Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2002, Az. I ZR 101/00

I. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1434

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:26. September 2002FühringerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.] : [X.]: jaAnlagebedingter [X.] § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 5 lit. [X.] anlagebedingte (androgene) Haarausfall bei [X.] ist weder eineKrankheit noch ein Körperschaden i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Die Werbungfür eine Eigenhaartransplantation mit der Vorher-/Nachher-Abbildung einer be-handelten Person unterfällt daher nicht dem Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Nr. 5lit. b [X.].[X.], [X.]. v. 26. September 2002 - [X.]/00 - [X.] I- 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 26. September 2002 durch [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.],Pokrant und Dr. Schaffertfür Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des [X.], 9. Kam-mer für Handelssachen, vom 14. März 2000 wird auf Kosten derKlägerin zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der kosmetischen Haar-chirurgie ([X.]). Sie streiten darüber, ob eine Werbung [X.] mit der bildlichen Darstellung von Personen vor und nach einer [X.] gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 lit. b [X.] verstößt.Die Beklagte warb im März 1999 außerhalb von Fachkreisen mit demProspekt "[X.] über die Behandlung deserblich bedingten Haarausfalls", der bildliche Darstellungen von Personen vor- 3 -und nach der Behandlung enthielt, für die von ihr angebotenen Haarverpflan-zungen.Die Klägerin hält die Werbung wegen Verstoßes gegen das [X.] ([X.]) für wettbewerbswidrig. Sie meint, die erblich bedingteGlatze des Mannes (androgenetische Alopezie) sei aus medizinischer Sicht alsKrankheit oder [X.] anzusehen. Jedenfalls handele es sich dabei um einenKörperschaden, weil eine dauernde Abweichung von der normalen körperlichenBeschaffenheit vorliege, die weder als Krankheit noch als [X.] empfundenwerde.Die Klägerin hat beantragt,der Beklagten unter Androhung von [X.] zu verbieten,im Geschäftsverkehr zu Wettbewerbszwecken für Haartransplanta-tionen in Printmedien (gedruckte Werbebroschüren und [X.]) außerhalb der Fachkreise mit der bildlichen [X.] der behandelten Personen vor und nach der Durchführungder Haartransplantation zu werben. (Es folgt eine entsprechendebildliche Darstellung.)Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, die ge-netisch bedingte [X.] sei weder eine Krankheit noch ein Körperscha-den, sondern eine völlig natürliche und übliche Erscheinungsform der Kopfhautdes Mannes.Das [X.] hat die Klage [X.] -Mit der ([X.] verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.Entscheidungsgründe:[X.] Das [X.] hat angenommen, die angegriffene Werbung verstoßenicht gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 lit. b [X.]. Dazu hat es ausgeführt:Die Vorschriften des [X.]es fänden auf die beanstan-dete Werbung der Beklagten keine Anwendung. Dem Prospekt könne mit hin-reichender Deutlichkeit entnommen werden, daß die darin enthaltenen [X.] sich nur auf die Behandlung des erblich bedingten Haarausfalls bezögen.Dieser sei aus medizinischer Sicht keine Krankheit, sondern ein sekundäresmännliches [X.]. Eine Glatze könne im Einzelfall zwar zu ei-nem außergewöhnlichen [X.]sdruck führen. Diese Wirkung begründe aberkeinen Krankheitswert der Glatze selbst.Ein Körperschaden i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sei die erblich [X.] Glatze ebenfalls nicht. Mit dem Begriff des "[X.]" sollten sol-che behandlungsbedürftigen körperlichen Zustände aufgefangen werden, dieweder den Krankheiten noch den krankhaften Beschwerden zugeordnet werdenkönnten. Das Schutzziel der hierauf bezogenen Bestimmungen des [X.]es und des [X.]es ([X.]) sei die Gesundheit deseinzelnen und des Volkes, wobei die Gesundheit dann als gefährdet angesehenwerde, wenn schädliche Nebenwirkungen eintreten könnten oder (bei [X.] 5 -die Gefahr einer Selbstbehandlung mit ungünstigen Wirkungen bestehe. Bei derin dem Werbeprospekt der Beklagten beschriebenen Haarverpflanzung liege [X.] nicht vor.I[X.] Die Revision hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend ge-machte Anspruch aus § 1 UWG i.V. mit § 11 Abs. 1 Nr. 5 lit. b [X.] nicht zu.Das [X.] hat angenommen, bei dem erblich bedingten [X.] handele es sich aus medizinischer Sicht weder um eine Krank-heit noch um einen Körperschaden i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] mit der Fol-ge, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes auf die beanstandete Werbung [X.] keine Anwendung fänden. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zuerinnern.1. Eine Krankheit liegt vor, wenn eine auch nur unerhebliche oder vor-übergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeitdes Körpers besteht, die geheilt werden kann (vgl. [X.], [X.]