Bundespatentgericht, Beschluss vom 31.05.2011, Az. 27 W (pat) 175/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 6116

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - zur Kostenauferlegung - Rücknahme der Beschwerde und Verzicht auf die streitbefangene Marke lösen keine Kostentragungspflicht aus - keine offensichtliche Schutzunfähigkeit - jeder Verfahrensbeteiligte trägt die ihm entstandenen Kosten selbst


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 07 066.5

(hier: Löschungsverfahren [X.]/09 Lösch)

hat der 27. Senat ([X.]) durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin am [X.] am 31. Mai 2011

beschlossen:

Der Antrag des Beschwerdegegners, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Hinsichtlich der am [X.] angemeldeten und am [X.] für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der [X.], 6, 9, 14, 16, 18, 20, 21, 24, 25, 26, 28, 30, 33, 34 und 39 eingetragenen Marke 30710264 hat der Beschwerdegegner die Löschung gemäß §50 [X.] beantragt, da sie entgegen §§3, 8 [X.] eingetragen worden sei. Die Markenabteilung3.4 des [X.] hat mit Beschluss vom 27. [X.] antragsgemäß die Löschung der Marke angeordnet.

2

Hiergegen hat sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 15. [X.] gewendet. Mit Schriftsatz vom 21. [X.] hat er vorsorglich beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren. Am 14. Januar 2011 hat die Rechtspflegerin den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die tarifmäßige Beschwerdegebühr nicht vollständig innerhalb der gesetzlichen Frist entrichtet worden sei. Mit Schriftsatz vom 2. März 2011 hat er den Verzicht auf die angegriffene Marke erklärt sowie die Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 27. September 2010 zurückgenommen.

3

Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, es entspräche der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 S. 1. i. V. m. § 71 Abs. 4 [X.], dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da seine Verfahrensführung nicht mit der prozessualen Sorgfalt zu vereinbaren sei.

4

Der Beschwerdeführer habe den Verzicht auf die Marke damit begründet, der Streit über die Marke erscheine "müßig" angesichts des zu seinen Gunsten ohnehin bestehenden Schutzrechts aus § 71 UrhG.

5

Der Beschwerdegegner beantragt,

6

 die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.

7

Der Beschwerdeführer beantragt,

8

 den [X.] zurückzuweisen.

9

Zur Begründung führt er aus, auch im Löschungsverfahren gelte der Grundsatz des § 71 Abs. 1 [X.], dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen habe. Die Verteidigung gegen den Löschungsantrag sei keineswegs von vornherein vollkommen aussichtslos gewesen, zumal das [X.] die angegriffene Marke ursprünglich eingetragen hätte. Auch nach der erstinstanzlichen Löschung spräche noch eine Vielzahl guter Argumente dafür, die die ursprünglich beabsichtigte Verteidigung der Markeneintragung im Beschwerdeverfahren vor dem [X.] rechtfertigten. Er habe das Verfahren keinesfalls "offenbar nur aus einer Laune heraus" geführt.

II.

Der zulässige Antrag des Beschwerdegegners, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, hat keinen Erfolg.

1. Über den [X.] kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf mündliche Verhandlung nicht auch für den [X.] gestellt, der Beschwerdegegner hat ebenfalls keine mündliche Verhandlung beantragt, und der Senat hält diese nicht für erforderlich.

2. Es sind vorliegend keine durchschlagenden Gründe ersichtlich, die eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten des Beschwerdeführers nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] gerechtfertigt erscheinen lassen.

Vielmehr bleibt es bei dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände, die etwa dann anzunehmen sind, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Verfahren in einer Weise betreibt, die mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinen ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtlosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 71 RdNr. 11 m. w. N.). Solche Umstände lassen sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.

Nach § 71 Abs. 4 [X.] lösen weder die Rücknahme einer Beschwerde noch der Verzicht auf die streitbefangene Marke eine Pflicht, die Kosten zu tragen, aus.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Billigkeitsgrundes hat auch die Löschungsabteilung des [X.] nicht gesehen, als sie von einer Kostenauferlegung im angefochtenen Beschluss abgesehen hat.

Auch die Beschwerde steht nicht im Widerspruch zur prozessualen Sorgfalt, sondern entspricht der Wahrung berechtigter Interessen.

Dies gilt umso mehr, als die Marke nach ihrer ursprünglichen Eintragung keinesfalls offensichtlich schutzunfähig war, so dass sich die Rechtsverfolgung durch den Beschwerdeführer nicht als von vornherein aussichtslos darstellt. Vor diesem Hintergrund kann es dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er seine Rechte aus der Marke nicht weiter verfolgt.

Sein Verhalten kann nach den Gesamtumständen im vorliegenden Fall keine Kostenauferlegung nach sich ziehen. Im Rahmen prozessualer Sorgfalt muss es jedem Beschwerdeführer, der als Inhaber mehrerer unterschiedlicher gewerblicher Schutzrechte die Wahl hat, aus welchem er gegen einen Dritten vorgeht, unbenommen bleiben, seine Strategie im laufenden Beschwerdeverfahren auch kurzfristig zu überdenken. Dabei können die Kosten der Weiterführung des Löschungsverfahrens ebenso eine Rolle spielen wie andere prozessökonomische Überlegungen.

Welche Erfolgsaussichten für das Beschwerdeverfahren zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Marke bzw. bei [X.] bestanden, sind hingegen insoweit nicht Gegenstand der Prüfung. Sie können auch nicht zur Beurteilung der Frage, ob besondere Umstände eine Kostenauferlegung rechtfertigen, herangezogen werden, solange das Beschwerdeverfahren nicht von vorn herein mutwillig betrieben wurde. Dies ist hier nicht der Fall.

Meta

27 W (pat) 175/10

31.05.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 31.05.2011, Az. 27 W (pat) 175/10 (REWIS RS 2011, 6116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6116

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