Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. 2 StR 605/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6274

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 StR 605/10
vom
25. Mai
2011
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Mordes u.a.
-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Sitzungen vom 13.
April und 25.
Mai 2011 in der Sitzung am 25.
Mai
2011, an denen
teilge-nommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
[X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],

Bundesanwältin

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

am 25. Mai 2011

als Verteidiger des Angeklagten S.

,

Rechtsanwalt

am 13. April 2011
und 25. Mai 2011

als Verteidiger
der Angeklagten A.

,

Justizangestellte

am 13.
April 2011
Justizhauptsekretärin

am 25.
Mai 2011

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revisionen beider Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft -
insoweit zugunsten der Angeklagten A.


301 StPO)
-
wird das Urteil des [X.] vom 11.
Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichts-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten S.

wegen Mordes in Tatein-heit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe, die Angeklagte A.

wegen Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wenden
sich die Revisionen der
Angeklagten und die zu Ungunsten der Angeklagten A.

eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Die
Rechtsmittel der
Angeklagten sind
mit der
Sachbeschwerde begründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt gemäß §
301 StPO ebenfalls
zur [X.] zugunsten der Angeklagten A.

.

I.
1. Nach den Feststellungen der [X.]
war die Ange-klagte A.

, die in einem Eroscenter in [X.] als Prosti-1
2
-
4
-
tuierte arbeitete, mit dem Mitangeklagten S.

befreundet. Beide befanden sich in finanziellen Schwierigkeiten. Die Angeklagte A.

wusste, dass

[X.]

, die ebenfalls
in dem Bordell als Pros-tituierte beschäftigt war, größere Bargeldbeträge in ihrer Handtasche aufbe-wahrte. Sie forderte den Mitangeklagten S.

dazu auf, ihr bei der Zueignung
des Geldes zu helfen. Dieser erklärte sich dazu bereit, weil er selbst Geld [X.] und weil er sich der Angeklagten A.

verpflichtet fühlte, nachdem ein Geldbetrag, den sie ihm anvertraut hatte, abhanden ge-kommen war. Nach dem [X.] sollte der Angeklagte S.

als angeblicher Kunde die Prostituierte

[X.]

in [X.] im Bordell aufsuchen, sie
niederschlagen und dann das Geld wegnehmen. Die Angeklagte A.

rechnete mit einer Beute von 40.000 Euro. Sie wusste, dass

[X.]

am Sonntag, dem 28.
Juni 2009, verreisen würde. Daher wur-de
die [X.], dem 26.
Juni, auf Samstag, den
27.
Juni 2009, als Tatzeit ausgewählt. Die Angeklagte A.

riet dazu, dass der Angeklagte S.

eine Kopfbedeckung tragen sollte, damit er auf den Übertragungen der Überwachungskameras im Bordell nicht zu erkennen sein sollte. Außerdem forderte sie ihn dazu auf,
ein langärmeliges Hemd zu tra-gen, damit das Opfer ihn nicht an seinen Tätowierungen an den Unterarmen erkennen könne.
Der Angeklagte S.

begab sich gegen 02.00 Uhr in der Tatnacht zu

[X.]

und ließ sich zunächst von ihr
massieren. Dann versuchte er,
sie niederzuschlagen. Dabei kam es zu einem Handgemenge, in dessen [X.] der Angeklagte S.

das Opfer auf das rechte Auge schlug. Danach [X.] er der Geschädigten
eine Plastiktüte über den Kopf, wickelte ein Stück [X.] im Halsbereich darum
und drückte das auf dem Bett liegende
Opfer mit seinem Körpergewicht nieder.

[X.]

erstickte. Dann
entwendete der Angeklagte
S.

Bargeld in unbekannter Höhe, mindestens aber 15.000 Euro, und verließ den [X.].
3
-
5
-
2. Das [X.] hat den Angeklagten S.

wegen Mordes zur Er-möglichung einer anderen Tat und aus Habgier in Tateinheit mit Raub mit
Todesfolge, die Angeklagte A.

(nur) wegen Anstif-tung zum (einfachen) Raub
verurteilt.
a) Nachdem Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss noch von einer Tatzeit am Nachmittag des 27.
Juni 2009 ausgegangen waren, hat die [X.] nach entsprechendem Hinweis in der Hauptverhandlung unter anderem ausgeführt, es sei von einer Tatzeit in den früheren Morgenstunden des 27.
Juni bis etwa 03.00 Uhr auszugehen. Ein Besuch des Angeklagten S.