. v. 2.10.1997- I ZR 94/95, [X.], 961, 962 = [X.], 312 - Lebertran I; [X.],[X.], 2. Aufl., § 1 [X.]. 52; [X.], Heilmittelwerberecht, § 1[X.]. 111; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 [X.]. 33). [X.] der anlagebedingte Haarausfall nicht als Krankheit angesehen werden.Das [X.] hat seine Annahme, bei dem genetisch bedingtenHaarausfall handele es sich aus medizinischer Sicht nicht um eine Krankheiti.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.], auf das von den Sachverständigen Prof.Dr. P. und [X.]schriftlich erstattete Gutachten gestützt. Dagegen wendetsich die Revision ohne Erfolg. Sie rügt zu Unrecht, das [X.] habe seineBeurteilung nicht begründet, weil es sich allein auf die in dem [X.] -gengutachten dargelegten Erkenntnisse bezogen habe. Die Hinzuziehung einesSachverständigen ist gerade dort notwendig, wo dem Gericht die eigene Sach-kunde fehlt. Das ist vor allem im medizinischen Bereich der Fall (vgl.[X.].ZPO/[X.], 2. Aufl., § 402 [X.]. 7).Die Sachverständigen haben in ihrem Gutachten im einzelnen dargelegt,daß es sich nach heutigen Erkenntnissen bei dem erblich bedingten [X.] medizinischer Sicht nicht um eine Krankheit, sondern um ein sekundäresmännliches [X.] handelt. Dementsprechend wird der [X.] (androgene) Haarausfall im allgemeinen auch nicht als Krankheit,sondern als eine Erscheinung angesehen, die noch zur normalen Beschaffen-heit und Funktion des Körpers gehört (vgl. [X.] aaO § 1 [X.]. 56, Stichwort:Haarausfall; [X.] aaO § 1 [X.]. 116, Stichwort: Haarausfall; [X.]/[X.] [X.]. 34).2. Bei objektiver Betrachtung der in der beanstandeten [X.] abgebildeten Person handelt es sich bei dem anlage[X.]n Haarausfall auch nicht um einen Körperschaden i.S. von § 1 Abs. 1Nr. 2 [X.]. Dieser liegt im allgemeinen bei angeborenen oder erworbenen, ty-pischerweise nicht behebbaren Veränderungen des Körpers vor. Dazu zähleninsbesondere der Verlust sowie die dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung einesKörperteils oder Organs (vgl. [X.] aaO § 1 [X.]. 32; [X.] aaO § 1[X.]. 113; [X.]/[X.] aaO § 1 [X.]. 33). Es liegt auf der Hand, daß diese Vor-aussetzungen bei dem in Rede stehenden Haarausfall nicht gegeben sind.Durch den Verlust der Kopfhaare kommt es - medizinisch und biologisch gese-hen - zu keiner unmittelbaren Schädigung des [X.] -Der Umstand, daß die Beseitigung des eingetretenen Haarausfalls einenchirurgischen Eingriff erfordert, ist für die Beurteilung der Frage, ob es sich beider Glatzenbildung um eine Krankheit oder einen Körperschaden handelt, ohneBedeutung.3. Es darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, daß das [X.] Krankheits- und [X.]begriffs in § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auchmaßgeblich durch den Schutzzweck des [X.]es beeinflußtwird.Das [X.] soll - ebenso wie das [X.] - inerster Linie Gefahren begegnen, die der Gesundheit des einzelnen und [X.] der Allgemeinheit durch unsachgemäße [X.] drohen, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall wirklich eintreten (vgl. [X.],[X.]. v. 19.12.1980 - I ZR 157/78, [X.] 1981, 435, 436 - 56 Pfund abgenom-men; [X.]. v. 26.6.1997 - I ZR 53/95, [X.], 498, 500 = [X.], 177- Fachliche Empfehlung III; [X.] aaO Einl. [X.]. 40). Darüber hinaus sollaber auch verhindert werden, daß durch eine mit Übertreibungen arbeitende,suggestive oder marktschreierische Werbung kranke und besonders ältereMenschen zu Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und bei der [X.] anderer Mittel zur Beseitigung von Krankheiten oder Körperschädenverleitet werden (vgl. [X.] [X.] 1981, 435, 436 - 56 Pfund abgenommen).Solche Gefahren bestehen bei der von der Beklagten beworbenen [X.] nicht. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortragder Beklagten erfordert eine Eigenhaarverpflanzung einen chirurgischen Ein-griff, der von Ärzten nach entsprechender Beratung und Aufklärung über die [X.] derartigen Behandlung verbundenen Risiken durchgeführt wird. Für eine- 8 -unerwünschte Selbstmedikation ist unter diesen Umständen kein Raum. [X.] der Revision, die Gefahr einer Selbstmedikation könne schon [X.] nicht völlig ausgeschlossen werden, weil die Sachverständigen in ihremGutachten darauf hingewiesen hätten, daß neben chirurgischen Maßnahmenauch zunehmend äußerliche oder innerliche medikamentöse Behandlungsmög-lichkeiten zur Verfügung stünden, ist im Streitfall ohne Bedeutung, da die [X.] für solche Behandlungsmethoden in ihrer Informationsbroschüre "[X.] über die Behandlung des erblich bedingtenHaarausfalls" nicht geworben hat.II[X.] Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 [X.].[X.]. [X.]

Meta

I ZR 101/00

26.09.2002

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2002, Az. I ZR 101/00 (REWIS RS 2002, 1434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1434

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.