Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2010, Az. 5 StR 359/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1959

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beweisantrag: Präzisierung eines in der Anklageschrift enthaltenen Beweismittels und Bestimmtheit der Beweisbehauptung bezüglich alkoholbedingter Ausfallerscheinungen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. April 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten greift hinsichtlich des Strafausspruchs mit einer Verfahrensrüge durch. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der in der Hauptverhandlung geständige Angeklagte konsumierte mit zwei Freunden vor der Tat 1,16 l Wodka, woraus das [X.] – ohne auf genaue [X.] des Angeklagten abstellen zu können – eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 ‰ abgeleitet und eine Anwendung des § 21 StGB verneint hat.

3

Bei dieser Beweislage hätte das [X.] einen im Schlussvortrag des Verteidigers für den Fall, dass das Gericht nicht von einer erheblichen Beeinflussung durch Alkohol ausgehen sollte, gestellten Antrag nicht übergehen dürfen. Darin hatte er beantragt, die in der Akte vorhandenen Videos in Augenschein zu nehmen, weil sich aus diesen deutlich erhebliche motorische Ausfallerscheinungen des Angeklagten ergäben. Dies begründet als Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO die Revision im dargelegten Umfang.

4

2. Die Rüge ist zulässig. Das Beweismittel ist im Antrag genügend genau bezeichnet. Es ist bereits in der Anklageschrift angeführt. Dies machte weitere Präzisierungen zum Zeitpunkt der Antragstellung entbehrlich.

5

Gleiches gilt hinsichtlich der Beweisbehauptung. Die in der Revisionsbegründung als mehrfaches Stürzen und Abstützen an der Wand präzisierten „Ausfallerscheinungen“ erfüllten – zumal angesichts der sofortigen Verfügbarkeit des Beweismittels – zum Zeitpunkt der Antragstellung als schlagwortartig verkürzte Bezeichnung weit verbreiteter und bekannter körperlicher Zustände unter Alkoholeinwirkung noch das beweisantragsrechtliche Bestimmtheitsgebot (vgl. [X.], 52, 53 m.w.N.; vgl. auch [X.], 99, 100; 2006, 585, 586).

6

3. Die Rüge ist auch begründet. Zwar ist die Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in dem Antrag nicht ausdrücklich als Bedingung formuliert worden. Die Bewertung der Verknüpfung einer erheblichen Beeinflussung durch Alkohol, zu beweisen durch deutlich erhebliche motorische Ausfallerscheinungen, ergibt indes bei kontext- und interessengerechter Betrachtung die Anwendung des gemilderten Strafrahmens als [X.] des Begehrens.

7

Der Senat kann nicht ausschließen, dass eine Würdigung alkoholbedingter Ausfallerscheinungen des Angeklagten während der Tat zur Annahme einer dem Angeklagten günstigeren Blutalkoholkonzentration und einer – noch – milderen Strafe hätte führen können (vgl. [X.], 271).

8

4. Das neu berufene Tatgericht wird gegebenenfalls nunmehr mit Hilfe eines Sachverständigen die zu den aufrechterhaltenen Feststellungen des Tatgeschehens zählenden Umstände zu würdigen haben, dass auch das Tatopfer den Angeklagten als betrunken und schwankend wahrgenommen hat und dass es bei dem noch sehr jungen Angeklagten beim erzwungenen Oralverkehr zu keiner Erektion gekommen ist.

Basdorf                                Brause                               Schaal

                   Schneider                               [X.]

Meta

5 StR 359/10

27.10.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 13. April 2010, Az: 150 Js 300/10 - 6 KLs, Urteil

§ 244 Abs 6 StPO, § 21 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2010, Az. 5 StR 359/10 (REWIS RS 2010, 1959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1959

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 359/10 (Bundesgerichtshof)


2 StR 168/21 (Bundesgerichtshof)

(Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Verminderte Schuld- und Steuerungsfähigkeit bei hoher BAK)


2 StR 448/20 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil wegen schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung: Notwendige Feststellung zu einer verminderten Steuerungsfähigkeit bei einer …


5 StR 545/11 (Bundesgerichtshof)

Verminderte Schuldfähigkeit bei versuchtem Totschlag: Blutalkoholkonzentration von über 2,2 ‰; Beweiswert eines auf Trinkmengenangaben errechneten …


2 StR 146/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 359/10

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.