Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2022, Az. VIII R 16/19

8. Senat | REWIS RS 2022, 9258

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Gegenstand

Verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Korrektur des Zinslaufs in einer Zinsberechnung


Leitsatz

1. Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden.

2. Die Entscheidung über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend BMF-Schreiben vom 15.08.2014, BStBl I 2014, 1174, unter 2.b).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 1602/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2007 und 2008, die auf höheren Steuerfestsetzungen infolge der Rückgängigmachung des [X.] für in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge beruhen, mit einem [X.] gemäß § 233a Abs. 2a der Abgabenordnung ([X.]) zu berechnen sind und ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine Änderung der ergangenen [X.] beanspruchen können.

2

Mit Datum vom 06.05.2013 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) nach einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 [X.] geänderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhebende Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Der höheren Festsetzung der Einkommensteuer lag neben anderen Sachverhalten in beiden Streitjahren u.a. die gewinnerhöhende Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gemäß § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung (EStG) zugrunde.

3

Die Bescheide vom 06.05.2013 enthielten jeweils auch Festsetzungen zu Nachzahlungszinsen gemäß § 233a [X.]. Zur Einkommensteuer 2007 wurden Zinsen in Höhe von 6.158 € und zur Einkommensteuer 2008 in Höhe von 1.519 € festgesetzt. Der Zinsberechnung für das Streitjahr 2007 legte das [X.] einen Unterschiedsbetrag zulasten der Kläger in Höhe von 24.150 € zugrunde, den es für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013 verzinste. Für das Streitjahr 2008 betrug der Unterschiedsbetrag zulasten der Kläger 6.900 € und wurde für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 10.05.2013 verzinst.

4

Die Kläger erhoben am 10.06.2013 Einspruch gegen die "Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer" für die Streitjahre.

5

Mit Schreiben vom 30.12.2013 beantragten die Kläger beim [X.] "im Rahmen des [X.] die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 hinsichtlich der bisherigen Verzinsung aufgrund der Nichtinanspruchnahme des [X.]". Die Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge in den geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 06.05.2013 sei jeweils ein rückwirkendes Ereignis. Der [X.] für den hierauf entfallenden Unterschiedsbetrag beginne gemäß § 233a Abs. 2a [X.] jeweils erst 15 Monate nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses und nicht gemäß § 233a Abs. 2 [X.] 15 Monate nach Ablauf der Streitjahre 2007 (am 01.04.2009) und 2008 (am 01.04.2010), in denen die Steuer entstanden sei.

6

Das [X.] sah im Schreiben vom 10.06.2013 nur Einsprüche gegen die Festsetzungen zur Einkommensteuer, zum Solidaritätszuschlag und zur Kirchensteuer und erst im Schreiben vom 30.12.2013 Einsprüche gegen die [X.] der Streitjahre. Es verwarf die Einsprüche gegen die [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 20.10.2014 als unzulässig, da die Einspruchsfrist abgelaufen war. Eine Wiedereinsetzung der Kläger in die versäumte Einspruchsfrist lehnte es ab. Die Kläger erhoben anschließend weder gegen die [X.] vom 06.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung noch isoliert gegen die Einspruchsentscheidung Klage.

7

Ein weiteres Schreiben der Kläger an das [X.] vom 07.11.2014 behandelte das [X.] als Antrag der Kläger, die bestandskräftig gewordenen [X.] vom 06.05.2013 so zu ändern, dass der Zinsberechnung für den auf die Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge entfallenden Teil-Unterschiedsbetrag jeweils ein Zinsbeginn 15 Monate nach dem Erlass der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 06.05.2013 zugrunde gelegt werde. Das [X.] entschied über dieses Änderungsbegehren zunächst nicht.

8

Im Rahmen eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens erließ das [X.] unter dem 13.04.2018 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es höhere Fahrtkosten als Betriebsausgaben des [X.] bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigte und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festsetzte.

