Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2011, Az. VIII ZR 139/09

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5718

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 139/09
Verkündet am:

15. Juni 2011

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 323, 437
Für die Frage, ob das Rücktrittsrecht eines Käufers wegen der Lieferung einer [X.] Sache gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Ist zu diesem Zeitpunkt die [X.] trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche nicht bekannt und [X.] nicht absehbar, ob und mit welchem Aufwand der Mangel beseitigt werden kann, wird ein zum Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht zu einem ge-ringfügigen Mangel, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Mangel mit ver-hältnismäßig geringem Aufwand behoben werden kann (Bestätigung der [X.] vom 5.
November 2008 -
VIII
ZR 166/07, [X.], 508 und vom 9.
März 2011 -
VIII
ZR 266/09, [X.], 1664).
BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 -
VIII ZR 139/09 -
OLG Rostock

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Milger sowie die
Richter Dr.
Achilles und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 13. Mai 2009 aufgehoben.
Die Berufung des
Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 12. März 2008 wird [X.].
Der
Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw M.

Kombi, welchen der Kläger
unter Inzahlunggabe eines Gebrauchtfahrzeugs im Mai 2003 als Neufahrzeug bei dem Beklagten, einem Vertragshändler des Herstellers M.

nebst
gesondert berechnetem
Zubehör bestellt und im September 2003 ausgeliefert erhalten hatte. Der Kläger rügte
in der Folgezeit eine Vielzahl von Mängeln, die zu einer Reihe von [X.] führten, und zwar unter anderem Mängel an der Lenkung des Fahrzeugs. Namentlich
gestützt auf [X.] und Farbabplatzungen im Bereich des [X.] auf einen Sägezahnabrieb der Reifen trat er schließlich mit [X.] vom 23.
November 2005 vom Kaufvertrag
zurück.
1
-
3
-
Das [X.] hat -
unter
Abzug einer Nutzungsentschädigung -
der auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gerichteten Klage
weitgehend, nämlich in Höhe von 22.291,31

zuzüglich 552,31

,
stattgege-ben. Dabei hat es zum einen vorhandene Rostanhaftungen am Unterboden des Fahrzeugs und zum anderen Fehler an der vorderen Achseinstellung als Män-gel angesehen, die den erklärten Rücktritt rechtfertigten.
Das [X.] hat auf die Berufung des Beklagten die Klage unter Abänderung des erstin-stanzlichen Urteils insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Kläger
die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Korrosion an dem an der Unterseite
des Fahrzeugs angeschraubten Fahrgestell und den
dort befindlichen Gussteilen stelle bereits keinen Sach-mangel dar. Demgegenüber stelle die nach dem eingeholten Sachverständi-gengutachten fehlerhaft
eingestellte
Achsgeometrie des Fahrzeugs zwar einen Mangel dar, der
sich in Form von
Lenkschwierigkeiten und Instabilitäten insbe-sondere bei höheren Geschwindigkeiten auf die Verkehrssicherheit ausgewirkt sowie in einem ungleichmäßigen Verschleiß der Reifen niedergeschlagen habe. Insoweit sei es auch unschädlich, dass der Kläger sein Rücktrittsverlangen nicht genau auf diesen Mangel gestützt
habe, dessen Ursache
den Parteien vor Erstellung des Sachverständigengutachtens unbekannt gewesen sei,
so
dass selbst
der Beklagte
die mit der Lenkung bestehenden Probleme durch andere, 2
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4
-
im Ergebnis aber erfolglose Maßnahmen
zu beseitigen versucht habe. Gleich-wohl rechtfertige dieser Mangel, dessen Auswirkungen der Kläger immer wieder moniert und dabei mit dem Sägezahnabrieb so beschrieben habe, dass sein Rücktrittsverlangen grundsätzlich auch hierauf gestützt werden könne, einen Rücktritt nicht. Denn
der Mangel sei ungeachtet der von ihm ausgehenden Be-einträchtigung der Fahrsicherheit unerheblich im Sinne von §
323 Abs.
5 Satz
2 BGB. In die dazu vorzunehmende Interessenabwägung sei nämlich auch [X.], dass die mit maximal 1.300