in dem Eroscenter in der Nacht sei von diesem eingeräumt worden und durch Funkzellendaten belegt. Für einen weiteren Besuch nach 14.00 Uhr [X.] gebe es dagegen weder Zeugenaussagen noch objektive [X.]. Angesichts der Tatsache, dass die Angeklagten in der [X.] durch [X.] miteinander kommuniziert hätten, wäre eine entsprechende Telekommunikation bei einer späteren Tatausführung auch ab 14.00 Uhr zu erwarten gewesen; daran fehle es jedoch.
b) Das [X.] hat sich nicht im Stande gesehen, auch der Ange-klagten A.

die Tötung des Opfers zuzurechnen. Zum Umfang der nach dem [X.] anzuwendenden Gewalt habe die Schwurge-richtskammer
nur feststellen können, dass der Angeklagte S.

das Opfer habe niederschlagen sollen. Die Tatbeiträge der Angeklagten A.

hat sie
der Einlassung des Mitangeklagten S.

entnom-men. Auf dieser Grundlage hat die Kammer
die Angeklagte A.

als Mittäterin eines (einfachen)
Raubes verurteilt. Den Vorsatz eines
schweren Raubs
nach §
250 Abs.
2 Nr.
3 oder Nr.
3
Buchst.
a StGB hat das [X.]
ausgeschlossen. Auch die Verursachung des Todes
von

[X.]

sei vom Vorsatz der Angeklagten A.

nicht umfasst gewesen. Eine leichtfertige Mitverursachung des Todes durch sie
scheide aus, weil sie davon habe ausgehen können, dass der Mitangeklagte 4
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-
6
-
S.

das ihm körperlich unterlegene Opfer habe überwältigen können, ohne es zu töten.

[X.]
Die Beweiswürdigung des [X.] ist rechtsfehlerhaft. Dies führt aufgrund der
Sachrüge der
beiden Angeklagten zur [X.]. Auf die zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb
nicht mehr an. Die zuungunsten der Angeklagten A.

eingelegte [X.] der Staatsanwaltschaft führt aus demselben Grund gemäß §
301 StPO zur Aufhebung des Urteils zu deren Gunsten.
1. Das [X.] hat die Tatzeit im Urteil gegenüber Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss geändert, dies aber nicht rechtsfehlerfrei
begründet. Der Rechtsfehler betrifft beide Angeklagte in gleicher Weise, weil die Handlung des Angeklagten S.

der Angeklagten A.

zugerech-net wurde,
soweit sie mit dem festgestellten [X.] übereinstimmt.
a) Bei der Annahme, im Fall einer Tatausführung am Nachmittag des [X.] wäre mit einer Telekommunikation zwischen den beiden Angeklagten zu rechnen gewesen, wie sie für die Nachtzeit festgestellt wurde, hat die [X.] vorausgesetzt, dass sich die Tatbegehung im Sinne der Feststellungen zugetragen und der Angeklagte S.

das Opfer getötet hat. Insoweit liegt ein Kreisschluss vor, da hierbei die Täterschaft des Angeklagten S.

beim Raubmord zur Widerlegung einer
abweichenden
Tatzeitannahme vorausgesetzt wurde. Dies wäre aber erst nach einer für die Festlegung von Tat und Täter erforderlichen Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise zu beurteilen gewesen.
Das [X.] hat dagegen die Tatbegehung in der fest-gestellten Weise zur Voraussetzung der Widerlegung einer von ihm selbst aus-geschlossenen anderen Tatzeit gemacht. Dies ist rechtlich zu beanstanden. 7
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7
-
Einzelindizien zu Täterschaft und Tatzeit können jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen
nicht unabhängig voneinander beurteilt werden.
b) Das [X.] hat auch Zeugenaussagen zu einer
Beobachtung des
noch lebenden Opfers
zu einem späteren [X.]punkt, für deren Richtigkeit "[X.] Argumente"
sprechen, nicht in tragfähiger Weise widerlegt. Die Zeuginnen U.

und Ad.

haben, wie das [X.] dargelegt hat, nach ihren Bekundungen das Opfer noch gegen 14.00 Uhr am Samstag nach der Tatnacht lebend gesehen, also rund zwölf Stunden
nach der festgestellten Tatzeit. Zur Begründung seiner Annahme, diese Zeugenaussagen
seien objektiv unrichtig, hat das Tatgericht
auf "Widersprüche"
zwischen den Angaben der beiden [X.] verwiesen. Diese Begründung ist nicht tragfähig.
Nach den unter [X.] gemachten Angaben der Zeugin U.

war die Geschädigte am Tattag "gegen
14 Uhr"
mit einem Badehandtuch bekleidet zum Duschen in die Kellerräume gegangen und etwa 20 Minuten später wieder zu [X.] hinaufgegangen. Nach den Angaben der Zeugin Ad.