9

Auch die Zinsen wurden in den Bescheiden vom 13.04.2018 daraufhin neu festgesetzt. Sie beliefen sich nunmehr für das Streitjahr 2007 auf 5.876 € und für das Streitjahr 2008 auf 1.447 €. Dies beruhte für das Streitjahr 2007 auf einer Minderung der Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013 für einen Unterschiedsbetrag in Höhe von 1.150 €. In der Zinsberechnung für das Streitjahr 2008 berücksichtigte das [X.] Erstattungszinsen (71,50 €) und auf der Grundlage eines [X.] zugunsten der Kläger von 550 € eine Minderung der Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 26.02.2015 in Höhe von 159,50 €.

Mit Bescheid vom 26.04.2018 lehnte das [X.] die in den Schreiben vom 30.12.2013 und 07.11.2014 gestellten und in dem Schreiben vom 18.04.2018 bekräftigten Anträge der Kläger auf Änderung und Herabsetzung der [X.] für die Streitjahre ab. Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.04.2018 erhobenen Einspruch wies es als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 565 mitgeteilten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

Sie beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 1602/18 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26.04.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018 die am 13.04.2018 festgesetzten Zinsen, die auf die rückgängig gemachten Investitionsabzugsbeträge für 2007 und 2008 entfallen, für 2007 um 2.133 € und für 2008 um 333 € zu mindern.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das [X.] die Änderung der [X.]e vom 13.04.2018 zugunsten der Kläger zu Recht abgelehnt hat. Eine verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift, aus der die Kläger einen entsprechenden Anspruch herleiten können, ist nicht gegeben.

1. Gemäß § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.] sind [X.] bei der festgesetzten Einkommensteuer i.S. des § 233a Abs. 3 [X.] zu verzinsen. Der [X.] beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 [X.]) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 [X.]). Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.]) beruht, beginnt der [X.] abweichend von § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.] 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist (§ 233a Abs. 2a [X.]). Bei Anwendung des § 233a Abs. 2a [X.] ist der Unterschiedsbetrag in Teil-[X.] mit jeweils gleichem [X.]beginn aufzuteilen; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-[X.] zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten [X.]beginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 [X.]).

Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung der Frage, ob für die Ermittlung der Nachzahlungszinsen Teil-[X.] zu bilden und die Zinsen mit einem [X.] gemäß § 233a Abs. 2a [X.]. Abs. 7 Satz 1 [X.] zu berechnen sind, soweit die festgesetzte Einkommensteuer der Streitjahre auf der Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge als rückwirkendem Ereignis beruht (s. dazu [X.]-Urteil vom 11.07.2013 - IV R 9/12, [X.], 14, [X.], 609, Rz 20 bis 30). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.[X.] ([X.]) vom 26.06.2013 ([X.], 1809) die Anwendung der Regelung in § 233a Abs. 2a [X.] für den Streitfall ausschließen würde. Selbst wenn die Zinsen materiell-rechtlich --wie von den Klägern begehrt-- zum Teil unter Berücksichtigung eines späteren Zinsbeginns gemäß § 233a Abs. 2a [X.] zu berechnen wären, können die Kläger verfahrensrechtlich keine solche Neuberechnung der Zinsen und entsprechende Änderung der [X.]e vom 13.04.2018 verlangen (s. nachfolgend II.2. bis II.4.).

2. Die von den Klägern begehrte Änderung der [X.]e vom 13.04.2018 lässt sich nicht auf § 233a Abs. 5 Satz 1 [X.] stützen. Diese Vorschrift verlangt zwar die Anpassung eines bestehenden [X.]s an eine geänderte Steuerfestsetzung. Sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen und ermöglicht es nicht, einen (vermeintlich) unzutreffenden [X.] zu korrigieren, der der Berechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt.

a) Gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] ist eine [X.] zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 [X.] berichtigt wird. Diese Vorschrift trägt verfahrensrechtlich der Abhängigkeit der Zinsen (als steuerlicher Nebenleistung) von der Steuer (als der den Zinsen zugrunde liegenden Hauptforderung) Rechnung und regelt --als lex specialis zu den §§ 172 ff. [X.]-- abschließend die Folgen, die eine Änderung der Steuerfestsetzung für die [X.] hat ([X.]-Urteile vom 18.05.2005 - VIII R 100/02, [X.], 1, [X.], 735, unter II.2., und vom 16.01.2019 - X R 30/17, [X.], 310, BStBl II 2019, 362, Rz 18; [X.] vom [X.] - X B 21/19, [X.], 1217, Rz 21). Sie ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nachgebildet, denn die Einkommensteuerfestsetzung entfaltet hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Steuer als Grundlagenbescheid Bindungswirkung für die [X.] als Folgebescheid ([X.] vom 14.07.2008 - VIII B 176/07, [X.], 36, [X.], 117, unter [X.] [Rz 26]). Das [X.] hat danach in den Bescheiden vom 13.04.2018 die vorherigen [X.]en zu Recht gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] geändert, da sich die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre vom 13.04.2018 geändert hat.

b) Ein nach § 233a Abs. 5 Satz 1 [X.] ergehender [X.] setzt den Zinsbetrag jeweils neu fest ([X.] [X.]/[X.], [X.]. [01.10.2022], [X.] § 233a Rz 34.3). § 233a Abs. 5 Sätze 2 bis 4 [X.] regeln als gegenüber § 233a Abs. 3 [X.] speziellere Vorschriften die Maßstäbe für die im Änderungsbescheid neu vorzunehmende Zinsberechnung und -festsetzung ([X.] vom [X.] - VIII B 66/10, [X.], 1825, Rz 7). Maßgebend für die ändernde Zinsberechnung ist gemäß § 233a Abs. 5 Sätze 2 bis 4 [X.] der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden [X.] und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt § 233a Abs. 3 Sätze 3 und 4 [X.] entsprechend.

c) Das [X.] hat zu Recht ausgeführt, dass bei der Neufestsetzung der Zinsen aufgrund der Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 [X.] ein gemäß § 233a Abs. 2a [X.] geänderter [X.] aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses nicht berücksichtigt werden kann.

aa) § 233a Abs. 5 [X.] eröffnet nur die Möglichkeit zur Korrektur früherer Fehler, die die Höhe der festgesetzten Steuer (hier: der Einkommensteuern für 2007 und 2008) als Bemessungsgrundlage der Zinsberechnung betreffen. Werden in einem Einkommensteueränderungsbescheid Mehr- oder Mindersteuern festgesetzt, ohne dass zugleich in einem geänderten [X.] die erforderlichen zinsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden, dürfen Mehr- oder Minderzinsen, deren Festsetzung bislang versäumt wurde, bei einer späteren Änderung der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen der neuen [X.] nachträglich erfasst werden ([X.] in [X.], 36, [X.], 117, unter [X.] [Rz 27] und unter [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 233a [X.] Rz 194). Bei der [X.] in einem Änderungsbescheid können ferner im Rahmen der gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 [X.] angeordneten Hinzurechnung der "festzusetzenden Zinsen" Zinsbeträge, die unbeschadet ihrer tatsächlichen Festsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften hätten festgesetzt werden müssen, nachträglich berücksichtigt werden ([X.] vom 11.12.2012 - III B 91/12, [X.], 509, Rz 7).

bb) [X.], die --wie hier geltend gemacht-- ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs der [X.] gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 [X.]. Sie können nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf [X.]en anwendbaren Änderungsvorschriften in §§ 129, 172 ff. [X.] korrigiert werden (ebenso [X.] in [X.], § 233a [X.] Rz 186; [X.] [X.]/[X.], a.a.[X.], § 233a, Rz 35, 36; [X.], Abgabenordnung, 4. Aufl., § 233a Rz 73; [X.] in Tipke/[X.], § 233a [X.] Rz 53; [X.] in [X.], [X.] § 233a Rz 136; [X.] zur Abgabenordnung zu § 233a, Nr. 45; s.a. [X.]-Urteil vom [X.] - IX R 25/18, [X.] 2020, 1, Rz 29, 30).