Mangel-beseitigung noch nicht einmal bei fünf Prozent
des vom Kläger gezahlten Kauf-preises lägen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger -
verbunden
mit Arglistvorwürfen
-
immer wieder
unberechtigte Mängelrügen erhoben und den Beklagten auch insoweit zu zahlreichen Nachbesserungsversuchen [X.] habe. Dies rechtfertige es, den Kläger hinsichtlich des einzig bestehenden Mangels auf das ihm nach §
437 Nr.
1, §
439 BGB verbleibende Nacherfül-lungsrecht zu verweisen, zumal eine Nachbesserung noch möglich sei und der Kläger die Annahme einer Nacherfüllung hinsichtlich des ihm damals selbst noch unbekannten Mangels bislang nicht endgültig abgelehnt habe.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Es kann dahin stehen, ob in den vom Berufungsgericht festgestellten Rostanhaftungen an der Fahrzeugunterseite ein
Mangel des Fahrzeugs liegt. Nicht frei von [X.] ist jedenfalls
die Annahme des Berufungsgerichts, der
Mangel der vorderen Achseinstellung sei eine unerhebliche Pflichtverlet-zung
im Sinne von §
323 Abs.
5 Satz
2 BGB, so dass dem Kläger kein [X.] nach
§ 437 Nr. 2 BGB zustehe, sondern er sich auf eine
Nacherfül-lung verweisen lassen müsse.
Der Kläger kann vielmehr gemäß § 437 Nr. 2, §
440, § 323 Abs. 1 und 2, § 346 Abs. 1, § 348
BGB von dem Beklagten die 6
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5
-
Rückzahlung des Kaufpreises
abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Rückgewähr
des gekauften Fahrzeugs beanspruchen, da die [X.] durch den Beklagten zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung
nach mehrfachen vergeblichen Beseitigungsversuchen fehlgeschlagen war.
1.
Zutreffend sieht
das Berufungsgericht es allerdings als unschädlich an, dass der Kläger für den
von ihm erklärten
Rücktritt nicht die fehlerhafte Achs-einstellung herangezogen hat, die erst im Zuge des im Prozess eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt
worden ist. Zwar muss, wenn der Rücktritt -
wie hier -
auf ein Fehlschlagen
bisher erfolgter
Nachbesserungsver-suche
gestützt wird, der betreffende Mangel zuvor hinreichend konkret ange-sprochen und zur Nachbesserung gestellt worden sein.
Das ist vorliegend [X.] geschehen. Denn
der Kläger
hat sich bei
seinem
Rücktritt auch
auf
einen fortbestehenden Sägezahnabrieb der Reifen gestützt, für den die bei der bishe-rigen Fehlersuche nicht als fehlerhaft erkannte
Achseinstellung
jedenfalls mitur-sächlich war. Das Berufungsgericht hat deshalb die vom Kläger über den Säge-zahnabrieb beanstandete fehlerhafte Achseinstellung, welche der Beklagte bis dahin trotz diverser Nachbesserungsversuche, die alle nicht an der richtigen Stelle angesetzt hatten, nicht hatte beseitigen können, mit Recht als geeignet angesehen, den erklärten Rücktritt zu rechtfertigen.
2.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht
jedoch,
der Kläger sei mit ei-nem hierauf gestützten Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausge-schlossen, weil die Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick darauf unerheb-lich sei, dass die fehlerhafte Achseinstellung
mit einem Reparaturkostenauf-wand
von
weniger als fünf
Prozent des
Fahrzeugkaufpreises behoben werden könne.
Das Berufungsgericht hat dabei verkannt, dass für die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflicht-verletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers aus-7
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-
schließt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist ([X.]surteile vom 5. November 2008 -
VIII ZR 166/07, [X.], 508 Rn. 19; vom 9. März 2011 -
VIII ZR 266/09, [X.], 1664 Rn. 18). Zu diesem Zeitpunkt war die Ursache des
Sägezahnabriebs der Bereifung
trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche des
Beklagten noch nicht bekannt
und deswegen nicht ab-sehbar, ob und mit welchem Aufwand der Mangel beseitigt werden kann.
Bei einer solchen Konstellation
kann dem Mangel die Erheblichkeit nicht abgespro-chen werden. Daran ändert nichts, dass durch das im Verlauf des Rechtsstreits eingeholte Sachverständigengutachten die Ursache des Sägezahnabriebs der Reifen offenbar geworden ist und sich herausgestellt hat, dass die fehlerhafte Achseinstellung mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand korrigiert werden kann. Denn dadurch kann ein zum Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht zu einem geringfügigen Mangel im Sinne
des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB werden
([X.]surteile vom 5. November 2008 -
VIII ZR 166/07, aaO Rn. 20; vom 9. März 2011 -
VIII ZR 266/09, aaO).
Der vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Überlegungen zur Wirk-samkeit des Rücktritts weiter herangezogene Umstand, dass der Kläger den Beklagten zuvor schon durch eine Reihe unzutreffender Mängelrügen zu zahl-reichen Nachbesserungsversuchen veranlasst habe, ist für die Beurteilung der Erheblichkeit des zuletzt jedenfalls noch vorhandenen Mangels der Achseinstel-lung irrelevant und hat daher außer Betracht zu bleiben.

III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil die Höhe der vom [X.] zuerkannten Zahlungsansprüche nicht im Streit
10
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-
steht, so dass es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage hiernach begründet ist, ist die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Ball

Dr. Frellesen

Dr. Milger

Dr. Achilles

Dr. Schneider

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.03.2008 -
3 O 527/05 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 13.05.2009 -
1 [X.] -

Meta

VIII ZR 139/09

15.06.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2011, Az. VIII ZR 139/09 (REWIS RS 2011, 5718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5718

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