Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2023, Az. I ZB 102/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6798

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Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 7. Zivilkammer - vom 26. Oktober 2022 wird auf Kosten des Gläubigers als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A. Die für den Gläubiger, das Land    , tätige Gerichtskasse    betrieb gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen fälliger Gerichtskostenforderungen. Sie beantragte im Juni 2022 die Abnahme der Vermögensauskunft und bei unentschuldigtem Fernbleiben des Schuldners den Erlass eines Haftbefehls gegen diesen. Der Schuldner gab die Vermögensauskunft nicht ab. Die Gerichtsvollzieherin übersandte den Vorgang an das Amtsgericht zur Entscheidung über den Haftbefehlsantrag.

2

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls mit Beschluss vom 17. August 2022 zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Gläubigers hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. September 2022 nicht abgeholfen.

3

Der Gläubiger hat die Rücknahme des [X.] unter Verwahrung gegen die Kostenlast erklärt, zum einen mit Schreiben vom 27. September 2022, eingegangen bei der [X.] am 27. September 2022 und bei der Gerichtsvollzieherin am 28. September 2022, zum anderen mit Schreiben vom 28. September 2022, eingegangen beim Amtsgericht am 29. September 2022.

4

Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

5

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Senat die Parteien auf die Rücknahmeerklärung hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme sowie gegebenenfalls Abgabe prozessualer Erklärungen gegeben. Der Gläubiger hat daraufhin erklärt, dass seine Forderung inzwischen beglichen sei. Er hat erneut hilfsweise - für den Fall nicht ordnungsgemäßer Übermittlung der früheren Erklärung - die Rücknahme des [X.] erklärt und beantragt, dem Schuldner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

6

B. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde des Gläubigers ist wegen der spätestens im Rechtsbeschwerdeverfahren wirksam gewordenen Rücknahme des [X.] unzulässig (§ 577 Abs. 1 ZPO).

7

I. Die vom Rechtsbeschwerdegericht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde erstreckt sich auch auf die Beschwer des Rechtsmittelführers (vgl. [X.].ZPO/[X.], 6. Aufl., § 577 Rn. 6 f.; [X.], 49. Edition [Stand 1. Juli 2023], § 577 Rn. 1). Die Beschwer muss als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel nach der Zivilprozessordnung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein; ihr Wegfall macht das Rechtsmittel unzulässig, so dass es nach § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen ist ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2018 - [X.], [X.] 2019, 79 [juris Rn. 12]). Die Beschwer des Gläubigers wegen der Zurückweisung seines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls gegen den Schuldner entfällt, wenn er die Rücknahme seines - auch auf den Erlass eines Haftbefehls gerichteten - [X.] erklärt (zur entfallenden Beschwer der im Haftbefehl bezeichneten Person nach Rücknahme des [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 29. März 2018 - [X.]/17, NJW-RR 2019, 317 [juris Rn. 13]). Der Gläubiger kann seinen Vollstreckungsantrag, der Voraussetzung für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung ist, bis zur Beendigung der Zwangsvollstreckung jederzeit zurücknehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2017 - [X.], [X.] 2018, 36 [juris Rn. 7]; Beschluss vom 20. Oktober 2021 - [X.], [X.] 2022, 11 [juris Rn. 16], jeweils mwN).

8

II. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist der Vollstreckungsantrag des Gläubigers wirksam zurückgenommen. Das folgt jedenfalls daraus, dass der Gläubiger im Rechtsbeschwerdeverfahren hilfsweise erneut die Rücknahme des [X.] erklärt hat. Es kann daher offenbleiben, ob die Rücknahme bereits im Verfahren der sofortigen Beschwerde wirksam geworden ist.

9

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

I. Über die Kosten des [X.] ist gemäß den Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden. Bei kontradiktorischen Rechtsbehelfsverfahren gehen sie der Regelung des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor, nach der die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last fallen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378 [juris Rn. 6 bis 8]; [X.], [X.] 2019, 79 [juris Rn. 8]; [X.], Beschluss vom 28. April 2022 - [X.], [X.] 2022, 426 [juris Rn. 4]; [X.].ZPO/[X.]/[X.] aaO § 788 Rn. 23; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 20. Aufl., § 788 Rn. 6; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 788 Rn. 12; [X.] aaO § 788 Rn. 12). Danach hat im Streitfall gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Gläubiger die Kosten seiner erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.

II. Für die vom Gläubiger unter Berufung auf die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 ZPO begehrte Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners ist kein Raum. Gemäß dieser Vorschrift ist der Kläger nach Rücknahme der Klage verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie dem Beklagten nicht aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind.

1. Die Rücknahme des [X.] löst bereits nicht die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO aus, weil § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO - im Ausgangspunkt - als speziellere Regelung vorgeht (vgl. [X.]Z 170, 378 [juris Rn. 5]; [X.], [X.] 2022, 426 [juris Rn. 4]; KG, NJW-RR 1987, 192; [X.].ZPO/[X.]/[X.] aaO § 788 Rn. 8; [X.]/[X.] aaO § 788 Rn. 20). Eine Rücknahme seiner Rechtsbeschwerde hat der Gläubiger nicht erklärt; sie würde ohnehin zu dessen (unbedingter) Kostentragungspflicht entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO führen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 17. Juli 2018 - [X.], juris; Beschluss vom 30. November 2021 - [X.]/20 [juris Rn. 5]).

2. Unabhängig davon wären dem Schuldner auch nicht ausnahmsweise nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 ZPO die Kosten des Verfahrens aus einem anderen Grund aufzuerlegen. Die Vorschrift ermöglicht die Berücksichtigung prozessualer Besonderheiten wie etwa spezieller Kostentragungsvorschriften und bestimmter außerprozessualer Umstände wie etwa einer außergerichtlichen Vereinbarung über die Kostentragungspflicht des Beklagten oder über dessen Verzicht auf eine Kostenerstattung (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Januar 2022 - [X.], NJW 2022, 1393 [juris Rn. 10]; [X.]/[X.] aaO § 269 Rn. 12 bis 12.4). Im Streitfall liegen solche prozessualen Besonderheiten oder außerprozessualen Umstände jedoch nicht vor. Vielmehr ist - wie ausgeführt (Rn. 10) - über die Kosten kontradiktorischer Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden.

III. Eine Erledigungserklärung hätte dem Gläubiger grundsätzlich offengestanden, um möglicherweise zu einer für ihn günstigen Kostenentscheidung zu gelangen (vgl. [X.], NJW-RR 2019, 317 [juris Rn. 10]; [X.] 2019, 79 [juris Rn. 13 f.]). Die Rücknahme des [X.] kann aber wegen ihres eindeutigen Inhalts nicht als Erledigungserklärung ausgelegt und wegen ihrer Wirksamkeit auch nicht in diesem Sinne umgedeutet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2006 - [X.], NJW 2007, 1460 [juris Rn. 10 f.]; Beschluss vom 19. August 2014 - [X.], NJW 2014, 3520 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 17. Dezember 2020 - [X.]/20, NJW 2021, 941 [juris Rn. 35]).

Koch     

  

Schwonke     

  

Feddersen

  

Schmaltz     

  

Odörfer     

  

Meta

I ZB 102/22

31.08.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Limburg, 26. Oktober 2022, Az: 7 T 130/22

§ 269 Abs 3 S 2 Halbs 1 ZPO, § 577 ZPO, § 788 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2023, Az. I ZB 102/22 (REWIS RS 2023, 6798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6798

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