3. Eine Änderung der Berechnung der Zinsen unter Ansatz eines geänderten Zinsbeginns gemäß § 233a Abs. 2a [X.] kommt danach nur auf der Grundlage der allgemeinen Korrekturvorschriften gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.]. §§ 129, 172 ff. [X.] in Betracht. Deren Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Es besteht keine Pflicht des [X.] aus § 239 Abs. 1 Satz 1 [X.]. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.], die [X.]en für die Streitjahre vom 13.04.2018 insoweit zu ändern. Auch wenn auf der Grundlage des [X.] in [X.], 14, [X.], 609 den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre u.a. die gewinnerhöhende Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge zugrunde liegt und auch wenn diese materiell-rechtlich rückwirkenden Ereignisse bei der Zinsberechnung (bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Regelung in § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] im Streitfall) jeweils mit einem abweichenden [X.] gemäß § 233a Abs. 2a Satz 1 [X.]. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu berücksichtigen wären (s. oben II.1.), sind die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre keine Grundlagenbescheide und die [X.]e der Streitjahre insoweit keine Folgebescheide.

aa) Zwar kann ein Einkommensteuerbescheid auch hinsichtlich seiner unselbständigen Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 [X.]) als Grundlagenbescheid für einen Folgebescheid Bindungswirkung entfalten, wenn diese Bindungswirkung ausdrücklich (gesetzlich) angeordnet worden ist ([X.]-Urteil vom 18.09.2012 - VIII R 9/09, [X.], 512, [X.], 149, Rz 25). An einer solchen gesetzlich angeordneten Bindungswirkung fehlt es im Verhältnis von Einkommensteuer- und [X.]en jedoch für den Umstand, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung eine Besteuerungsgrundlage wegen eines rückwirkenden Ereignisses i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] berücksichtigt wurde. Die Entscheidung über die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 [X.] bei der Zinsberechnung ist ausschließlich und ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend Schreiben des [X.] vom 15.08.2014, [X.], 1174, unter 2.b).

bb) Von der fehlenden Bindungswirkung der Einkommensteuerfestsetzung für die [X.] und einer deshalb nicht bestehenden [X.] des [X.] gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist im [X.] auch das [X.] in seinen Ausführungen auf Seiten 10 ff. des angefochtenen Urteils ausgegangen. Zwar hat es diese Frage nur im Rahmen der abgelehnten Verpflichtung des [X.], die [X.]e vom 13.04.2018 gemäß § 233a Abs. 5 [X.] zu ändern, erörtert und eine [X.] des [X.] gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 [X.]. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] selbst nicht geprüft. Selbst wenn der Senat das [X.]-Urteil wegen der fehlenden Prüfung dieser Änderungsnorm als rechtsfehlerhaft beurteilen würde, wäre die Entscheidung des [X.] aber jedenfalls im Ergebnis richtig und die Revision der Kläger gemäß § 126 Abs. 4 [X.]O als unbegründet zurückzuweisen, da keine [X.] des [X.] hinsichtlich der [X.]e aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] besteht. Ob der Senat sich den sonstigen Erwägungen des [X.] zur Begründung seiner Entscheidung anschließen könnte, bedarf aus diesem Grund ebenfalls keiner weiteren Vertiefung.

b) Schließlich ist dem [X.] auch darin zuzustimmen, dass die Kläger keine Änderung der [X.]e vom 13.04.2018 gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 [X.]. § 129 Satz 1 [X.] verlangen können.

aa) Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 [X.] sind einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbare mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts, die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 14.01.2020 - VIII R 4/17, [X.], 2, [X.], 433, Rz 16; vom 10.03.2020 - IX R 29/18, [X.], 407, [X.], 698, Rz 17.

bb) Letzteres ist hier der Fall. Die Feststellung des [X.], das [X.] habe bei Erlass der [X.]e vom 06.05.2013 und vom 13.04.2018 wegen seiner Rechtsauffassung die Regelung zum besonderen [X.] gemäß § 233a Abs. 2a [X.] bewusst nicht angewendet, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Die bewusste Nichtanwendung einer Rechtsnorm durch das [X.] begründet keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit.

c) Auch eine Änderung der [X.]en vom 13.04.2018 gemäß § 177 Abs. 2 [X.] hat das [X.] zutreffend abgelehnt. Da die Zinsen in den Bescheiden vom 06.05.2013 bestandskräftig festgesetzt worden waren und die Zinsen in den Bescheiden vom 13.04.2018 zugunsten der Kläger herabgesetzt wurden, besteht mangels eines Änderungsrahmens für eine saldierende Fehlerkorrektur zugunsten der Kläger kein Raum.