war eine Frau mit Badetuch, bei der es sich auch nach Ansicht des [X.] gegebenenfalls nur um die Geschädigte gehandelt haben konnte, genau
um 14
Uhr die Treppe hinaufgegangen; ihr sei kurze [X.] später [X.] gefolgt. Hieraus lässt sich der vom [X.] angenommene Widerspruch nicht [X.]. Zudem hat es nicht erwogen, dass die Beobachtung, dem Opfer sei nach dem Duschen beim Hinaufgehen zu [X.] [X.] gefolgt, ebenfalls in das Bild einer in [X.] begangenen Tat passen könnte.
Soweit das [X.] ausgeführt hat, bei dem von den Zeuginnen be-richteten [X.] könne es sich um eine Verwechslung han-deln, weil
es sich bei dem Vorgang um ein übliches Geschehen gehandelt ha-be, vernachlässigt
dies, dass die Beobachtungen der Zeuginnen unmittelbar schon am Tattag gegenüber den ermittelnden Beamten geäußert wurden,
in-soweit sehr zeitnah entstanden sind und
für die Zeuginnen im Zusammenhang
mit der Entdeckung eines Mordes standen. Wenn das [X.] eine Ver-10
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8
-
wechslung der beobachteten Person oder des [X.] durch die Zeuginnen für "wahrscheinlich"
gehalten hat, so reicht dies überdies zur Be-gründung einer Verurteilung der Angeklagten
nicht aus. Das entlastende Indiz müsste angesichts der getroffenen Tatzeitfeststellung sicher widerlegt sein, um die [X.] bruchlos zu schließen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil auf den genannten Fehlern beruht.

I[X.]
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, soweit sie zu [X.] der Angeklagten A.

eingelegt wurde.
Die Beweiswürdigung des [X.] weist keinen Rechtsfehler zu ih-rem Vorteil
auf. Es ist insoweit nicht davon auszugehen, dass das [X.] wesentliche Aspekte, die sich aus den Feststellungen ergeben, bei seinen
Er-wägungen zur Gesamtwürdigung aller Tatsachen und
Beweise übersehen
hat.
Das [X.] hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu Unrecht davon abgesehen, §
250 Abs.
1 Nr.
1 Buchst.
c StGB zu prü-fen.
Es war zwar aus der Sicht der Angeklagten A.

bei der Ausführung der geplanten Tat mit einem Schlag des Angeklagten S.

gegen
den Kopf des Opfers zu rechnen. Dadurch konnte er das Opfer aber nicht ohne weiteres
in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung brin-gen

250 Abs.
1 Nr.
1 Buchst.
c StGB). Eine solche setzt zwar keine schwere Körperverletzung voraus, sondern kommt auch
bei sonst einschneidenden oder nachhaltigen Beeinträchtigungen der Gesundheit in Betracht
(vgl. BT-Drucks. 13/8587, S.
28), wie
etwa bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit als Tatfolge. Es fehlt nach den Feststellungen aber an Hinweisen darauf, dass eine solche Fol-ge
nach dem [X.] konkret zu erwarten war. Nur in diesem Falle hätte sich 13
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16
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9
-
das [X.] dazu gedrängt sehen müssen, auch eine der Angeklagten A.

gemäß §
25 Abs.
2 StGB zuzurechnende [X.] der Tat nach §
250 Abs.
1 Nr.
1 Buchst.
c StGB zu erörtern.
Es liegt ferner
kein Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten A.

darin, dass
die Strafkammer
die §§
223, 224 Abs.
1 Nr.
3 StGB nicht erwähnt
hat. Für
eine vorsätzliche Körperverletzung

223 StGB), die dem [X.] entsprach und die der Angeklagten A.

gemäß §
25 Abs.
2 StGB zuzurechnen wäre, fehlt ein Strafantrag oder die Bejahung des besonde-ren öffentlichen Interesses an der Verfolgung auch dieses Vergehens durch die Staatsanwaltschaft

230 Abs.
1 StGB). Eine gegebenenfalls als Offizialdelikt zu verfolgende gefährliche
Körperverletzung mittels eines
hinterlistigen Über-falls (§
224
Abs.
1
Nr.
3
StGB) drängte
sich nicht auf. Dieses qualifizierte Kör-perverletzungsdelikt
setzt einen für das Opfer unvorhergesehenen Angriff vo-raus, der von einem planmäßigen, auf Verdeckung der wahren Absichten be-rechneten Vorgehen gekennzeichnet ist (vgl. Senat,
Urteil
vom 15.
September 2010 -
2 StR 395/10). Dafür fehlt es an konkreten Hinweisen in den Feststellungen
zum Geschehen bei der [X.].

Fischer

Schmitt

Berger

[X.]

Eschelbach
17

Meta

2 StR 605/10

25.05.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. 2 StR 605/10 (REWIS RS 2011, 6274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6274

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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