Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2023, Az. 1 StR 316/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9630

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. März 2023 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. [X.] gestützte Verfahrensrüge ist bereits nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] entsprechenden Weise erhoben und daher unzulässig. Die Revision enthält keinen Vortrag dazu, ob und wie die Vernehmungsniederschriften der Zeugen    D.      vom 18. Juli 1995 und         Da.    vom 16. Juli 1995 betreffend die Passagen zur Identifizierung des Täterfahrzeugs sowie der Ermittlungsbericht des Zeugen [X.]  aus dem [X.] in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2018 – 5 [X.] Rn. 9; vgl. auch [X.] in [X.], [X.], 27. Aufl., § 261 Rn. 266). Dieser Vortrag wäre aber zur Prüfung einer Verletzung des § 261 [X.] durch Nichtausschöpfung zu berücksichtigender Beweismittel aus dem Ermittlungsverfahren zuungunsten des Angeklagten erforderlich gewesen. Im Übrigen wäre die Verfahrensbeanstandung auch – worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat – unbegründet.

2. Die Beanstandung, das [X.] habe rechtsfehlerhaft versäumt, mit Blick auf die erledigte und daher nicht nach § 55 StGB einbeziehungsfähige nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe aus der Vorverurteilung des Angeklagten wegen Totschlags von zwölf Jahren und sechs Monaten einen Härteausgleich vorzunehmen, der bei lebenslanger Freiheitsstrafe im Wege der [X.] zu gewähren sei, geht fehl.

a) Rechtsfehlerfrei hat das [X.] berücksichtigt, dass es – unabhängig von dem hier die Anwendung des § 55 StGB ausschließenden Zeitablauf – auf der Hand gelegen hätte, gegen den Angeklagten die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festzustellen, und dass dem Angeklagten bereits deswegen kein Nachteil entstanden ist, der durch einen Härteausgleich zu kompensieren wäre (vgl. zu einer solchen Konstellation [X.], Beschlüsse vom 20. Januar 2010 – 2 [X.], [X.]St 55, 1 Rn. 8 f.; vom 28. Mai 2009 – 5 [X.] und vom 23. Juli 2008 – 5 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15). Zu dem bereits im vorliegenden Verfahren durch die Verwirklichung zweier Mordmerkmale (Heimtücke und niedrige Beweggründe) außerordentlich schwerwiegenden Tatvorwurf wäre – bei zeitnäherer Aburteilung – im Rahmen der nach § 57b StGB vorzunehmenden zusammenfassenden Würdigung auch der Unrechtsgehalt der Vorverurteilung zu berücksichtigen gewesen. Bei dieser Tat hatte der Angeklagte ebenfalls ein weiteres weibliches Zufallsopfer mittels eines Kehlenschnitts getötet.

b) Soweit die Revision geltend macht, dem Angeklagten sei durch die zu erwartende [X.] von 27 Jahren und sechs Monaten im Vergleich zu der durchschnittlichen Vollstreckungsdauer bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) von 23 Jahren ein nicht durch die unterbliebene Feststellung der besonderen Schuldschwere kompensierter Nachteil entstanden, verkennt sie, dass die gesetzliche Regelung in § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB für die Festsetzung der Mindestverbüßungszeit über 15 Jahre hinaus keinen Automatismus vorsieht. Für den Endzeitpunkt der Verbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe als unbedingter Strafe ergibt sich weder aus der Regelung des § 57a StGB noch aus der des § 57b StGB eine absolute Grenze für die aus Gründen der Schuld zu verbüßende Zeit (vgl. [X.], [X.] vom 21. Dezember 1994 – 2 BvR 1697/93 Rn. 41). Vielmehr obliegt den [X.] in dem von § 454 [X.] festgelegten Verfahren die Prüfung aller in § 57a StGB genannten materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung. Die Festsetzung der Mehrverbüßungszeit nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB orientiert sich nicht an einer Durchschnittszeit (vgl. [X.]/Kett-Straub in [X.], 4. Aufl., § 57a Rn. 21). Sie ist vielmehr auf der Grundlage einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung des Unrechts- und des [X.] mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeter Taten nach §§ 57a, 57b StGB zu bestimmen (vgl. [X.], [X.] vom 22. Mai 1995 – 2 BvR 671/95 Rn. 14). Für diese Gesamtwürdigung dürfte vorliegend u.a. maßgebend sein, dass der psychiatrische Sachverständige   W.      den Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen als „hochgradig gefährlich“ eingestuft und das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB bejaht hat (UA S. 160).

c) Aus alledem folgt, dass dem Angeklagten wegen der Nichtberücksichtigung der verbüßten Gesamtfreiheitsstrafe kein ausgleichspflichtiger Nachteil entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, dass ein solcher unter den hier vorliegenden Umständen auch nicht näherungsweise arithmetisch erfassbar wäre. Im Übrigen wird die entgangene Einbeziehung nach § 55 StGB im Vollstreckungsverfahren gemäß § 57a Abs. 1 Satz 2, § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB bedeutsam werden ([X.], Beschluss vom 23. Juli 2008 – 5 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15 mwN).

Jäger     

      

Fischer     

      

Bär     

      

Leplow     

      

Allgayer     

      

Meta

1 StR 316/23

14.12.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 9. März 2023, Az: 1 Ks 114 Js 38181/00 (2)

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2023, Az. 1 StR 316/23 (REWIS RS 2023, 9630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9630

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 433/09 (Bundesgerichtshof)


4 StR 495/22 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Mordes u.a.: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung und Härteausgleich bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und vorangegangener …


5 StR 46/18 (Bundesgerichtshof)

Verurteilung wegen Mordes: Anforderungen an die Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren; Überzeugungsbildung des Tatrichters aufgrund eines einzigen …


1 StR 406/19 (Bundesgerichtshof)

Berücksichtigung von an sich gesamtstrafenfähigen EU-ausländischen Strafen bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der …


2 StR 403/09 (Bundesgerichtshof)

Härteausgleich für erledigte, an sich gesamtstrafenfähige Vorstrafen: Vollstreckungslösung bei Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.