [X.] verschrifteten Beweismittel einzubeziehen.
b) Der gegen den Beschuldigten [X.]

ergangene Haftbefehl ist nicht
wegen Verletzung der -
auf Heranwachsende entsprechend anwendbaren (§
109 Abs.
1 Satz
1 [X.]) -
Unterrichtungspflicht des
§
72a Satz
1
[X.] aufzu-heben.
Die Jugendgerichtshilfe ist im hiesigen Verfahren -
soweit ersichtlich -
nicht unverzüglich mit dem Beginn der Vollstreckung dieses Haftbefehls am 5.
Dezember 2017 benachrichtigt worden. Nach ihren
Angaben hat sie am 7.
Mai 2018 Kenntnis davon erlangt, dass der Haftbefehl
mit Beschluss vom 22.
Februar 2018 "aufrecht erhalten" worden und eine erneute Haftprüfung nach weiteren drei Monaten vorgesehen ist. Unter Beachtung ihrer Verpflich-tung zu beschleunigter Vorlage eines Berichts als Haftentscheidungshilfe nach §
38 Abs.
2 Satz
3, §
107 [X.] hat die Jugendgerichtshilfe mit an den [X.] gerichtetem Schreiben vom
14.
Mai 2018 Stellung genommen.
Seit
welchem [X.]punkt ihr der Haftbefehl bekannt war, hat sie allerdings nicht mitgeteilt.
Unter den gegebenen Umständen ist auszuschließen, dass sich eine Verletzung der Unterrichtungspflicht auf die vorliegende Entscheidung auswir-ken würde. Wie dargelegt, liegt mittlerweile eine Stellungnahme der [X.] vor. In dem benannten Verfahren vor dem [X.] hatte sie bereits unter dem 11.
Dezember 2017 berichtet. Aus ihren schriftlichen Äu-ßerungen ist nichts ersichtlich, was es rechtfertigen könnte, hinsichtlich des [X.] [X.]

die allgemeinen Haftvoraussetzungen zu verneinen; auch
eine Haftverschonung
analog §
116 StPO, gegen die aus Sicht der [X.] "nichts spräche", ist weiterhin nicht erfolgversprechend.
13
14
15
-
8
-
2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über drei weitere Monate hinaus (§
121 Abs.
1, §
122 Abs.
4 Satz
2 StPO) sind ge-geben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfah-rens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen den [X.] Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist auch nach den Haft-fortdauerentscheidungen
des [X.]s vom 22.
Februar 2018 hinreichend geför-dert worden.
Die Ermittlungen sind insbesondere geprägt durch eine aufwendige Auswertung von [X.] aus der Telekommunikationsüberwachung
und von auf digitalen Datenträgern gespeicherten Informationen. Die [X.] sind zum Großteil in [X.] angefallen, so dass sie vor der Auswertung übersetzt werden müssen. Bei [X.] vom 16.
Mai bis zum 25.
November 2017 fielen allein 5.977 Audio-
sequenzen für das hiesige Verfahren an. Zudem wurden bei Durchsuchungs-
maßnahmen Ende Mai und Mitte September 2017 im Ganzen
21
Mobiltelefone, sieben SIM-Karten, drei Laptops, zwei Spielekonsolen sowie ein Festnetztele-fon nebst WLAN-Router mit einem Gesamtdatenvolumen von 720
Gigabyte sichergestellt. Die
auf diesen
Datenträgern gespeicherten Informationen sind
zwar ganz überwiegend
bereits vor der ersten Haftprüfungsentscheidung des [X.]s ausgewertet worden. Anschließend sind indes auf
Grund einer Durch-suchung bei der Zeugin [X.]h.

am 27.
Februar 2018 nochmals zehn Mobilte-
lefone, ein Laptop, zwei Digitalkameras und eine Videokamera sichergestellt worden; nach Angaben der Zeugin standen (auch) diese Speichermedien vor-mals im Besitz des Beschuldigten [X.]

.
Dass die Auswertung derartiger umfangreicher Datenbestände, insbe-sondere wenn gesprochene und geschriebene Äußerungen in einer fremden Sprache getätigt werden, erhebliche [X.] in Anspruch nimmt, versteht sich von 16
17
18
-
9
-
selbst. Der [X.] hat auch keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Mit-teilung des [X.], zur [X.] stünden für die [X.] "nur eingeschränkt geeignete Übersetzer zur Verfügung". Selbst wenn, wie die Verteidigung geltend macht, bei der Zeugin [X.]h.

bereits früher hätte
durchsucht werden können, hätte dies nicht die von den Ermittlungsbehörden erzielbaren Auswertungskapazitäten erhöht.
Wegen weiterer
Einzelheiten, vor allem auch zu anderen
-
zwischenzeit-lich durchgeführten -
sachdienlichen [X.],
wird auf den [X.] des [X.] vom 17.
Mai
2018 Bezug genommen.
In Anbetracht dessen ist das Ermittlungsverfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Der [X.] hat angekündigt, "Mitte 2018" Anklage zum [X.] zu erheben. Angesichts des bereits weit fortgeschrittenen [X.] wird er sich um eine zügige Umsetzung dieser Ankündigung zu bemühen haben.
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO).
Gericke

Spaniol Berg

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Meta

AK 25/18

28.06.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. AK 25/18 (REWIS RS 2018, 6983)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6983

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