4. Der mit der Revision vorgebrachte Einwand der Kläger, das [X.] habe rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob das [X.] ihnen die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gegen die am 06.05.2013 ergangenen [X.]en hätte gewähren müssen, greift nicht durch. Für das [X.] bestand keine Veranlassung, diese Frage zu prüfen.

a) Die Auslegung des Einspruchs als vorprozessualer Rechtsbehelf ist Gegenstand der vom [X.] zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die der [X.] als Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist, soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben werden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Der [X.] kann die Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob das [X.] die anerkannten Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Allerdings ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar, ob der Einspruch überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Richtet sich der Einspruch zunächst ausdrücklich nur gegen einzelne miteinander verbundene Verwaltungsakte und wird er nach Ablauf der Einspruchsfrist erweitert, steht der Anfechtung dieses Bescheids die Bestandskraft entgegen ([X.]-Urteil vom 29.10.2019 - IX R 4/19, [X.]E 266, 126, [X.], 368, Rz 17, 18, m.w.N.).

b) Es ist nach diesen Vorgaben nicht zu beanstanden, dass das [X.] wie das [X.] das Schreiben der Kläger an das [X.] vom 10.06.2013 nur als Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen vom 06.05.2013 und nicht auch als Einsprüche gegen die mit diesen Festsetzungen verbundenen [X.]en beurteilt hat. Die [X.]en wurden in dem Schreiben der Kläger vom 10.06.2013 nicht erwähnt. Es war nicht auslegungsbedürftig, sodass kein Raum für eine anderweitige Auslegung durch den Senat besteht. Erst das folgende Schreiben der Kläger an das [X.] vom 30.12.2013 beinhaltete Einsprüche gegen die [X.]en für die Streitjahre vom 06.05.2013. Diese wurden aber erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben und mit der Einspruchsentscheidung des [X.] vom 20.10.2014 gemäß § 358 Satz 2 [X.]. § 355 [X.] als unzulässig verworfen.

c) Das [X.] musste entgegen der Auffassung der Kläger nicht prüfen, ob den Klägern die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gegen die [X.]e vom 06.05.2013 zu gewähren ist. Die Kläger haben die Einspruchsentscheidung vom 20.10.2014, in der das [X.] die Gewährung der Wiedereinsetzung abgelehnt hat, weder zusammen mit den [X.]en (§ 44 Abs. 2 [X.]O) noch isoliert mit der Klage angefochten. Diese Einspruchsentscheidung ist formell unanfechtbar geworden und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem es allein um die Ablehnung einer Änderung der [X.]e für die Streitjahre vom 13.04.2018 durch den Bescheid vom 26.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018 geht.

d) Da die Kläger die [X.]e vom 06.05.2013 nicht rechtzeitig mit einem Einspruch angefochten hatten, wurden diese [X.]e mit Ablauf der Einspruchsfrist formell unanfechtbar ([X.] in [X.], 1217, Rz 16, 17).

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 [X.]. § 90 Abs. 2 [X.]O).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 16/19

13.12.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 27. März 2019, Az: 3 K 1602/18, Urteil

§ 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 233a Abs 1 AO, § 233a Abs 2 AO, § 233a Abs 2a AO, § 233a Abs 5 AO, § 239 Abs 1 S 1 AO, § 7g Abs 3 S 4 EStG 2002, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2022, Az. VIII R 16/19 (REWIS RS 2022, 9258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9258 NJW 2023, 1240 REWIS RS 2022, 9258

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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